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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Schulze, Otto: Die Keramik im Dienste der Innen-Dekoration, [1]
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Philippi, P.: Die Frau und die Wohnungs-Ausschmückung, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0175

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Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Leite (Zs.

September-Heft.

besonders Einrichtungen und Anlagen von Küchen behandelt,
haben wir ein wichtiges Stück unseres heutigen Kapitels: „Die
Keramik im Dienste der Znnen-Dekoration" gestreift. Das hoch-
interessante Thema mit seinem vorzüglichen Vorbilderschatz und
den trefflichen Worten von Zulius Faulwasser und Ferdinand
Luthmer hatte mehr rationelle, wirth-
schaftliche und hygienische Gesichtspunkte
aufgestellt, die bei der weitreichenden Auf-
gabe unserer Zeitschrift nothwendig er-
örtert werden mußten. Aber auch dem
rein Künstlerischen solcher und verwandter
Anlagen muß sein Recht werden, dem
wir um so lieber entsprechen, weil es
nicht an vollendeten Werken fehlt, die
es in jeder Hinsicht verdienen, unserm
Leserkreis als mustergültig bekannt ge-
geben zu werden.

Zn diesen Einrichtungen lebt Heiter-
keit und Frohsinn, und die Lebensweisheit
und Lebenskraft, die in diesen Räumen
brütet, bratet und wellt, bleibt doch des
Pudels Kern für uns Sterbliche während
unseres irdischen Daseins. And so er-
öffnet auch hier der Herr Lucullus uns
die erste sonnige Perspektive in der
neckischen Anfangs-Vignette. Die Büste
des edlen Römers scheint in die Küche
einer Milchwirthschaft gerathen zu sein;
sie thront auf einem Butterfaß, umgeben
von allerlei verwandten Gefäßen und
Geräthen. Ahnt Lucullus den Sterilisi-
rungsprozeß, der vielleicht in dem großen
Kessel sich geheimnißvoll abwickelt? —

Mit drastischem Humor ist dies reizende Küchenbild von Hermann
Werle erfaßt — ihm danken 4vir auch die so traut anheimelnde
Küche auf der II. Kunst-Beilage. Ein Raum, ganz dazu
geschaffen, in seiner appetitlichen Ausstattung und Sauberkeit die
gesunde Nährquelle einer gut bürgerlichen Familie zu sein. Wie

praktisch ist die Anlage, wie durchdacht ordnet sich das gefällige,
durch seine konstruktive Zusammenfügung so wirkungsvoll deko-
rative Mobiliar ein, besetzt und bestellt mit allen denkbaren Aus-
stattungsstücken, die sich das wirthschaftlich schlagende Herz eines
braven Hausmütterchens nur wünschen kann. Herd, Fußboden

und Wand zeigen die freundliche und
frische Fliesenbekleidung, von welcher sich
Mobiliar und Geräth karakteristisch ab-
heben. Das Bild ist ein Schmuckkästchen
von Küche, würdig genug einen Künstler
zu begeistern, in Frauenherzen Wünsche
zu nähren!

Auch der Entwurf einer Küche von
Meister H. Sauermann, Flensburg,
Abbildung Nr. s0f2, führt uns eine
schmucke bürgerliche Küche vor. Zn
dieser hat der Beruf ihres Urhebers dem
Holz einen breiteren Platz eingeräumt
und nur die Herdwand ist mit Fliesen
bedacht worden. Doch es kann auch in
solchem Raum Sauberkeit walten, spielt
doch der Kostenpunkt in Miethshäusern
eine nicht unbedeutende Rolle. — Ein
gewaltiger Sprung führt uns zu der fürst-
lichen Rokoko-Küche der Königlichen
Porzellan-Manufaktur zu Berlin,
die wir in der I. Kunst-Beilage und
in Abbildung Nr. sOOo mit allen Fein-
heiten ihrer malerischen Ausstattung und
ihres idyllischen Zaubers wiedergeben.
Bei dieser Küchenherrlichkeit ist der Waud-
und Deckenbelag aus porzellanfliesen her-
gestellt, deren künstlerische Bemalung unter
Glasur erfolgt ist. Die Farben sind vorwiegend Glivgrün und
Braun, in welchen die Haupt-Accente durch Goldstaffirung hervor-
gehoben sind. Für diese Farbenwahl in nur drei Tönen ist lediglich
das dekorative Element in diesem Raum bestimmend gewesen, da
die Farbenpalette für Hartporzellan, also an Scharffeuerfarben


Abbildung Nr. Z002. Einzel-Ansicht zu Beilage I.

nung durch unfeine Farbentöne und Farbenakkorde zu verunglimpfen,
was bei annähernd reinen Farben immer der Fall sein wird.

