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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1885

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Muther, Richard: Die Deutschen Volksbücher des 15. Jahrhunderts, [2]: Vortrag, gehalten im Kunstgewerbeverein am 2. Dezember 1884
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https://doi.org/10.11588/diglit.7029#0090

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Die MM LMMM i>s *5. HsMnllert^.

Dortrüg, gehalten im Uunstgewerbeverein am 2. Dezember ;88<( von Dr. Richard Muther.

(Schluß.)

ARTD Polo wirkte wiederum anregend auf
den folgenden Reisenden, einen englischen Edel-
mann Johannes Mandeville oder Montevilla,
der im Jahre f322 eine Reife nach Jerusalem
und Aegypten unternahm, auf welcher er zwölf Jahre
zubrachte. Nach feiner Rückkehr verfaßte er in Lüttich eine
Beschreibung in französischer Sprache, die bald darauf in's
Deutsche übersetzt wurde. Auf den ersten Blick scheint es, als
ob auch dieses Buch wieder ganz im Fabelstile der Alexander-
sage gehalten sei. Nicht nur nach Jerusalem, auch nach
dem Paradiese ist Montevilla vorgedrungen. Dieses,
erzählt er, liegt im fernen Indien auf einem Berge von
Adamanten und reicht hinaus zum Monde. Zwölf Thore
hat der Palast, 3000 Saphirstaffeln der Zugang, innen
liegt auf goldenem Bett der Alte der Tage, im Garten
steht der Baum der Sonne mit goldenen, der des Mondes
mit silbernen Blättern. Selbst in das düstere bsöllenthor,
wo der Teufel in Gestalt eines greulichen Ungeheuers schwebt,
ist der Reisende gegangen. Aber man hat mit Unrecht,
indem man auf diese Berichte hinwies, Montevilla für den
größten Schwindler unter allen Reifenden erklärt. Es sind
in seinem Buche zwei Theile scharf auseinander zu halten.
Mas er von den entlegeneren Gegenden sagt, ist einfach
dichterische Fiktion und schließt sich an die Alexandersage
an. Mas er dagegen selbst sah, wird genau und treu von
ihm beschrieben. Seine Nachrichten über den Zustand Pa-
lästina's werden durch den Bericht eines Augenzeugen be-
stätigt; er beschreibt ferner richtig und genau die Brutofen
in Aegypten, die Brieftauben, den Fundort, das Aussehen
und die Bearbeitung der mancherlei Diamanten; er schildert
ausführlich die Sitten und die Religion der indischen Völker-
schaften, er beschreibt die verschiedenen Arten des pfeffers,
er spricht davon, wie die Meiber in Indien nach dem
Tode ihrer Männer sich mit verbrennen, wie man süd-
wärts des Aequators einen anderen Polarstern sehe als
im Norden, weshalb die Erde rund sein müsse; er gibt
ausführliche Nachricht über das Krokodil, den Elephanten,
die Klapperschlange und die Papageien; er schildert mit
großer Anschaulichkeit die Pracht des Hofes von Tathay,
er kennt die langen Nägel und die kleinen Füße der Thi-

_

nesinnen. Seine Reisebeschreibung ist ein Merk des ernstesten
Fleißes, an dem Montevilla 30 Jahre lang thätig war.

Immerhin muß auch dieses Buch noch weit zurück-
stehen hinter dem letzten Reisewerke des ^5- Jahrhunderts,
welches die Mallfahrt schildert, die der Dechant und Kämmerer
des Mainzer Erzstiftes, Bernhard von Breidenbach, in den
Jahren f-s83—8-f von Mainz über Venedig nach Jerusalem
zum heiligen Grab und von da nach dein Berge Sinai
zu dem Grabe der heiligen Katharina machte. Dieses
Merk nimmt in der Reiseliteratur dieselbe Stelle ein, die
in der Geschichtsliteratur Schedel's Meltchronik behauptet,
und zeigt, welche gewaltige Bewegung die Buchdruckerkunst
innerhalb weniger Jahre in den Geistern hervorgerufen
hatte. Bernhard von Breidenbach, aus dem alt-
adeligen Geschlechts der Breidenbach-Büresheim, int Jahre
^50 Domherr von Mainz und später noch zu vielen
anderen hohen Mürden emporgestiegen, hatte in seinen
juitgen Jahren lustig gelebt; spätere brachten ihn zu dem
Eittschluß, durch eine Mallfahrt in das Land der Erlösung
sich mit Gott auszusöhnen. Am 25. April s^83 trat er
in Gesellschaft mehrerer Ritter seine Reise an. Nach
s5 Tagen erreichten die Pilger Venedig, wo sich ihneit
fremde, ebenfalls nach Palästina wallfahrende Ritter und
Geistliche zugesellten. Von Venedig segelten sie über parenzo,
Torfu, Rhodos, Eypern, nach der Küste des heiligen Landes,
hielten am 6. Juli 6 Ahr Nachmittags zu Fuß ihren Eiitzug
in Jerusalem, besuchten die Kirche des heiligen Grabes,
das Thal Josaphat, den salomonischen Tempel, den Gel-
berg und seine Umgebung, reisten nach Bethlehem, Bethanien,
zunt Jordan und zum rothen Meere und ließen sich nicht
nur von den Aeberbleibseln der großen Vergangenheit
fesseln, sondern hattet: auch für die Völker, welche damals
das heilige Land bewohnten, und für die Thiere und
Pflanzen desselben ein offenes Auge. Nach seiner Rückkehr,
im Jahre s^86, gab Breidenbach die Beschreibung der
Reise gleichzeitig in deutscher und lateinischer Sprache her-
aus. Der Text enthält hier zum ersten Male wirklich
wissenschaftliche Nachrichten über Syrien, einen Theil voit
Arabien, den Berg Sinai und seine Klöster, das Leben
und die Bedrängnisse der dortigen Thristen, die wunderbaren

Zeitschrift des Aunstgewerbe-Vereins München.

*885. Yeft \\8c\2 (Bg. *.)
 
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