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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Volbehr, Theodor: Das Kunstgewerbe und die Künstler
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Waldau, Otto: Zur Geschichte der Innendekoration bezw. der Möbel, [1]: unter besonderer Berücksichtigung Frankreichs
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https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0015

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Januar-Heft.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Seite 3.

Daseinsbedingungen die schaffenden Kräfte sind. Ist es denn so
schwierig, aus solchen Beobachtungen, aus solchem Wissen heraus,
die Regel für das Kunsthandwerk zu abstrahiren, daß jeder Gegen-
stand seinen Bedingungen, seinen Zwecken gemäß gestaltet werden
muß, und daß wiederum bei demselben Gegenstand die Zeitver-
hältnisse, besondere
Knistände die Zwecke
modificiren können?

Air eine Zeit mit eng
anliegender Tracht
müssen andere Stühle
gemacht werden, als
sie ein Zeitalter der
Reisröcke verlangt.

Jawohl, heißt es da,
das alles sind Theo-
reme, der Künstler
aber will seinem Na-
turell gemäß prak-
tisch wirken! Was
hindert ihn daran?

Wöge er praktische
Gegenstände entwer-
fen, aber eben in
diesein Sinne, als
denkender Beobachter
entwerfen. Der Kunst-
gewerbetreibende
wird willig folgen.

Heutigen Tages ent-
wirft der Künstler
mit besonderer Vor-
liebe geistreiche Klei-
nigkeiten für den Lithografen, für die schmückende häusliche Kunst,
soweit sie von der Familie selbst geübt wird; dann trifft man
auf allerlei Luxusgeräth, Prunkräume von fürstlicher Pracht und
hin und wieder auf Vorlagen für die Goldschmiedekunst. Das
große Gebiet der nothwendigen Hausausstattung fehlt fast ganz.

Abbildung Nr. 8^6. Salem a. d. Haulff des Kunstsammlrrs A. PH. Schuldt in Hamburg.

Nach einem Lichtdruck, im Besitz der Kunsthandlung Z. M. Heberle, Köln.

Wan muß sich von England die Wüster verschreiben um
einfache, aber mit künstlerischem Geist komponirte Wöbel zu Gesicht
zu bekommen. Woran liegt das? Sollten unsere Künstler wirklich
glauben, daß Schönheit und Prunk dasselbe ist? Schwerlich.
Aber ich fürchte fast, daß sie glauben, man könne an ihrer Künstler-
schaft zweifeln, wenn
sie nicht durch flie-
gende Amoretten und
stolze Karyatiden ihre
Beherrschung der
Körperformen doku-
mentiren. — Unsere
Künstler huldigen
heute zum großen
Theil dem Prinzip)
wahr und schlicht wie
die Natur; und sie
suchen keineswegs
immer die Natur dort
auf, wo sie großartig
ist. Warum in aller
Welt werden hieraus
keine Konsequenzen
gezogen? Warum
sind nicht auch die
Entwürfe für die
Kunstgewerbe schlicht
und wahr, d.h. zweck-
entsprechend. Gingen
die Künstler voran,
dann würde man
bald Augen dafür
bekommen, daß nicht
überreiche Formen die „Kunst" in dem Worte Kunsthandwerk
repräsentiren. wer da glaubt, durch aufgeleimte Zuthaten aus
der Künstlerwerkstätte ein Hausgeräth in die Sphäre des Kunst-
gewerbes hinaufheben zu können, der irrt sich gewaltig, der gibt
den Bußpredigern gegen den Luxus die schönsten Waffen in die

hat sie kein karakteristisches Gepräge, wir bestreben uns, unsere
Wohnungen möglichst komfortabel einzurichten und wenn man
dieses leider oft wenig geschmackvoll thut, so sucht man es wenigstens
praktisch zu machen. Die Kunsttischlerei bleibt bis auf den heutigen
Tag, wo die Eleganz und die Vervollkommnung der Wöbel
Zwischen beiden die natürliche Grenze zieht, mit der gewöhnlichen
Lchreinerei verwachsen. Im Wittelalter sind die Wöbel nicht
sehr mannigfaltig, wir finden Betten, Truhen, Kredenztische,
Sessel und Stühle, zumeist aus Eichenholz. Die Eiche ist in der
That der weitverbreitetste Baum und wird in Frankreich, England,
Deutschland und der Lombardei fast ausschließlich verarbeitet.
Die Ausschmückung der Wöbel war eine sehr einfache und besteht
in einigen wenigen Blumenranken, Schnitzereien und Schnörkeln.
Nur wenige solche Stücke sind noch vorhanden. Im s2. Jahr-
hundert haben die Wöbel massive Formen, aber gleichwohl den
graziösen Schnitt der romanischen Schule. Im s3. und sH. Jahr-
hundert schmückte man die Wöbel mit Walereien, die theils Sujets
aus der heiligen Schrift, theils aus der Geschichte oder der Fabel
darstellten. Erst im vorigen Jahrhundert trennt sich die Kunst-
tischlerei mehr und mehr von der Handwerksschreinerei, dank dem
Einflüsse der Spitzbogen-Architektur, die bald darauf zum vollen
Durchbruch gelangte. Die Tischler fuhren fort in der Anbringung
sehr einfacher Verzierungen, bis sie den Holzschnitzern Platz machen
mußten, die die Wöbel mit zahlreichen Thierfiguren und wunder-
samen Schnörkeln versahen. Zn dieser Epoche waren in Italien,
der Schweiz, in Deutschland, Holland und Belgien die Wöbel

gothischen Stils vorherrschend; in Frankreich fanden sie am Ende
des nämlichen Jahrhunderts nur in der Bretagne und Normandie
Eingang. Die Tischler schieden sich in zwei Kategorien und die
Arbeiter legten sich den Namen Wöbeltischler bei. Sie waren
übrigens gute Holzschnitzer und einige erlangten sogar eine gewisse
Berühmtheit, so Avernier, Jean Trupin, Arnold Boulin und
A. Huet, welche die wunderbaren Kirchenstühle in der Kathedrale
von Amiens verfertigten.

Zn Italien wurde die seltenere Eiche durch den Eitronen-
baum und einzelne kostbare Hölzer der Levante ersetzt, u. a. durch
Ebenholz. Der Reichthum der Farben und die Dauerhaftigkeit
dieser Holzarten, in welche man Elfenbein, Perlmutter und edle
Wetalle einlegte, machten diese Wöbel so merkwürdig und schön.
Sie repräsentiren den Stil der Renaissance, der „Wiedergeburt".

Unter der Regierung Franz I. zog Katharina von Wedicis
italienische Künstler nach Frankreich, von welchen wir Johann
von Verona, Brunellesco und Benedetto da Wajano nennen. Im
s 6. Jahrhundert entstand das eigentliche französische Wöbel. Jean
Goujon, du Eerceau (Jacques Androuet) schmückten ihre Erzeug-
nisse mit Basreliefs, auch mit Figuren in Hautrelief und mit
runden Buckeln von großer Feinheit, deren architektonische Grund-
lage der italienischen Kunst entlehnt war. Die Betten sind mit
Baldachinen versehen, die von Säulen oder Figuren getragen
wurden, die Schränke sind an den Ecken von gerieften Säulchen
flankirt, tragen geschnitzte Aufsätze. Die Renaissance der französischen
Wöbel umfaßt die Periode von s^OO bis s589- (Zortsehung saie eo.)
 
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