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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1885

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Sepp, ...: Der Einfluß der Kunst auf die Religionsvorstellungen und die zehn Gebote Mosis: Vortrag, gehalten im Bayer. Kunstgewerbeverein zu München
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Vereins-Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.7029#0053

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Jahre später der Sänger der Ilias II, \\2. XVIII, 239 f-
dem König Agamemnon und der göttlichen f^ere in
den Mund legt. Mährend dies uns besser Unterrichteten
zu rathen gibt, wie spät das Buch Milchamoth Jehova
oder von den „Kriegen des perrn" in Kanaan abgefaßt
wurde (Jos. X, \2, II Sam. I, s8), erachten wir es be-
reits für unmöglich, daß man dies für einen wirklichen
Vorgang angesehen, als ob je einem Sterblichen der Ein-
griff in das himmlische Uhrwerk zugestanden? Wenn
Simson die beiden Säulen umreißt und mit 3000 Philistern
den Untergang findet, so fragen wir nicht lange nach der
Möglichkeit, die auseinanderstehenden Träger eines gewal-
tigen Baues mit menschlichen Armen zu umfassen und mit
einem Ruck umzustürzen; sondern es gibt uns weiter zu
denken, daß hier die orientalische Mythe von den
Meltsäulen historisch gefaßt ist, welche das Firmament
tragen, bis der Sonnenheld sie am Ende der Zeiten um-
stürzt, worauf alle Philister begraben werden. Ebenso
wäre es nöthig, daß der Maler ein Spruchband, einen
Denkzettel beifügte, wenn er die pimmelfahrt des Elias

darstellt, daß hier der kananäische Donnergott gemeint
ist, der im feurigen Magen durch die Molken fährt, und
aus dessen pintergrund erst der Prophet gleichen Namens
gemalterscheint. Spricht doch Ehristus selbst Ioh. III, (3:
„Niemand ist noch in den Pimmel hinaufgestiegen." Menn
Jonas, der orientalische Vannes, im Bilde von Raphael
und Michel Angelo, aus dem Rachen des Fisches steigt,
so erklärten die Rabbiner oder alttestamentlichen Theologen
mit vollster Berechtigung, der Prophet stelle Israel vor, der
Fisch aber sei das Symbol des Reiches Assyrien, welches
Israel in der Gefangenschaft verschlungen, aber doch wieder
herausgeben mußte.

Allerdings kann man bei solchen Bildern den Künstlern
so lange nicht die Verbreitung falscher Vorstellungen zur
Last legen, als die Theologen selber die richtige Erklärung
unterlassen. Eines aber bleibt ausgemacht: Die Kunst
hat ihren mächtigen Einfluß auf die Religion
bewährt, indem sie die zehn Gebote zu ändern
nöthigte, und die göttlichen Bestimmungen zu
Gesetzen Mosis herabsetzte.

'Vereins-Ohronik.

