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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Schulze, Otto: Farbige Möbel
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https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0196

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5eite ^8.

Gktober-k)eft.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

mrlng^ ^Wövel.

von Gtto Schulze, Köln a. Rh.

>aisonmäßig kommend und gehend vollziehen sich wie in den Minifter-
krisen der Göttin
Mode auch in der Innen-
dekoration Wandlungen,
über die wir uns nicht
immer Rechenschaft ab-
zulegen vermögen. Bald
ist es dieStosfdekoration,
die heute bevorzugt,
morgen schnöde hinten-
angesetzt wird, mal die
Tapete, überhaupt die
Wandfläche, welche sich
größter Aufmerksamkeit
erfreut, oder auch das
Fenster, ja selbst der
Plafond — letzterer hat
besonders in den ver-
flossenen Jahren sich
weitgehendster Pflege zu
erfreuen gehabt — wird
in diese Schwankungen
hineingezogen. Aber
mehr noch als diese,
meistens durch Bauwuth
und Bauspekulationeu
von Seiten der Mieths-
wohnungs - Fabrikanten
inszenirten Blender und
Preisschrauben, hat die
mobile Dekoration und
ganz besonders das
Möbel, die fahrende
Habe, Kursschwankun-
gen erleiden müssen,
welche um so rnehr ab-
fielen, je raffinirter die
Toilette der Mieths-
wohnungen wurden.

Unreelle Möbelge-
schäfte und Schleuder-
auktionen ganzer frag-
würdiger Ausstattungen
von angeblich versetzten
Beamten, fingirten Lrb-
theilungen u. Heiraths-
auflösungen haben den
Mittelstand mit einer
Waare überschwemmt,
die unter aller Kanone
ist. Nichts als gleißender
Schein, der dem Nichts
nachgibt, der die seinen
Kerle aus den Kleider-
Paradiesen und goldenen
Hundertundzehnen mit
dem Ursprungszeugniß
versieht. Unter den ob-
waltenden Verhältnissen
muß der Miether, um
seine Habe mit den
Miethsräumen auch nur
einigermaßen in Ein-
klang zu bringen —
billig soll Alles sein —
auf Prunk- und Schund-
möbel reinfallen. Fein
Nußbaum, Mahagoni,

Palisander oder Lichen,
natürlich mit Säulen, Aufsätzen, geschnitzten Füllungen und reichen Beschlägen,
eine Leim- und Scheinarchitektur su miuiaturs von dem vorbildlichen Mieths-
bau. Das paßt Alles so wunderschön zusammen, ist modern und hat ja bei
der Anschaffung — die blaue Garnitur stammt von einem „auseinander-
separirten Ehepaar", so sagt der Berliner — so wenig Kopfzerbrechen verursacht.

Es ist ja nicht zu leugnen, daß neben vielen faulen und wunden
Punkten ganzer Geschäftskategorien das Hastende und Ueberstürzeude unseres
gesellschaftlichen Lebens für die oben gerügten Mißstände mit verantwortlich
gemacht werden muß. Alles ist auf ein schnelles Aufbrauchen, aus beschleu-
nigten Verschleiß durch die Ueberproduktion zugespitzt, die stets das Aller-
neueste in Bereitschaft
hält. So ist es gekom-
men, daß wir uns kaum
noch um Sie Verfertiger
unserer Kleider und
Schuhe und sonstigen
Lebensbedürfnisse küm-
mern, von Handwerkern
und Kunstgewerbetrei-
benden, die die Geschäfte
mit Möbeln und Deko-
rationen versorgen, kaum
etwas wissen. — Auf
der anderen Seite sind
so viele verschiedene
Techniken durch die Ver-
breitung der Liebhaber-
künste in alle Volks-
schichten gedrungen,
allerdings leider vielfach
nur Modelaunen, daß
es mich wundert, bisher
so wenig Berührungs-
punkte des dilettirenden
Mittelstandes mit den
Handwerkern gefunden
zu haben. Erblicke ich
auch die Erklärung hier-
für in dem Umstand,
daß derLiebhaberkünstler
gleichfalls dazu neigt,
auf Schein zu arbeiten,
so halte ich doch einen
versuch zur Besserung
der Dinge nicht für aus-
sichtslos. Gerade hier ist
noch Besserung möglich.

wir müssen zunächst
unserem Hausrath wie-
der eine liebevollere Auf-
merksamkeit entgegen,
bringen, die Kunst im
Hause soll sich eben über
das breiten, was in erster
Linie die Annehmlich-
keiten eines Heims aus-
macht, ich meine Möbel
und Geräthe. was für
ein Stil in unseren Woh-
nungen herrscht, ist offen
gestanden ziemlich gleich-
gültig, nochzumal so
lange, als wir selbst
keine Hand rühren, der
geschäftsmäßigen Stil-
losigkeit die Spitze zu
bieten. Raffen wir uns
doch einmal auf und ver-
anlassen zunächst die
Hauswirthe, an Stelle
der inneren und äußeren
Theaterdekoration der
Miethskasernen etwas
Solides zu schaffen.
Schlechtschließende Fen-
ster und Thüren, klaf-
fende Fußböden, auf der

__ anderen Seite bunte

Tapeten und Luftdecken, das sind krasse Gegensätze zu unseren einfachen aber
immerhin gemüthvollen, bürgerlichen Durchschnittseinrichtungen, denen die
Gefahr droht, durch Trödel und Tand ebenfalls miethkasernenähnlichem,
flitterhaftem Aufputz zu verfallen.

Alle unsere Kunsthandwerker würden uns keineswegs böse sein, wenn

'Abbildung Nr. ^02 tz Schwavftväldvv Stand-Uhv. Entwurf vou K. Kuhn.
 
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