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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1885

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Gmelin, Leopold: Internationale Ausstellung von Arbeiten aus edlen Metallen und Legierungen in Nürnberg 1885, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7029#0098

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wir dis gleiche Vollendung der Technik, die gleiche fleißige
Durchführung. Mb wir die ein Flechtwerk imitirenden, ge-
gossenen Körbchen mit den darauffitzenden Krabben und
Käfern oder die aus Metallriemchen geflochtenen Teller
betrachten, ob wir unser Auge auf den durchbrochenen
Räuchergefäßen oder den in Relief taufchirten Theekannen
ruhen lassen: überall begegnen wir der vollendetsten Sauber-
keit, an der die meisten europäischen Bronzewaarenfabrikanten
nicht ohne Erröthen vorübergehen können. Allerdings
darf inan die europäische Bronze-Industrie nicht mit dem
gleichen Maaßstab messen; denn sie leidet unverkennbar
unter dem pochdruck der Mode, des Großbetriebs und der
Konkurrenz.

Dazu kommt ■— und zwar als das wichtigste Moment

— daß bei uns der Geschmack an Bronzen bei weitem nicht
so entwickelt ist wie in Japan selbst; bei uns konzentrirt sich
das Kunstinteresse vorwiegend auf die Malerei; — ihr
fließen, wie bekannt, ganz enorme Summen zu. Japan
kennt keine Malerei in unserem Sinn; was feine wohl-
habenden Einwohner für Kunstzwecke auswenden, hängen
sie großentheils an die Bronzen; das beweisen namentlich
auch die für die ausgestellten Gegenstände angesetzten Preise.
Jene Platte mit dem känipfenden Raben ist zu (700, jenes
Theebrctt mit den Fischen zu (860 Mark fixirt. Arbeiten,
welche durch die aus sie verwendete Zeit und Geschicklichkeit
so theuer zu stehen kommen, können nur gewagt werden,
wenn ihr Ursprungsland selbst der beste Abnehmer dafür
ist; bald nach Eröffnung der Ausstellung hat auch schon
der japanische Gesandte in Berlin eine ca. 30 cm hohe
Vase, welche einen reich drapirten Bogenschützen in vollen-
detster Relieftauschirung enthält, um den Preis von 4(800 Mk.
angekauft. London und Paris mögen durch ihre vielen
„Amateurs" Märkte zum Absatz solcher Kostbarkeiten sein

— aber keine deutsche Stadt! Dieß haben die Aussteller
Japans auch sehr wohl empfunden; denn die Anwahr-
scheinlichkeit, in Deutschland einen nennenswerthen Absatz
zu erzielen, woran sie sich während der Ausstellung genug-
sam überzeugt haben, ist der Grund, wcßhalb es nicht ge-
glückt ist, die japanische Bronze-Ausstellung nach Schluß
der Nürnberger für einige Wochen in Berlin oder München
zu etabliren.

Von diesen Gesichtspunkten aus wird die europäische
Bronze-Industrie milder beurtheilt werden, als es gewöhn-
lich beim Vergleich mit der japanischen zu geschehen pflegt;
es gibt leider des Tadelnswerthen noch genug!

Den japanischen Bronzen suchen sich die von Lhri-
stofle & Tie. (Paris und Karlsruhe) mit bewußter Ab-
sicht zu nähern, thcils allerdings unter Benutzung des
galvanischen Stromes, theils aber auch in wirklicher Relief-
tauschirung. Es ist aber auch die einzige Firma in dieser
Beziehung. Ein unglückliches Surrogat für diese Technik

— nämlich eine pastose, emailartige Bemalung in Gold-
und Silberfarben auf patinirtem Grund mit nachfolgenden:
Einbrennen — bringt A. Kolbing er (Wien). Im Ueb-
rigen ist gerade Wien sehr gut vertreten. K. Pollenbach
und v. Dziedzinski Sc panusch sind in Tuivre poli in
künstlerischer pinsicht überhaupt die hervorragendsten Aus-
steller; der Erstere hält sich noch mehr in der strengern Richt-
ung, die Letzteren verschmähen auch Anklänge an das Rococo
nicht. Aber in: Ganzen herrscht hier noch die edle Renaissance,

wohl begünstigt durch die künstlerischen Mitarbeiter der Wiener
Kunstgewerbeschule, Professor Schwarz und Bildhauer
Schindler. Ebenso wohlthuend empsindet man die künst-
lerische Beihülse an mehreren Arbeiten von El. Lux (Wien).

