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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Hofmann, Albert: Ein Bild aus der nordböhmischen Teppich-Industrie
DOI Artikel:
Hochegger, R.: Die künstlerische Erziehung der deutschen Jugend, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0105

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Mai-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite 75.

Museums in Budapest, des Nordböhmischen Gewerbe-Museums
in Reichenberg, alle die in diesen Museen geborgenen reichen
Schätze aus dem ewigen und unerschöpflichen Jungbrunnen der
orientalischen Kunst weiß sich die Firma mit scharfem Blick und
feinstem künstlerischem verständniß dienstbar zu machen. Als
Beweis hierfür verweisen wir auf die in Farbendruck erschienenen
Musterkarten im orienta-
lischen Karakter, deren
Zeichnungen an Treue der
Formengebung, Harmonie
des farbigen Eindrucks
unübertrefflich schön sind
und in der seinen Angora-
Wolle geknüpft eine un-
vergleichliche Wirkung
ausüben, die nur von den
mitGold versetzten Seiden-
teppichen übertroffen wird.

Dabei geht auch die
Aunst des s8. Jahrhun-
derts nicht leer aus.

Teppiche in: Geschmack
Louis XIV., Louis XV.
und Louis XVI. bilden
in feinster Aneinander-
reihung der ungemein zar-
ten Farbeneffekte Haupt-
stücke der Ginzkey'schen
Manufaktur und werfen
dem auffallenden Licht
strahlenden Glanz ent-
gegen. Theils vor-, theils zurücktretend in der Farbe, bieten sie
Bodenbeläge, auf denen das farbenfreudige Auge mit Wohlgefallen
ruht. Line Anzahl Entwürfe der Musterkarte für Anüpfteppiche
im Geschmack des s8. Jahrhunderts können ein allerdings nur
schwaches Bild des Glanzes dieser Stücke geben. Die Treue in
der Stilfassung, die schon bei den orientalischen Teppichen rühmend
hervorgehoben wurde, darf auch hier besonders betont werden.

Abbildung Nr. Z28. Speise -

Ihre köstlichen Blumengebilde lassen die heute leider außer Hebung
gekommene schöne Sitte des Mittelalters, bei festlichen Anlässen
den Boden mit Blumen zu bestreuen, nicht schmerzlich vermissen.
Was im Mittelalter Binsen, Gras und Blumen für den Estrich
der oft kalten Wohnung waren, das sind heute die Teppiche für
den Holzfußboden des gegen früher behaglicheren Wohnraumes.

Auch hierin drückt sich
der Fortschritt in der
Wohnlichkeit, wie er sich
für die moderne Woh-
nung fortschreitend fest-
stellen läßt, gegenüber der
freilich noch mit manchen
technischen und baulichen
Unzuträglichkeiten käm-
pfenden Wohnung des
Mittelalters aus. Man
darf sagen, daß sich dieser
Fortschritt am zuverläs-
sigsten an dem Aufschwung
der gesammten Teppich-
industrie messen läßt und
an der Verbreitung, die
sie über das ganze Abend-
land gewonnen hat.

Und wenn es je im
Abendlande unternommen
worden ist, die Kunst-

Zimmrp in engl. Geschmack. tradition des Orients fort-

zusetzen und wenn es je
gelungen ist, den Teppich,
sei er nun eine Erinnerung an den Grient oder schöpfe er seine
Formen aus dem s8. Jahrhundert, zu dem Range eines Kunstwerkes
zu erheben, so darf mit Recht aus die Firma I. Ginzkey in Maffers-
dors hingewiesen werden, die es in hervorragender Weise verstanden
hat, unserer Aunst ein Werk zuzuführen, das in der Aunst des Orients
nicht die letzte Rolle spielt. Das 50 jährige Schaffen und Ringen der
Firma I. Ginzkey erhält hierdurch die Arone des Erfolges. —

