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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1885

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Freiherr von Bingen, Detlav: Anleitung zur praktischen Darstellung und Ausführung heraldischer Ornamente für das gesammte Kunstgewerbe, [3]
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Svoboda, Adalbert: Das Antike Handwerk und das Kunstgewerbe der Gegenwart
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https://doi.org/10.11588/diglit.7029#0065

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müssen auch folgerichtig die Ausbuchtungen beide nach
innen zu liegen kommen.

Bei Bannern gilt die Stange als diejenige Seite, nach
welcher hin das Wappen sich zu wenden hat; ein Um-
stand, der bei Aufzügen und Theatervorstellungen oder auf
Bildern in Frage kommt; hat also der Beschauer die
Stange links, so muß auch das Wappen sich links wenden.
(Vielleicht entstand dieser Gebrauch dadurch, daß man bei den
auf das Fahnentuch gemalten Wappen, dieses auf der Rückseite
verkehrt sah.) — Wird auch in der Neuzeit diese Regel
vielfach vernachlässigt, so muß man ihr doch streng folgen,
wenn man in gothischem oder Renaissancestil arbeitet.

Auf ein auch außer Gebrauch gekomnienes besonderes
Vorkommen muß ich Hinweisen, weil dessen Wiedererwachen
wohl möglich ist.

Es sind dies die Trauerschilder, welche in Kirchen
aufgehängt oder gemalt wurden, und die darin bestanden,
daß der Schild einen schwarzen Rand erhielt. Die Wappen
über den Thoren von Schlössern und Burgen findet man in
gothischen und srührenaissancen Zeiten meist ohne irgend
welchen Rahmen einfach in der Mauer eingesetzt oder
rechts und links in die Rundbögen der Thors eingelassen.
Später fing man an, dieselben mit Rahmen zu umgeben,
dessen weitere Ausführung sich dem Geschmack der Um-
gebung anschloß.

Vb bei gemalten Wappen Rahmen anzubringen seien,
hängt von der Dekoration des Ganzen ab; werden sie als
aufgehängte Schilder behandelt, so bildet der Schild den
Rahmen, schweben sie aber in irgend einem Grundinuster,
in Teppichen, Gobelins, oder in Stuck an Decken, oder auf
Tapeten, so müssen die Arabesken des Musters den Rahmen

abgeben, mag dieses nun in einem Drei- oder Vierpaß zu-
sammenlaufen, aus Rollwerk, Blattdekoration oder sonst
einer architektonischen Figur bestehen. Zn einem Schlosse im
nördlichen Frankreich, das alle die unruhigen Zeiten glück-
lich überstanden hat*) und noch seine alte Einrichtung be-
sitzt, die es im \<{. und J5. Jahrhundert erhalten hat, be-
findet sich ein Speisesaal, dessen Wände mit Wappen bedeckt
sind. Hier ist die Wand durch rothe Leisten in vierseitige
Felder getheilt, innerhalb welchen auf schwarzem Grund
die Wappen sreischwebend gemalt sind. — Zn demselben
Schlosse sind ferner Wappendekorallonen auf den Thamotte-
fließen erhaben gepreßt, womit der Feuerplatz in dem
großen Kamine gepfiastert ist. Die Seitenwände solcher
Kamine sind hingegen mit emaillirten oder holländischen
Fließen bekleidet, auf dem das Familienwappen gemalt ist,
und zwar abwechselnd gelb oder blau in Weiß. Derartige
Kaminfließe sollen auch auf einigen anderen Schlössern Vor-
kommen , welche das Glück hatten, von der Revolution
unberührt zu bleiben. Es ist dies eine Dekoration, die
wohl ihre Nachahmung finden kann.

Zch schließe hiemit meinen Versuch und hoffe wenig-
stens das Hauptsächlichste der Theorie gegeben und von der
praktischen Anwendung wenigstens soviel gezeigt zu haben,
daß man die Verbindung beider anerkennen muß. Einen
weiteren Ausbau der Anwendung muß ich den Praktikern
und Künstlern von Fach überlassen; ich konnte nur die
Richtung anzeigen, in der man vorgehen soll.

*) (Es ist dies das dem Marquis Rochelambert gehörige Schloß
gleichen Namens in der Auvergne.

As rmtitk fitniuml ünö im fünjlpnÄ Der KMmrt.

von Dr. Adalbert Svoboda.

I.

leider von der Kunstgeschichte hochmüthig ignorirt werden,
obwohl die innigen Beziehungen zwischen Kunst und Kunst-
handwerk aus der Hand liegen und häufig kaum die Grenz-
linie zwischen beiden zu unterscheiden ist.

Die Mannigfaltigkeit der Motive, welche das antike
Kunsthandwerk behandelt hat, sollte das Kunstgewerbe
der Gegenwart dazu anregen, auch seinen Stoffkreis aus-
zudehnen und dadurch die Zahl seiner Gönner und Förderer
zu erweitern. Die Macht der Mode, der Reiz der Neuheit
beherrscht auch das Kunstgewerbe und auch dieses muß
immer wieder Neues schaffen, um sich einen reicheren Absatz
zu sichern.

während man klagt, daß die Ueberfüllung der Kunst-
Akademien mit Schülern ein Kunstproletariat zur Folge
haben müsse, wurde nicht mit dem entsprechenden Nachdruck

\_/

ZE Gräberfunde der letzten dreißig Zahre
belehren uns darüber, daß in vorchristlicher
Zeit das Bedürfniß, schön zu wohnen und
sich mit kunstvornehm gebildeten «Objekten
des Luxus und des Nutzgebrauches zu um-
geben, bei Kulturnationen tiefer und allgemeiner empfunden
wurde, als im sst. Zahrhunderte bei Völkern, die sich für
zivilisirt halten.

Das Kunstgewerbe der Gegenwart lehnt sich in der
Hauptsache an Vorbilder der Renaissancekunst an, welche
bekanntlich die Formensprache der antiken Kunst wieder
zur Geltung gebracht hat. Wie weit gespannt nun der
Kreis der Stoffe des antiken Kunsthandwerks und besonders
der griechischen Kleinkunst gewesen ist, erkennt man, wenn
man sich in das Studium der Gräberfunde vertieft, welche
 
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