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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1885

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Freiherr von Bingen, Detlav: Anleitung zur praktischen Darstellung und Ausführung heraldischer Ornamente für das gesammte Kunstgewerbe, [2]
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Sepp, ...: Der Einfluß der Kunst auf die Religionsvorstellungen und die zehn Gebote Mosis: Vortrag, gehalten im Bayer. Kunstgewerbeverein zu München
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https://doi.org/10.11588/diglit.7029#0048

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■h. ^5 ^

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Lig. 53. Fig. 5*.

er etwas zu halten hat, so geschieht dies allemal mit der
erhobenen Hinteren Pranke.

Zu welchen falschen und auf der pand liegenden Un-
richtigkeiten die künstlerische Freiheit führen kann, beweisen

zwei Beispiele, die sich in Dresden vorfinden. Das eine
(welches übrigens noch einmal daselbst vorkommt) ist das
städtische Wappen an der s7stO erbauten Annenkirche, Fig. 53.
Pier hat der Bildhauer den Raum zu kurz bemessen ge-
habt, dem Löwen aber doch ein gefälliges Aussehen geben
wollen. Um sich zu Helsen, läßt er nun denselben mit den
Pranken über das Feld in den Schildrand hineinragen;
es ist dies ein sehr grober Fehler, den nur Jemand be-
gehen kann, der sich nie Rechenschaft darüber gegeben hat,
was ein Wappen ist. Der entgegengesetzte Fehler findet
sich am Wappen an der Germania (auf dem Altmarkt),
hier hat der Modelleur, um den Schild recht schwungvoll
zu machen, die Einbuchtung am linken Rand so tief ge-
macht, daß sie den einen Pfahl mit ausschneidet; auch dies
darf nicht Vorkommen, höchstens am Fuß.

(Schluß folgt.)

M MM der Aimjl Ms die UeÜgionsvorMilgen

und die zehn Mole Boss.

Vortrag, gehalten im Bayer. Uunstgewerbeverein zu München von Professor Or. 5epp.

^enn Lessing im Nathan dem Weisen
die Frage erhebt: „Ist denn nicht das ganze
Lhristenthum auf das Iudenthum gebaut?"
so müssen wir Den: widersprechen. Zur
Gegentheil! es bildet den grellsten Rontrast dazu. Der
Mosaismus ist eine Stammesreligion und feindet
alle anderen Völker an, der Jude gab nicht eininal ein Be-
sitzrecht der Rananäer zu, sondern rottete sie mit unsäglicher
Grausamkeit aus: das LHristenthum ist Weltreligion.
Deshalb konnte der Jude Nathan am wenigsten als Re-
präseiltant der Toleranz ausgestellt werden, er spricht ja
wie ein Christ. Mit Fug beriefen sich Calvin und die
Puritaner für ihre Uilduldsamkeit auf das alte Testament;
sie handelten darnach. Wo der Name Lessing heute noch
vorkoinmt, ist er ein Iudenname; sie haben ihm auch mehr
als genug zu danken. Der Mosaismus stellt die Rinder
Israels als auserwähltes Volk hin; diesen Bann hat der
perr im Evangelium gebrochen: er stößt den blutigen
Opferaltar um und sein erstes Auftreten als Messias ist
durch die Pinaustreibung der Opferthiere uild ihrer pändler
aus dein Vorhof bezeichnet. „Rein Stein soll auf dem
anderen bleiben", spricht er beim letzten Abschied vom
Tempel, Mark. XIII. „Euer paus soll euch wüst gelegt
werden", ruft er mit solchem Nachdruck, daß man Jahr-
hunderte lang nach der Tempelzerstörung durch Titus an

der Stelle gar nicht mehr zu bauen sich getraute, bis endlich
Iustinian 530 die noch stehende wunderbare Felsenkuppel,
eine andere Sophienkirche errichtete. Der Erlöser vom Joche
des Iudenthums hat Israel geradezu verwünscht: „Das

Zorngericht soll über dies Volk ergehen: die einen werden
durch die Schärfe des Schwertes fallen, die anderen als
Sklaven unter alle Völker zerstreut, und Jerusalem von
den peiden zertreten werden." In der Christenheit gibt
es kein auserwähltes, bevorzugtes Volk mehr, sondern alle
Nationen sind einander gleichgestellt, nicht einmal die
Italiener genießen einen berechtigten Vorzug. „Die Axt
ist schon an die Wurzel gelegt", so beginnt das Evangelium,
und es schließt: „Der Baum, der keine guten Früchte
trägt, wird ausgehauen und ins Feuer geworfen." Dies
gilt auch vom Gcsetzesbauin.

Einen Pauptunterfchied zwischen beiden Religionen
bildet der Umstand: das altgläubige Iudenthum
lehnt alle Run st ab, das Christenthum ist aufs innigste
mit derselben verwachsen. „Schämen müssen sich Alle, die
den Bildern dienen und sich der Götzen rühmen", ruft der
psalinist 97, 7. Uns dagegen führt die Runst in eine
ideale Welt ein, sie weiß uns das Dasein zu verschönern, uns
über die Alltäglichkeit zu erheben. Dasselbe thut die Re-
ligion in noch höherem Grade: sie stellt uns erhabene
Vorbilder zur Nachahmung auf, ja sie hebt uns über dieses


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