ja schon selbst den Typus des Künstlerischen an sich. Wie beim
Künstler, wiegt beim Kinde die Fantasie vor. Was die Kunst
bei dem Erwachsenen, ist für das Kind das Spiel; wie der Künstler
die Illusion sucht, so das Kind. Alles, was es sieht und hört,
trachtet das Kind nachzubilden und nachzuahmen, freilich in oft
naiver Weise — der Stock wird zum Pferde, der Stuhl zum
Wagen, ein paar Kartenblätter werden zum palaste, ein Stückchen
Holz zum Abbild des Menschen — eine ästhetische Illusion, die
ebenso Kennzeichen des wirklichen Kunstschaffens ist. Das Kunst-
spiel des Kindes könnte zielbewußt geregelt werden, insbesondere
könnte man die freien Fantasiespiele, die Beschäftigung mit Spiel-
sachen und Bilderbüchern der künstlerischen Erziehung dienstbar
machen. Noch immer fehlt es bei uns an billigen, dem ganzen
Volke zugänglichen und verständlichen Bilderbüchern, welche von
künstlerisch und pädagogisch richtigen Gesichtspunkten aus ent-
worfen sind. Auch die Ausschmückung der Kinderstube ist nicht
zu vernachlässigen. Es ist nicht gleichgültig, ob das Kind in
einem Raume aufwächst, wo Auge und Fantasie keine Anregung
finden, oder ob es schon von der Wiege an mit schönen Eindrücken
erfüllt wird. Jedes Kind zeigt auch schon früh den Trieb zu
selbständiger Werkthätigkeit, namentlich zu kunstvoller Hand-
beschäftigung. Die Fröbel'sche Schule hat derartige bildende
Spiele erfunden: Modelliren, Baukastenspiel, das Legen bunter
Täfelchen, das Stäbchenlegen, wobei durch Gruppirung von Holz-
stäbchen die Umrisse eines Gegenstandes analog einer primitiven
Zeichnung hergestellt werden. Offenkundig lernt das Kind z. B.

durch letzteres Spiel die Gegenstände zeichnerisch ausfassen. Nicht
minder bildend ist das Fädchenlegen, wobei das Kind auch in
der Lage ist, die krummen Linien der Natur wiederzugeben.

Die Schule wäre dann berufen, den früh sich regenden künst-
lerischen Trieb weiterzubilden. Mit Freuden ist jene lebhafte
Bewegung zu begrüßen, welche, in: Bestreben, bei der intellektuellen
Ueberbürdung unserer Jugend ein Gegengewicht durch eine körperlich
und dabei doch geistig anregende Beschäftigung zu schaffen, den
Handfertigkeits-Unterricht in den Schulen einzuführen trachtet.
Während in den nordischen Staaten schon seit den siebziger Jahren
diese Bestrebungen, welche an die dort so hoch entwickelte Haus-
industrie anknüpften, ausgiebige Unterstützung von Seiten der
Behörden erhielten, während in Frankreich der Arbeitsunterricht
seit s882 an sämmtlichen Volks- und Bürgerschulen des Landes
als obligatorischer Unterrichtszweig eingeführt worden ist, ver-
halten sich bei uns die Regierungen noch immer sehr zurückhaltend.
Statistische Daten mögen sprechen. In Deutschland bestanden zu
Ende des Jahres sZIs^nur 253 Stätten für erziehliche Hand-
arbeit; davon waren s93 selbständig, s 60 Zehnten sich an andere
Anstalten an. Alles in Allem wird in Deutschland von Seiten
der Behörden zur Unterstützung des Handarbeits-Unterrichtes eine
Summe von 9?000Mk. verwendet, davon entfallen 52000 Mk.
auf die Gemeinden. Preußen und Sachsen geben z. B. je blos
s^OOO Mk., Baden 2000 Mk. aus. In Berlin werden zur Zeit
nur 550 Schüler mit einem städtischen Zuschuß von s800 Mk.
unterrichtet. (Schluß folgt.)
 
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