Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1885

DOI Artikel:
Vereinschronik
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7029#0035

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
+■ 30 ~i-

s-SE "Veneins

Am Abend des so. Dezember sprach perr Dr. Albert „über die
neuesten Fortschritte der Photographie", welche trotz aller Vervoll-
kommnungen niemals über die mechanische Wiedergabe eines Momentes
hinanskomme, also den Werth einer künstlerischen Leistung niemals
beanspruchen könne, wie das selbst die beste Portrait- oder Landschafts-
aufnahme ergebe. In der Wiedergabe aber der Meisterwerke alter
und neuer Kunst leiste sie die größten und nie genug zu würdigenden
Dienste, da siebeispielsweise durch den Braun'schen Kohlen- und den
Platindruck nicht nur den künstlerischen Ansprüchen, sondern auch den
Bedürfnissen kolossaler Nachfrage zu genügen vermöge, während das
bekannte Eiweißverfahren, welchem außer dem die Betrachtung hin-
dernden Restexglanze noch der Nachtheil baldiger Vergänglichkeit an-
haftet, innerhalb eines Tages von einer Platte nur zwei Folioabzüge
hervorbringt, gibt der Albert'sche Lichtdruck in gleicher Zeit 400
Exemplare und zwar bei gänzlicher Beseitigung der eben erwähnten
Unvollkommenheiten. Ein weiterer wichtiger Fortschritt ist die vom
Redner gelöste Aufgabe, die ungleiche Empfindlichkeit des photo-
graphischen Präparates für Farben, wodurch bis jetzt ein vom Dri-
ginal oft gänzlich verschiedener Effekt erzielt wurde, möglichst zu heben.
Aber auch hier wird die mechanische Reproduktion das pinderniß,
verschiedenartige Töne von gleicher pelligkeit von einander zu unter-
scheiden, nicht zu beseitigen im Stande sein. Zum Schlüsse machte
der Redner auf ein weiteres, von ihm erfundenes Verfahren aufmerk-
sam, nämlich die Radirung dem photographischen Drucke zugänglich zu
machen. Die zur Erläuterung dieser Ausführungen veranstaltete Aus-
stellung photographischer Erzeugnisse bot ein ebenso anschauliches, als
großartiges Bild und erntete wie der eingehende und belehrende geist-
volle Vortrag den reichsten und wohlverdienten Beifall. Die von
Direktor E. Lange erläuterte Wochenausstellung wies an ausge-
zeichneten Werken auf: einen sauber gearbeiteten Silberschrank von
F. Wirth's Söhne in Stuttgart, einen stilvollen gothischen Schrank
mit Prachtbeschlägen von Rudolf Lotze, zwei äußerst geschmackvolle
Boule-Möbel von Grünig und Sohn, Porzellanmalereien aus der
D eininger'fchen Malschule, zwei originelle Bauernbüsten von
Spieler und ein vorzüglich durchgeführtes kalligraphisches Titelblatt
von pans Fleschütz.

Dienstag den zs. Dezember sprach in der Wochenversammlung
perr Or. Karl Stieler über das Verkehrswesen im bayerischen poch-
lande in alter und neuer Zeit, dessen verschiedene Epochen er nicht
nur in historischer Entwickelung bis auf die Gegenwart herab vor-
führte, sondern auch in allen seinen Beziehungen zum Kulturleben in
künstlerischer Darstellung abrundete und in lebendigen Bildern an-
schaulich zu machen verstand. Das zahlreiche Auditorium spendete dem
mit Ernst, liebenswürdigem Witze und volksthümlichem pumor reich
ausgestatteten, anziehenden Vortrag herzlichen Beifall. Die dadurch
angeregte poetische Stimmung wurde durch die von einem Mitgliede
musterhaft vorgeführten Improvisationen aus Beethoven'fchen, weber-
schen rc. Klavierwerken durch den weiteren Verlaus des Abends fest-
gehalten. Die Wochenausstellung war wiederum durch einige vorzüg-
liche Werke eine ebenso glänzende wie belehrende und sind aus ihr
namentlich hervorzuheben: prächtig stilistische Drucksachen und Ein-
bände aus Or. Max Puttler's literarischem Institute, diesen an
Geschmack ebenbürtige Buchbinderarbeiten von Attenkoser,
Schreibmayer und Distl, eine reizende Kassette von Poppen-
tHaler, eine Kollektion Gläser in höchst gelungener Imitation nach
antiken Vorbildern von Schöneberg in Berlin, Klöxxelarbeiten aus
der Schule in Schneeberg und endlich Stickereien von Fräulein
S e n d l b e ck.

Sowohl wegen des von den Münchner Künstlern in der alten
Akademie veranstalteten Christmarktes als wegen des . nahen Weih-
nachtsfestes fiel der auf den 23. Dezember treffende Vereinsabend aus.

In der ersten Wochenversammlung des Jahres *885, da am 6. Jan.
wegen des hl. Dreikönigtages die Vereinsversammlung unterblieb, am
tZ. Jan., welcher perr Rath Gtto Schmalix xräsidirte, sprach Professor
Or. Sepp „über den Einfluß der bildenden Künste auf die Roligions-
Vorstellungen der Völker", wobei er die Stellung des Ehristenthums
zum Semitenthum und Pellenismus charakterisirte. Wir werden den

Ohromk.

