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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Statsmann, Karl: Plauderei über Kunstschmiede-Arbeiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0240
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Seite s8ch

Illustr. kun stgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Dezember-Heft.

In Berlin und Hamburg, an unseren größten Zentren,
beobachtet man bedauerlich stets noch, daß (selbst feine barocke
und sogar Rokoko-) Schmiede-Arbeiten, vornehmlich Thore, tief-
schwarz bemalt sind und (wenn sie an weißen Fassaden stehen,
erst recht) dadurch plump, finster, unfein und unschön, widerwärtig
erscheinen. Sie verhüllen
gleichsam durch die Farbe
wieder das zarte, feine
Gerüst und sprechen ge-
rade die Eigenart des
Eisens, gefällig und bild-
sam zu erscheinen, nicht
aus. Ein paar Gold-
tuschen, vielfach noch am
falschen Platze, vermögen
das Ganze nicht zu heben.

Ein weißer, so oft be-
liebter Anstrich ist eben-
sowohl unpraktisch wie un-
schön und stilistisch falsch.

Die scharfen Linien des
Eisens wollen und sollen
gerade gesehen sein. Aber
sie sollen auch nicht den
Eindruck der Schwere (des
Eisens oder seiner Massen)

Hervorrufen, da wo das-
selbe durch die Gliederung
zu wirken berufen ist. Be-
male man mit nicht zu
dunklen, nicht zu Hellen
Tönen; vorzüglich steht
gedecktes Grün. Spreche
man die Glieder verschie-
dener Funktion durch ver-
schiedene Farben aus.

Diese Behandlung erfor-
dert allerdings etwas mehr
Rosten und bessere An-
streicher, keine stumpfsin-
nigen Lehrjungen. Ist
die rechte Bemalungsart
aber einmal gang und
gäbe geworden, dann ver-
dienet Ihr doch aber noch
mehr, Ihr Handwerker!

Es ist hieraus wieder er-
sichtlich, wie Künstler,

Handwerker und Publi-
kum sich in die Hände
arbeiten müssen. Es muß
der Geschmack so weit
gebildet werden, daß eben
letztere das Bessere, Rich-
tige einfach verlangen.

Mehr Naturstudium,
mehr Zusammenhang der
Ausführenden und Kon-
struirenden, eine innigere
Beobachtung des Zu-
sammenhanges der Erscheinungen! Wo ist da ein offener Blick,
wenn man, wie es fast überall geschieht, die Gitter vor Thüren
und Fenstern, vor Verglasungen, schwarz oder dunkel vor dem
meist dunkel erscheinenden Glas sich abheben bezw. nicht abheben
sieht! Auch unsere Treppengeländer dürfen in der Farbe gefälliger

werden. Sparet das unechte Gold, gebet dein Eisen was des
Eisens ist. Auch über eine ansprechende Behandlung der Eisen-
theile im Naturton des Eisens ist an dieser Stelle viel Werth-
volles, Beherzigenswertes geschrieben worden. — Wir erkannten
also, daß zum Herausholen aller gefälligen und nützlichen Eigen-
schaften des Eisens auch
die Berücksichtigung der
Farbe gehört. Zur voll-
kommenen Stilisirung be-
darf es indeß noch wei-
terer Faktoren. Ziehe
man die Fähigkeiten des
Eisens förmlich aus ihm
heraus. Versuche man
Abwechselung in runden
und scharfkantigen, ge-
drehten Stäben, denke inan
an die Erzielung der
Kontrastwirkungen, Zu-
rückhaltung in der Fülle,
Flächenbehandlung, vor-
nehmlich aber durch Ver-
wendung stimmungsvoller
Motive aus unserer
Naturumgebung, welche
eine aufmerksame, liebe-
volle Beobachtung der-
selben und ihres Lebens
bekunden. In solcher Art
muthen uns an — all die
wundersamen Schöpfun-
gen des Hamburger Kunst-
schmiedegewerbes, insbe-
sondere die Ausbildungen
der städtischen parkein-
sriedigungen, Anschlag-
tafeln, Geländer rc.
Das sind volksthümliche
Werke! Man besehe den
Wegweiser der alten
Rabenstraße der Alster-
vorstadt: welch sinnige
humorvolle Auffassung!
Ein alter Rabe mit blauer
Brille, flott in Erz ge-
trieben, hält da die In-
schrifttafel. Gemahnt das
nicht an die naturfrohe
gemächliche, mittelalter-
liche Auffassung ähnlicher
Aufgaben? Gder ein
anderes Bild: das stäm-
mige, aus schwerem ^ua-
drateisen geschmiedete Ge-
länder einer über einen
Wiesenbach führenden
Brücke, dessen Vergitte-
rungen in trotzig festhal-
tenden Störchen enden und
festgehalten werden und
vieles Andere.— Das Auge sieht sich satt an reichen und überladenen
barocken Schmiede-Arbeiten und der Geist bewundert Arbeit und
Entwurf. Aber das Herz hat meist keinen Antheil. Schöpfe man
drum wieder aus dem Borne der Natnr um uns, erkenne man
aus ihr aber auch das, was uns so hochbeseligen kann: das

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Nr. >057. Thorgitter-Eingang in die badische Ubtheilung in Chicago.
 
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