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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1885

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Freiherr von Bingen, Detlav: Anleitung zur praktischen Darstellung und Ausführung heraldischer Ornamente für das gesammte Kunstgewerbe, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7029#0022

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Anleitung

|un ^raküschen Darstellung und Ausführung heraldischer Ornamente

für das gefammte ^unstgewerbe

von Detlev Freiherr v. Biedermann.

AS Thema, die Heraldik als Orna-
ment, in der Weise zu behandeln, wie
ich es beabsichtige, ist etwas Neues. Ueber
die Nothwendigkeit, dasselbe zu besprechen,
und so eine neue Disziplin für das Lehr-
gebäude des Kunstgewerbes, im weitesten Sinne genommen,
ins Leben zu rufen, habe ich schon öfters zu zeigen und zu
schreiben Gelegenheit genommen, zuletzt in Nr. st des „Deutschen
Kunstblattes" (Jahrgang s88f) von Th. Seemann. Selbst-
verständlich kann in so engem Raum, den eine Zeitschrift
zu gewähren im Stande ist, der Gegenstand nicht erschöpft
und nur das hauptsächlichste gegeben werden. Tr kann
nur als Fühler gelten, wie er von den betreffenden Kreisen
ausgenommen wird. Zch muß diese Bemerkung voraus-
schicken , als Entschuldigung für etwaige Lücken, welche
Fachmänner in der Bearbeitung des Stoffes zu finden
meinen. Tine weitere Entschuldigung für Mangelhaftigkeit
liegt auch noch darin, daß bei einer erstmaligen Bearbeit-
ung eines neuen Stoffes immer eine gewisse Borsicht bei
Aufnahme dieses oder jenes Punktes geboten und endlich,
daß auch ein Neberfehen von Einzelnen: leicht möglich ist.

Zch beabsichtige nicht, in Folgenden: Heraldiker zu
bilden, Sphragistik und Genealogie zu lehren. Wir besitzen
für diese Fächer bereits eine so umfangreiche Literatur, daß
es vor der Hand keiner weiteren hülfsmittel bedarf. Mein
Zweck ist, eine neue Disziplin einzuführen und zwar nicht
für den Heraldiker, sondern nur für den ausübenden
Künstler, die man, analog wie bei anderen Wissenschaften,
angewandte Heraldik nennen könnte, welche lehren soll,
worauf bei Anfertigung heraldischer Ornamente zu sehen
ist, um sie richtig und stilgerecht herzustellen, und wie sie in
den verschiedenen Stoffen auszuführen sind.

Die neueste Geschmacksrichtung bringt cs mit sich, daß
in der Architektur, dem Textilfach und im engeren Kunst-
gewerbe vielfach Wappen und andere heraldische Orna-
mente oder Attribute angebracht werden.*) Nun gehe ich
aber von der Ansicht aus, die gewiß Niemand als falsch
bezeichnen wird, daß der Künstler, wenn er ein Ornament,
was es auch in:mcr fei, anbringt, das Wesen desselben
kennen muß, un: nicht Falsches darzustellen. Welche Sorg-

*) Wie weit diese Geschmacksrichtung um sich greift, davon gibt
der Vortrag Zeugniß, den !f. Speckter über „Heraldik als Schutz-
marke" im Hamburger Aunstgewerbeverein gehalten hat.

\___._

falt widmet man auf den höheren Lehranstalten der Orna-
mentik , aber der heraldischen, welche einmal verwendet,
dieselbe Berechtigung hat, wie jede andere, gedenket Niemand
und wird — hautain übergangen. Die Gründe will ich hier
nicht erörtern, denn sie liegen ziemlich offen da; es wird aber
damit eine wissenschaftliche Lücke erzeugt, da die heraldische
Ornamentik ebenso gut ihre geschichtliche Entwickelung
und ihre scharf ausgesprochenen Stile hat, wie jedes andere
Ornament. Die einzige Entschuldigung ist eben die, daß
bis jetzt jede Anregung und jeder Hinweis auf diesen
Mangel gefehlt hat. Ich habe bei verschiedenen Gelegen-
heiten nachgewiesen, welche arge Verstöße in dieser Be-
ziehung gemacht werden, die den Sachverständigen, und
deren gibt es viele, ebenso unangenehm berühren, wie den
Architekten ein Vermischen verschiedener Stile, und welche
Fehler nicht vortheilhaft auf die Beurtheilung des Künstlers
zurückwirken. Man gewinnt die Keberzeugung, wenn man
derartige Verstöße sieht, daß der Künstler leichtfertig arbeitete
und drauf los schuf, auch da, wo er seiner Sache nicht sicher
war und daß er es nicht der Mühe werth hielt, zu fragen
und sich zu unterrichten. Eins nur will ich als Beispiel an-
führen, weil es am leichtesten zu kontroliren ist. Wie oft
sieht man auf den Theatern in historischen Schauspielen
und Opern, die mit großem Aufwand inszenirt sind, bei
den vorkommenden Aufzügen von Rittern auf den Fahnen
und Schildern die wunderlichsten Phantasiegebilde als Wappen
gemalt, während es den Direktionen doch ein Leichtes
wäre, sich historisch-treue Vorbilder zu verschaffen. Es fehlt
eben gänzlich an einen: Verständniß und der Erkenntniß,
daß ein Nichtbeachten dieser, von Vielen vielleicht als
nebensächlich bezeichneten Ornamentik, eine Nachlässigkeit
ist. Es ist aber der Werth einer richtigen Darstellung heral-
discher Embleme nicht zu unterschätzen, weil Wappen, und
was mit ihnen zusammenhängt, wo sie auch angebracht
sein mögen, etwas Bestimmtes, Festbestehendes, Historisch-
Berechtigtes darstellen sollen, und als symbolische Vertreter
von Namen oder Personen dastehen, also eine willkürliche
Aenderung durch unkundige Hände nicht zulassen.

Ich muß, um auch denen verständlich zu werden,
welche noch gar keine Begriffe von Heraldik haben, eine
gedrängte Erklärung der ersten Grundregeln vorausschicken,
werde mich aber dabei der knappesten Form bedienen, um
nicht zu tief in's heraldische zu gerathen. Die nothwendigsten

Zeitschrift des Aunstgewerbe-vereins München.

1(885. Heft z & 4 (Bg. \).
 
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