Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1885

DOI article:
Gmelin, Leopold: Internationale Ausstellung von Arbeiten aus edlen Metallen und Legierungen in Nürnberg 1885, [2]
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7029#0097
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
/

4- 92

und erscheinen wohl geeignet, ein Diebsgewissen im ersten
Moment zu verblüffen!

(Es wäre überstüssige Mühe, diese Arbeiten technisch
klassisiziren zu wollen — nur die (Emails können wir aus-
schalten; denn erstens sind alle überhaupt möglichen Metall-
techniken hier unlöslich mit einander verffochten und zweitens
sind die zur Verwendung gekommenen Metalle — Gold,
Silber, Rupfer, Zinn, Antimon, (Eisen — nicht allein rein
äußerlich an denselben Gegenständen vereinigt, sondern sie
kommen auch in mehreren Legierungen vor. Außer den
uns bekannten — Bronze, Messing, Neusilber — bestehen
noch: Shakudoh (Rupfer, Antimon und Gold), Shibuichi
(Rupfer und Silber), Shidoh, Sentoku, Sahari (drei bronze-
artige Legirungen) und das blauschwarze Schijak dou (Rupfer
mit Gold und Schwefel). Dazu kommt eine unglaubliche
Manchfaltigkeit in der Patinierung, durch welche alle
Farbenabstufungen, Helles goldgelb, grüngelb, braun,
schwarz, dann die grüne Bronze und das gebrochene
Rupferroth in's (Endlose variirt werden, und welche es
schlechterdings unmöglich macht, die Art der Legierung
durch das bloße Ansehen zu erkennen.

Selbst den gemeinen Rost des (Eisens verschmähen
die Japaner nicht, wenn er ihnen zur farbigen Wirkung
des Ganzen tauglich erscheint. Aber über dem eminenten
Geschicke der Wahl und Zusammenstellung der Farben,
wird die plastische Seite doch nichts weniger als vernachläßigt.

Pflanzen und Thiere, besonders Vögel, Insekten und
Schalthiere, werden in einer Vollendung dargestellt, daß sie
den ärgsten Stilpuristen entwaffnen müssen.*) Wir können
es tadeln, wenn ein Adler in der denkbar ungünstigsten
Verdrehung des Rörpers in Flachrelief ausgeführt wird;
aber die virtuose Mache zieht uns immer wieder mit
magischer Gewalt an.

Manche Arbeiten können geradezu durch ihre raffinirten
(Effekte den europäischen Nachahmer zur Verzweiflung
bringen. Da ist z. B. ein rechteckiges Theebrett von etwa
35 cm Länge, aus dunkelgrau patinirtem Messing, auf
dessen Fläche ein schlanker Fisch in Relief dargestellt ist,
wie er eben, noch halb vom Wasser verdeckt, an die Ober-
fläche tritt; neben diesem Relief-Fisch ist nun aber ein
anderer, gleicher Art, durch M e t a l l e i n l a g e n hergestellt,
aber so vollendet, so ganz in der spiegelglatten Fläche drin
und dabei so gedämpft in der Farbe, daß man einer durch-
sichtigen Materie gegenüber zu stehen glaubt, unter deren
Oberfläche sich der Fisch bewegt, — ein (Eindruck, der natür-
lich durch den daneben befindlichen Relief-Fisch wesentlich
gesteigert wird. Rein wunder, daß man hier gelegentlich
von „durchsichtiger Bronze" reden hört!

(Einen ähnlichen (Eindruck machen einige Fisch-Vasen,
an denen der Verfertiger das Rupfer durch Versilberung,
durch schwarze und blaue Beizung, durch Vergoldung so zu
behandeln verstanden, daß man die perlmutterartig schim-
mernden Fischschuppen, die schlüpfrige haut des Aals u. f. w.
in fast unheimlicher Naturtreue zu sehen glaubt. Daß es
wirklich Metall ist, was man da vor sich hat, — diese
Thalsache kann den: Bewußtsein auf Augenblicke entrückt

*) Die vermuthung, daß Naturgebilde, namentlich Schalthiere
direkt als Modelle verwendet werden, bezeichnet einer der anwesenden
Japaner als irrig. (?)

werden; anderseits spricht sie ein überzeugendes Wort für die
Schönheit polychromer Behandlung der Plastik.