Für die Decke ist im Allgemeinen, falls keine Holztäfelung
in Aussicht genommen ist, ein matter, bräunlichgelber Ton am
günstigsten. Raffinirte Gesimsemalereien, besonders solche in ver-
schiedenen Farben, sind zu vermeiden, und an ihrer Stelle ist ein
einfacher, in dunklerem Tone gehaltener breiter Rand zu empfehlen.
Ferner ist die übliche Fabrikwaare von Rosetten, (Ornamenten
und Pilastern in Gips mit ihrem verkümmerten Renaissancestil
durchaus zu verwerfen. Selbst die stilvolleren Sorten machen
meistens den Eindruck fremdartiger Zuthaten, während solche
Auswüchse an den Wänden oder der Decke so mit dem Ganzen
harmoniren müssen, daß sie nicht als besonderer Gegenstand,
sondern mit dem Ganzen eng verschmolzen und gewissermaßen
demselben entwachsen erscheinen.

Die Behandlung des Fußbodens, an welchem man sich neuer-
dings vielfach versündigt, soll lediglich die althergebrachte des
Gelens oder Bohnens sein. Man hat leider pastöse, intransparente
Fußbodenlacke erfunden, die den Fußboden feines natürlich schönen
Holzkarakters (der auch bei gewöhnlichen Holzarten zu würdigen
ist) berauben und ihm das karakterlose Ansehen eines gelben
oder braunen Gelfarben-Anstrichs zu geben.

Wie der Fußbodenlack ist auch der Gfenlack zu verwerfen,
und ebenso wie eine Behandlung mit Gel und Beize dem Holze
seinen äußeren Karakter beläßt, ist dies bei der Gfenwichse mit
Bezug auf das Eisen der Fall.

Die Fenster sollen in kleinere Scheiben eingetheilt sein, und
als guter Ersatz für gemalte Fenster empfehlen sich gemalte, in
Blei gefaßte Scheiben, welche beliebig vorgehängt werden können.
Wo große Spiegelscheiben vorhanden sind, welche immer den
unbehaglichen Eindruck großer Löcher machen (im Gegensätze zu
dem behaglichen Eindrücke der schützenden Geschlossenheit des
Raumes), versehe man dieselben mit kleinen Gardinen und be-
gnüge sich nicht, wie es vielfach geschieht, mit dem Vorhänge,
der die Fensternische umrahmt. Gardinen und Vorhang sollen
statt des absoluten Weiß stets einen gelblichen Ton haben, besonders
das Blauweiße ist zu vermeiden. Noch schöner als gelblichweiße
Gardinen sind solche, die in leichten, bunten Farben gehalten
sind, eine gute Wahl der Farben vorausgesetzt; selbstverständlich
müssen diese bunten Gardinen durchscheinend sein. Die Seiten
der Fensternischen behandelt man nicht stiefmütterlich als unbeachtete
Winkel, sondern schmücke sie liebevoll mit kleineren Bildern und
dergleichen, außerdem sind hier Epheuranken, welche die steife
Regelmäßigkeit der Linien mit ihrer lebendigen Formenwirkung
in angenehmster Weise würzen und als dekoratives Moment noch
viel zu wenig gewürdigt werden, durchaus am Platze. Die Töpfe
können, um das Geffnen des Fensters nicht zu hindern, außerhalb
der Fensternische an der Zimmerwand angebracht und die Ranken
den Wänden der Nische entlang geleitet werden. Dabei schädigt
es den guten Eindruck keineswegs, wenn die Bilder theilweise
von den Ranken verdeckt werden und somit einen immergrünen
trefflichen Schmuck erhalten. <z°rt,etzung saw
 
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