X Der Vortrag des Herrn Or. Hans Riggauer am 3. Febr.
über „italienische Medailleure" wies zunächst auf die günstige Stellung
des Forschers auf diesem Gebiete gegenüber der wissenschaftlichen
Sicherstellung deutscher Arbeiten hin, da jenseits der Alpen die Künstler
schon frühzeitig ihre werke durch Namen oder Monogramme be-
zeichnen und eine gleichzeitige Literatur sichere Anhaltspunkte gewährt,
wie beispielsweise die unschätzbare Künstlerchronik Vasaris-G öthe
in Verbindung mit den weimarischen Kunstfreunden hat dieses Thema
eines eifrigen und begeisterten Studiums gewürdigt und neuerdings
ist das reiche Material durch hervorragende werke wie Ar mand's,
Friedländer's und besonders Alois Heiß' in mustergiltiger weise
gesammelt, gesichtet und durch höchst vortreffliche Nachbildungen illustrirt
zur Veröffentlichung gelangt. Die ältesten Münzen wurden geschnitten,
später wandte man den Guß an, wozu das Modell in wachs herge-
stellt wurde, wodurch sich die rasche Vervollkommnung der italischen
Münzkunst erklärt, deren älteste werke schon einen hohen Grad von
Meisterschaft aufweisen, wie die Münze auf Franz Larrara von Padua.
Z3S8 tritt der Veronese vittore Pisano mit der schönen Medaille
des Alphons von Neapel auf, die schon ganz im Geiste der Antike
geschaffen ist. In hochberühmten Arbeiten verewigte Matteo di pasti
den berüchtigten Malatesta von Rimini. Unter den Venezianern ragen
der vielseitige Baldu und um J455 Lamelio mit den ausgezeich-
neten Bildnissen der beiden Bellini, des großen Papstes Julius II. und
des Dogen Andreas Gritti hervor, Hieran reiht sich der Veronese pome-
dolla und der Freund Lionardo's Julius belle Forre mit der
Medaille seiner eigenen Tochter und deren vier Kindern. Als Florentiner ist
zu nennen der berühmte Architekt Albe rti, sodann der Schüler Tona-
tello's Bertoldo mit den Portraits des Filixxino Lixpi und der Lucretia
Borgia, und endlich Laradosio, der die Medaille auf Bramante schuf.
In Rom wurde durch Zeichnungen Michael Angelo's, Rafael's und
Giulio Romano's die Medaillenkunst zur endgiltigen klassischen Vollend-
ung namentlich bezüglich der Komposition des Reverses gebracht, wie die
Arbeiten Lellini's beweisen, dessen Münzen auf Llemens VII., Paul III.,
Bembo, Franz I. das Staunen der Zeitgenossen hervorriefen, wie sie

der Bewunderung der Nachwelt sicher sind. Den mit Beifall aufge-
nommenen Vortrag erläuterten die obenerwähnten Sammelwerke wie
meisterhaft ausgeführte galvanische Nachbildungen von Gtto A uf-
l e ger. — Das von der Versammlung herzlichst bewillkommte Ehren-
initglied, Herr Architekt Schwarzmann, der zu der so. Geburts-
tagsfeier seines Vaters, des durch seine für Ludwig 1. ausgeführten
Arbeiten berühmt gewordenen Dekorationsmalers, aus Philadelphia
nach München gekommen, inachte dem Verein eine reiche Kollektion
von Photographien künstlerisch ausgestatteter amerikanischer wohn-
räume zum Geschenk, welche äußerst werthvolle und interessante
Sammlung über das auch in der ueuen Welt gefühlte Bedürfniß nach
würdigem Schmucke des Hauses den Nachweis lieferte.

lieber die diesjährige Generalversammlung vom ;o. Febr.
haben wir in letzter Nummer schon ausführlichen Bericht erstattet.
Der Vereinsabend vom z?. Febr. fiel diesmal wegen der Fastnachts-
feier aus.

Der erste am 24. Febr. abgehaltene Fachabend der Schlosser-,
Schmiede- und Spängler-Gilde lieferte den erfreulichen Beweis
von der lebenskräftigen Entwickelung dieses innerhalb des bayerischen
Kunstgewerbevereins immermehr erstarkenden Institutes, das der rich-
tigen Lösung der großen sozialen Frage, dem Handwerk in der That
wieder goldenen Boden zu gewinnen, sehr nahe zu kommen alle Aus-
sicht für sich hat. Nur das Wort „Gilden" erinnert an die Zwangs-
gebräuche der sogenannten „guten alten Zeit", deren „Zünfte" jetzt
wieder als einziges heilbringendes Rettungsmittel aus der Rumpel-
kammer hervorgeholt und einer völlig anders gewordenen Welt gewalt-
sam aufgezwungen werden sollen; die Absicht obengenannter Körper-
schaften aber ist eine diesen modernsten Anstrengungen völlig entgegen-
gesetzte. wie Direktor Lange betonte, sind die innerhalb der Ver-
sammlung erstandenen vier Gilden der Schlosser, Juweliere, Schreiner
und Dekorationsmaler die nothwendigen Konsequenzen des Vereines
selbst, mit dem gleichen Zwecke: das Zusammenstehen Gleichstrebender
bei freiester Selbstbestimmung des Einzelnen: „Das Kunsthandwerk ist
nur in der Luft der Freiheit einer gedeihlichen Entwickelung fähig,

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