Der glatten Tauschirung, wie sie an dem genannten
Theebrett zu finden war, steht eine solche mit Reliefbehand-
lutig zur Seite, einer Technik, die den Relief-Intarsien in Holz
entspricht, hierbei werden die zur Aufnahme des Silbers
vorbereiteten Vertiefungen in der Bronze nicht nur glatt
ausgeschlagen, sondern das Silber wird mit einem mehr
oder weniger bedeutenden Ueberschuß aufgebracht und dann
ciselirt, so daß es ein Relief bildet. In dieser Weise sind
Vögel in den gewagtesten Verkürzungen mit einem künstler-
ischen Verständniß für die perspektivische Wirkung, für
Flügelbildungen, Federn, Füße u. s. w. dargestellt, die jeder
Beschreibung spotten; ebenso kann sich auch nicht das unschein-
barste Blättchen oder Blümchen im Geringsten über Vernach-
lässigung beklagen. Aus einer vergoldeten Flachschüsse! von
etwa einen: Meter Durchn:esser, deren Grund durch große
Hammerschläge wirksames Leben erhalten hat, sind zwei
kämpfende Raben in Lebensgröße dargestellt; während die
zerzausten Federn durch die Luft fliegen, eilt ein dritter Rabe
dem Bedrängten zu Hülse, inden: er sich von oben herabfallen
läßt. Die ganze Situation ist so lebhaft erfaßt, wie es nur
einer äußerst feinen Naturbeobachtung möglich ist und dabei
ist das kräftige Relief von einer durchaus nicht unfreien, aber
doch auch nicht nachlässigen Liselirung, die ihres Gleichen
nicht hat; die eintaufchirten Metalle sind: Gold für die
Augen, Silber für die Füße, Rupfer für die Zungen, und
die Schnäbel (letztere patinirt), eine blauschwarze Legierung
für das Gefieder.

(Eine von (Europäern nicht geübte Technik ist das In-
einandergießen verschiedener Metalle, das allerdings nur
auf ebene Dinge angewendet werden kann. In das noch
flüssige Silber wird an einer Stelle eine stahlblaue oder
schwarzgraue Legierung gegossen, wodurch sich beim (Erkalten
willkürlich begrenzte Dunkelheiten auf Hellem Grund ergeben;
je nach dem Aussehen derselben werden dieselben durch ein-
tauschirte goldene Aeste und Zweige zu Bäun:en oder durch
Blitze zu Wolken gestempelt, wozu dann jedesn:al eine ent-
sprechende Staffage kommt.

Aber selbst mit diesem weiten Rreis von Techniken
gibt sich der Japans nicht zufrieden; die reiche Metallfarben-
skala, auf welcher sich auch ein tiefes Roth von wunder-
barer Schönheit befindet, ergänzt er noch durch Mineralien,
Tonchilien, Porzellan, (Elfenbein, Perlmutter, die er bisweilen
als Reliefeinlage verwendet. Von besonderem Reiz sind
z. B. zwei kleine Vasen, auf deren dunklen:, gelblich-grün-
lichen: Grund Zweige und Blätter aus Silber und Gold,
Früchte und Blumen aus verschiedenrothen Achaten, aus
grünen: Speckstein u. s. w. in Relief gebildet sind.

Wie wenig bei alledem der eigentliche Zweck der Gegen-
stände aus dem Auge gelassen wird, dafür nur ein Bei-
spiel. Die großen Theebüchsen besitzen meist einen doppelten
Verschluß; dabei schmiegt sich der innere Deckel, dessen hoher
cylindrischer Rand in den hals der Büchse eingreift, so
dicht an den hals an. daß das Schließen der Büchse nur
mit einigem Rrastauswand möglich ist und es einige Mi-
nuten währt, bis die durch das (Einsetzen des Deckels kom-
primirte Luft ihren weg in's Freie gefunden.

(Ein unerschöpflich reiches Gebiet ist es, das sich hier
vor unfern überraschten Blicken aufthut, und überall finden

X
 
Annotationen