Seite 46.
Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.
März-Heft.
deren Mannigfaltigkeit ein ganz bestimmter, alle Einzelheiten
beherrschender und tragender Grundzug. Nicht etwa ein
Schema, ein geometrisches Prinzip, wie es wiederholt schon
von anderen empfohlen wurde, vielmehr das Spiel aller den
Organismus belebenden Kräfte; mehr ein Empfinden, als ein
Wissen, mehr ein Gesicht als ein Sehen. So zeigt ein Teppich
auf einem phantastischen Wurzelgeäder in der Diagonale eine
Bahn wirbelnder, flammender Spiralen. Wir haben unmittelbar
den Eindruck von sprudelndem, zuckendem Drang und Werden.
Auf einem Einsätze für ein Boudoir - Schränkchen ist die
Bewegung eines Libellenstrudels am Abend im Schilfe als
Motiv zu erkennen, auf einer Divandecke ein flimmerndes
und fluthendes Muster, das dem rhythmischen Aufblitzen des
Lichtes auf den Wellen eines Baches entnommen ist. Ein
Kissen mit grünem Grunde zeigt einen weissen Wirbel aus
den Samenfäden einer Schlingpflanze. Der unendlich feine
Stern scheint niederzusinken wie eine ungeheuere Schnee-
flocke. In seinen einfacheren Arbeiten ist er bei strengster
Zweckmässigkeit und naivster Einfachheit oft von ausdrucks-
vollster Poesie. Einen Kissenschmuck erreicht er z. B. durch
Vereinfachung der Eindrücke, die eine blühende Wiese erweckt,
auf der die frischen Blüthensterne in Schaaren zur Sonne
emporblicken. Die Wiesenblumen lächeln uns wie harmlose
Kinderaugen entgegen, lieblich und fein; und die Sonne ist
auch eine Blume, eine grosse, grosse, goldene Blume, die
alle die Kleinen verehren.
Otto Eckmann *) ist ihm in der Vereinfachung der Pflanzen-
und Thierform zu ornamentalen Motiven nahe verwandt. Aber
er war Maler und hat das noch nicht ganz vergessen. Es
fällt ihm zuweilen noch schwer, auf das Darstellen zu ver-
zichten und jenen Grad der Stilisirung zu erreichen, den das
eigentliche Ornament voraussetzt. Er hat viel für Buch-
! Verzierung geschaffen und sich besonders durch seine Ent-
würfe für die mit norwegischer Technik arbeitende Webe-
schule zu Scherrebek in Schleswig-Holstein hervorgethan.
Die Verwendung des mehr oder minder realistischen
Pflanzen-Motives, zu der wohl die Japaner aufforderten, ist
überhaupt das Karakteristikum der modernen Schule. Schon
vor länger als einem Menschenalter wurden in dieser Hin-
sicht die ersten Versuche gewagt, so viel ich weiss in Ham-
burg. Es ist daher wohl nicht als Zufall zu betrachten, dass
eine auffallend grosse Zahl der Künstler, welche neuerdings
*) Vergl. den von ihm entworfenen Umschlag der »Deutschen Kunst u. Dekoration«,
sowie zahlreiche Abbildungen nach ausgeführten Werken in Heft 1 — 2 derselben.
Abbildnng Nr. 1041.
Aus unserem Wettbewerb: Wohn- und Speise-Zimmer von Architekt Wilhelm zaiser—Düsseldorf.
III. Preis.
Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.
März-Heft.
deren Mannigfaltigkeit ein ganz bestimmter, alle Einzelheiten
beherrschender und tragender Grundzug. Nicht etwa ein
Schema, ein geometrisches Prinzip, wie es wiederholt schon
von anderen empfohlen wurde, vielmehr das Spiel aller den
Organismus belebenden Kräfte; mehr ein Empfinden, als ein
Wissen, mehr ein Gesicht als ein Sehen. So zeigt ein Teppich
auf einem phantastischen Wurzelgeäder in der Diagonale eine
Bahn wirbelnder, flammender Spiralen. Wir haben unmittelbar
den Eindruck von sprudelndem, zuckendem Drang und Werden.
Auf einem Einsätze für ein Boudoir - Schränkchen ist die
Bewegung eines Libellenstrudels am Abend im Schilfe als
Motiv zu erkennen, auf einer Divandecke ein flimmerndes
und fluthendes Muster, das dem rhythmischen Aufblitzen des
Lichtes auf den Wellen eines Baches entnommen ist. Ein
Kissen mit grünem Grunde zeigt einen weissen Wirbel aus
den Samenfäden einer Schlingpflanze. Der unendlich feine
Stern scheint niederzusinken wie eine ungeheuere Schnee-
flocke. In seinen einfacheren Arbeiten ist er bei strengster
Zweckmässigkeit und naivster Einfachheit oft von ausdrucks-
vollster Poesie. Einen Kissenschmuck erreicht er z. B. durch
Vereinfachung der Eindrücke, die eine blühende Wiese erweckt,
auf der die frischen Blüthensterne in Schaaren zur Sonne
emporblicken. Die Wiesenblumen lächeln uns wie harmlose
Kinderaugen entgegen, lieblich und fein; und die Sonne ist
auch eine Blume, eine grosse, grosse, goldene Blume, die
alle die Kleinen verehren.
Otto Eckmann *) ist ihm in der Vereinfachung der Pflanzen-
und Thierform zu ornamentalen Motiven nahe verwandt. Aber
er war Maler und hat das noch nicht ganz vergessen. Es
fällt ihm zuweilen noch schwer, auf das Darstellen zu ver-
zichten und jenen Grad der Stilisirung zu erreichen, den das
eigentliche Ornament voraussetzt. Er hat viel für Buch-
! Verzierung geschaffen und sich besonders durch seine Ent-
würfe für die mit norwegischer Technik arbeitende Webe-
schule zu Scherrebek in Schleswig-Holstein hervorgethan.
Die Verwendung des mehr oder minder realistischen
Pflanzen-Motives, zu der wohl die Japaner aufforderten, ist
überhaupt das Karakteristikum der modernen Schule. Schon
vor länger als einem Menschenalter wurden in dieser Hin-
sicht die ersten Versuche gewagt, so viel ich weiss in Ham-
burg. Es ist daher wohl nicht als Zufall zu betrachten, dass
eine auffallend grosse Zahl der Künstler, welche neuerdings
*) Vergl. den von ihm entworfenen Umschlag der »Deutschen Kunst u. Dekoration«,
sowie zahlreiche Abbildungen nach ausgeführten Werken in Heft 1 — 2 derselben.
Abbildnng Nr. 1041.
Aus unserem Wettbewerb: Wohn- und Speise-Zimmer von Architekt Wilhelm zaiser—Düsseldorf.
III. Preis.