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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1885

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Unsere kunstgewerbliche Musterblätter
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Unser neuer kunstgewerblicher Aufschwung gründet sich unzweifel-
haft auf das Verlassen dieser bisherigen Zurückhaltung der Künstler-
welt, und es kann an die immer reger werdende Betheiligung derselben
an diesen Bestrebungen wohl die posfnung einer allmäligen derartigen
Entfaltung der kunstgewerblichen Produktion geknüpft werden, daß
dieselbe einst ebenfalls die Pochschätzung, vielleicht sogar die Bewun-
derung der späteren Generationen, wenn auch nicht in Bezug auf
Originalität, so doch Technik, Formenverständniß und selbständige
verwerthung und Durchbildung früherer, aber in ihrem werthe un-
vergänglicher künstlerischer Gedanken hervorzurufen vermag.

Für die Erreichung dieses Zieles ist insbesondere die Verbreitung
solcher Anleitungen und Entwürfe in hohem Grade ersprießlich, welche
auch dem deutschen Mittelstände die Ausstattung des peims in einer
das Auge erfreuenden, den Anforderungen einfacher Formenschönheit,
und eines geläuterten Geschmackes Rechnung tragender weise gestatten
und welche auch dem Kunsthandwerker mittlerer Ausbildung die Per-
stellung stilgerechter Erzeugnisse ermöglicht.

Diese Aufgabe stellt sich unverkennbar der von

PH. Niederhofer, Architekten und Lehrer an der
Kunstgewerbeschule in Frankfurt«. M., früherem Schüler
und Assistenten an der Münchener Kunstgewerbeschule,
herausgegebene, durch alle Buchhandlungen zu be-
ziehende und in Serien zu je 20—25 Tafeln mit Detail-
bogen zum Preise von nur \2 JTtf. di e Serie erscheinende
„Frankfurter Möbel-Bazar", und zeigt die Behandlung des
Werkes, von welchem bereits die V. Serie vorliegt, einen verdienstvollen
Beitrag zur glücklichen Lösung der Aufgabe.

Außer sehr gelungenen Vriginalentwürfen liefert das Unter-
nehmen auch mehrfach Aufnahmen älterer, weniger zugänglicher
Musterstückc der Renaissanceperiode, und es gibt dasselbe insbesondere
in den Detailbogen, in den Erklärungen zu den einzelnen Tafeln, in
den Erläuterungen über Bearbeitung, über Kostenberechnung und
Materialverwendung, Zeugniß von den technischen Kenntnissen und
der praktischen Befähigung des Perausgebers.

Die zahlreichen rühmenden Anerkennungen, welche der Erschein-
ung seit den 5 Jahren des Bestehens durch staatliche Organe und
Staatsinstitute, Kunstverständige und Fachzeitschriften bereits zu Theil
geworden, sind wohlverdient.

m

Unsere kunstgevrerbl. MusterblWen.

Tafel 20: Trin khorn. Geschenk Seiner Königlichen
poheit des Prinzen Luitpold von Bayern, gegeben
Ihrer Königlichen poheit Prinzeß Therese (Arnulph) in
Bayern bei Geburt Ihres ersten Söhnchens des Prinzen
peinrich. Entworfen und ausgeführt von Professor Fritz
von Miller in München. Der besondere Anlaß, dem das Geschenk
dienen sollte, war selbstverständlich mitbestimmend für die Ausführung.
Der der Fassung und dem ausschließlich ornamentalen Schmuck zu
Grunde liegende Gedanke ist ungefähr folgender: Den obersten Schmuck,
dem alles Uebrige sich unterordnet, bildet als Bekrönung das Wappen
des bayerischen Königshauses. Unter demselben ist das Fürst Lichten-
stein'sche Familienwappen (Familienwapxen der Mutter des Prinzen
peinrich) und über dem mittleren Ringe mit dem Spruche „Bayern
und Pfalz — Gott erhalt's" das älteste Wappen des Wittelsbacher
pauses: der weiße einköxsige Adler auf blauem Felde. — Lin Lor-
beer- und ein Eichbaum, die Symbole der Ehre und der Stärke, sind
gewiffermaffen die Träger und Stützen dieser Familienzeichen. Sie
breiten ihre wurzeln aus innerhalb der Mauern und festen Thürme
mit den Wappen der acht bayerischen Kreise, die als eine Schutz und
wehr das Ganze umschließen. Das zum Stützpunkt dienende Thor
mit dem Münch'ner Kindl ist dem alten Münchener Stadtwaxpen
entnommen. Die ganze Fassung ist Silber und vergoldet und mit
einziger Ausnahme der gegossenen Bäume und der pelmzier freie
pandarbeit -— getrieben und in Silber geschmiedet, die Mappen ic.
in transparenter Lmaile ausgeführt. Der Pelm mit 'pelmzier ruht
auf einem Korallenstamm, das porn ist ein Steinbockhorn vom
pimmalaya, der Stein, auf dem die Bäume ihre wurzeln ausbreiten,

ein Stück Malachit (Lhrysokol von Laurion). Die Basis für Mauern
und Thürme eine xolirte Nußbaumwurzel. Die ganze pöhe ist ohne
Sockel 85 cm. Das herrliche Werk, dessen malerischer Reiz in der Repro-
duktion leider nicht zur vollen Wirkung gelangen kann, liefert neuer-
dings den erfreulichen Beweis von der hohen künstlerischen Vollendung,
zu welcher sich unser heimisches Kunstgewerbe emxorgerungen hat.

Tafel 2^: Einband des Sachs enfxieg els in der Stadt-
bibliothek zu Lüneburg (pandschrift ^5. Iahrh. Aufg.) Ausgenommen
und gezeichnet von p. König. Der Einband aus Leder ist mit
silbernen Beschlägen geziert, der Schlußband ist von gelber Seide. Die

Vorderansicht des nebenstehend beschriebenen Trinkhornes
von Professor Fritz von Miller.
 
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