Was sonst das Ausland an kunstgewerblichen Bronzen
gestellt hat, ist klein beisammen. Frankreich ist nur noch
durch einen Aussteller — Louis Martin (Paris) •— ver-
treten ; aber die als Träger von sechs Gasarmen behan-
delte Kolosial-Vase gibt uns von den: sonst hochgeschätzten
Geschmack der Franzosen keinen richtigen Begriff, ebenso-
wenig die versilberten Lampen, so gut auch die Details
modellirt sind. Aehnlich steht es mit Italien; von hier
kamen meist nur grün patinirte Abgüsse antiker Bronzen
und bei den 20—30 flott modellirten und gemalten, theils
rnatten, theils glasirten Majolika-Lampen, welche Taccia-
puoti (Neapel) ausgestellt, kann man sich vergeblich nach
dem Passirscheine zur „Metall"-Ausstellung unffehen. Doch
halt! die Brenner sind ja von Metall!!!

In Bronze und Messing iniponirt Deutschland durch
eine außerordentlich große Menge von Objekten. Meist
sind es Berliner Firmen, welche sich eingefunden haben; die
wenigen anderen werden von ihnen schier erdrückt. Nur
Paul Stotz (Stuttgart) verinag sich der Aebermacht gegen-
über zu halten, und das nicht etwa durch die Zahl, sondern
durch die Güte seiner Ausstellungsstücke; namentlich ist es
eine große, bronze-montirte Marmorvase, die sich weit über
den Fabrikcharakter erhebt. Auch sein Berliner Nachfolger
— L. T. Busch — hält sich noch gegen den Strom. Die
übrigen Berliner Firmen arbeiten anscheinend nur für den
großen Markt.

Konnte inan früher nicht mit Anrecht den Arbeiten
der Schinkel'schen Epigonen eine gewisse Nüchternheit, Lang-
weiligkeit, Steifheit nachsagen, so hat man jetzt Grund, sich
über das Gegentheil zu beklagen. Die Sucht, mit der Waare
von heute die des Konkurrenten von gestern zu überbieten,
scheint hier ganz bedenkliche Blüthchen zu treiben. Nixen
und Tcntaurcn, Amoretten und Delphine, Masken, Muscheln,
Festons u. f. w. — das Alles kreist so toll durcheinander
wie die dürren Blätter im Wirbel des perbstwindes. Alles
n:uß mit plastischem Mrnament verziert sein; selbst die
kleinste pohlkehle bekoinmt diese Bürde aufgeladen. Baroke
Blumenschiffe, von Nixen getragen, schaukeln und gaukeln
über Wellenberge dahin; riesige Trinkhörner balanziren auf
dem breiten Rücken eines dahin stürmenden Jägers. Alles
ist Leben, aber — zu viel! Sehnsuchtsvoll schaut sich in
diesem wirren Treiben das übersättigte Auge nach einer
ruhigen Linie oder einer glatten Fläche um — vergebens!
Das Anruhige, was dem Tuivre poli ohnedieß schon an-
hastet, wird noch gesteigert durch den Mangel an Einheit-
lichkeit innerhalb der in eisten Firmen; man wird stellenweise
auf den: engen Raum von einen: halben Quadratmeter
durch drei, vier Stil-Nuancen hindurchgequält und hat nur
die Empfindung, daß die einzelnei: Sachen sich gegenseitig
umbringen. Ein Theil dieses Eindrucks fällt allerdings der
Aufstellung zur Last; aber die Pauptschuld liegt wohl daran,
daß an den verschiedenen Modellen der einzelnen Firmen
verschiedene pände gearbeitet haben. Da werden zwei, drei
Bildhauer zur Anfertigung von ebensoviel Modellen beauf-
tragt und gut bezahlt — und damit glaubt man genug
gethan zu haben; mit diesen paar Schaustücken macht mar:

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Zeitschrift des Aunstgewerbe-Vereins München.

*885. Heft U & \2 (Bg. 2).
 
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