Vortrag in einem der nächsten pefte ausführlich bringen. Nachdem der
Vorsitzende dem Redner für seine fesselnden Ausführungen den gebühren-
den Dank ausgesprochen, wies derselbe anerkennend auf die mit ausge-
zeichneten Arbeiten beschickte Wochenausstellung hin, aus welcher
hiermit namentlich Wohnzimmermöbel aus schwarzem polze von
Jos. Steinmetz jua. und ein jüon Professor Fr. Widnmann
entworfene Adresse mit Metallrahmen von F. parrach & Sohn
hervorgehoben seien.

In der Wochenversammlung vom 27. Januar sprach perr Maler
und Schriftsteller Porst über „das Kunstgewerbe im vorigen Jahr-
hundert" und erläuterte zunächst die fast unbegreistich scheinende That-
sache, wie ein solcher, durch die größten deutschen Künstler geförderter
und gehobener Kulturfaktor der unbedingten Nachahmung des Aus-
landes verfallen konnte; dies lasse sich nur ans den sozial-politischen
Zuständen des \7. und ;s. Jahrhunderts genügend erklären, in
welchem die Mode von Versailles das ganze übrige Europa tyranni-
sirte. Demungeachtet wurden innerhalb dieses Geschmackes, der allerdings
des Ernstes und der Würde entbehrt, Gebilde geschaffen, welche im
hohen Grade, wenn nicht gerade absolute Schönheit, so doch bezaubern-
den Reiz entfalten und das Auge auf's Angenehmste fzu fesseln ver-
mögen. Alle Spiele schöpferischer Inspiration vereinen sich zu einem
Gesammteindruck märchenhafter Pracht, die leider nichts weiter beab-
sichtigt, als die grenzenlose Langeweile, unter deren Druck Ludwig XV.
und sein Pof zeitlebens seufzte, zu verscheuchen. Eine Wanderung
durch die Räume des fürstlichen Schlosses jener Zeit gab Gelegenheit,
in Architektur, Dekorations-Malerei, Meublement und Porzellan, Tracht
und Schmuck die unerschöpflich scheinende Erfindungsgabe und die all-
seitig geschulte Technik der Meister der Kunst und des pandwerkes
jener Epoche anzustaunen. Aber ein Blick aus dem mit üppigster,
sinneberauschender Verschwendung ausgestatteten Budoir auf die Straße
zeigte, wer die ungeheueren Kosten dieses in tollster Ausschweifung sich
gefallenden Prunkes eigentlich zu tragen hatte. Die Sündfluth, welche
die Pompadour heraufbeschworen, hatte jene Zeit gründlich hinweg-
geschwemmt; Kunst und Gewerbe dienen fürder nicht mehr, den Launen
exklusiver Gesellschaftskreise zu huldigen, sondern die idealen Bedürf-
nisse der Nation zum Ausdruck zu bringen. Nach dem mit Dank und
Beifall aufgenommenen vortrage gab Direktor Lange einen Ueber-
blick über die Entstehung des nun in der alten Akademie sich etabliren-
den Exportmusterlagers und begründete, warum der verein sich dem
Unternehmen angeschlossen, worauf perr Iaenicke als Direktor des
neuen Institutes hervorhob, wie demselben sich zweifelsohne vollauf
Gelegenheit bieten werde, die hier ihm entgegengebrachte Sympathie
zu verdienen und zu erwidern. Schließlich wies in Kurzem noch perr
Kommerzienrath paenle auf die Amsterdamer Weltausstellung hin,
deren von 600 deutschen Industriellen trotz aller Ablehnung der Unter-
stützung und Vertretung von Reichswegen auf eigene Gefahr unter-
nommene Beschickung von den Vereinsmitgliedern zu Ehre und Nutzen
des deutschen Kunstgewerbes nach Kräften zu fördern sei. Zur Aus-
stellung gelangte ein prachtvoller, mit vergoldeten alten Metallreliefs
ausgelegter Prunkschrank für peyl in Worms von Fr. Radspieler
Lc Eomp., ein reizendes Waschkästchen von Pössenbacher, ein
originell dekorirter Schlitten von SeitzL Seidl, ein Lehnstuhl mit
einfachedler Lederpressung nach Zeichnung von Professor Rud. Seitz,
eine Anzahl edel geformter Gläser aus der Therefienthaler
Glashütte und eine Lhronika in strengstilisirter Ledereinbanddecke
von Attenkofer.

In der Wochenversammlung vom 2\. Januar füllte Architekt
I. von Schmaedel die durch Verlegung der xrojektirten Gilde-
Abende entstandene Lücke durch einen improvisirten Vortrag über
„Licht und Schall" aus und erledigte die gestellte Aufgabe in fach-
erläuternder und interessanter Weise in der Pauptsache dahin, daß
ohne Licht es kein Bild und keine anschauliche Vorstellung, ohne Ton
keine Sprache und Vernunft gäbe. Die Klage der Naturforscher über
die Unzulänglichkeit unserer Sinnesorgane für diese physikalischen Er-
scheinungen sei mindestens übertrieben, da es gewiß nicht wünfchens-
werth wäre, wenn das menschliche Auge die Fähigkeiten des Mikro-
fkoxes und des Telefkopes zugleich besäße oder unser Ghr die

/
 
Annotationen