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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1885

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Sepp, ...: Der Einfluß der Kunst auf die Religionsvorstellungen und die zehn Gebote Mosis: Vortrag, gehalten im Bayer. Kunstgewerbeverein zu München
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Unsere kunstgewerbliche Musterblätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7029#0057

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4- 52 -4-

Ensens kunstigewerblichim jljustletlblMen.

Tafel ^3: Eisenkonstruktion in der bsalle des Fran-
ziskanerkellers zu München. Entworfen von Gabriel Seidl,
ausgeführt von F. S. Ku ft er mann (München). Unser Blatt zeigt
den äußerst gelungenen Versuch, die umfassende Eisenkonstruktion der
^60 (Quadratmeter großen lhalle in direkter Weise dekorativ zu ver-
werthen, so daß kein Theil derselben durch irgend welche Maskirung
dem Auge verdeckt wird. Aus diesem Grunde sind auch die Gewölbe
nicht zwischen den Schienen, sondern über denselben, wie untenstehende
Skizze zeigt, angebracht.

Die I-Lisen und Blechträger sind lediglich durch Bemalung
(nach Zeichnung von O. thupx) mit bsausroth und weiß dekorirt;
die Bemalung der mit plastischem Schmucke versehenen Säulen ist
grün und weiß gehalten.

Tafel ^ : waschschrank (*7. Jahrhundert). Aus der nach-
gelassenen Sammlung des st Kunstmalers Schiffmann, ehemaliger
Direktor des Museums in Salzburg, Vorder- und Seitenansicht, wir
verdanken die Möglichkeit der Mittheilung dieses reizenden, in seinem
fein abgewogenen Aufbau ungemein originell wirkenden Meisterwerkes
der Tischlerkunst, dem liebenswürdigen Entgegenkommen der Wittwe
des verdienstvollen und weithin bekannten Sammlers, welche einen Theil
des Nachlasses, da cs ihr leider unmöglich ist, denselben seinem ganzen
Umfange nach zusammenzuhalten, versteigern lassen wird. Es wäre
sehr zu wünschen, wenn die zahlreich vorhandenen exquisiten Stücke
unseren heimischen Sammlungen einverleibt würden. Jedenfalls
dürften Kenner und Sammler gut thun, schon jetzt ihr Augenmerk
aus diese in Aussicht stehende, interessante Auktion zu richten.

Tafel ls: Schrank, entworfen von Jos. Steinmetz jun.,
Dekorateur und ksosmeubelfabrikant, München, vorzügliche massive
Arbeit in Nußbanm.

Tafel (6: Kanne in Kupfer getrieben. (Vorder- und
Rückansicht.) Entworfen von tserm. Kellner, ausgeführt von
Heinrich Seitz, Kupferschmiedmeister (München). Von Letzterem
Seiner Durchlaucht dem Reichskanzler Fürsten Vtto von
Bismarck zu dessen 70. Geburtsfeste gewidmet. Photographische Auf-
nahme von Frz. Werner (München). Das meisterhaft durchgeführte
Festgeschenk trägt außer der Widmung das originelle Motto:

„Und dös is koa Münchner.

Den, ’s Bier nöt guat g'fallt!

Und dös is koa Deutscher,
ver's mit'u Bismarck nöt halt!"

Tafel \7 : Bierfaß mit Ständer. Seiner Durchlaucht dem
Reichskanzler Fürsten Vtto v. Bismarck zum 70. Geburtsfeste gewidmet
von Georg Pschorr, Brauerei-Besitzer in München. Entwurf von
Hermann Kellner. Schnitzarbeit von Bildhauer Seisfer. Ständer
von Hofmöbelfabrikant A. pössenbacher. Faß aus der Schäfflerei
der Pschorr-Brauerei. Das sowohl im Entwürfe wie in der Durch-
führung außerordentlich gelungene Festgeschenk kann mit Fug und
Recht als ein Muster stilvoll charakteristischer Behandlung eines an
sich einfachen Gegenstandes bezeichnet werden.

Tafel ;8<SM9: Münchener Ehrengabe zum 70. Geburts-
tageSeinerDurchlaucht desReichskanzlersFürsten Gtto
von Bismarck. Entwurf von Prof. Rud. Seitz. Ausführung
der Umrahmung von Karl Minterhalter. Figuren-Modelle von
Pruska. Aetzung der Schriftplatte von Jean Hagg enin ü ller.

Die von Professor Rudolph Seitz angeregte Idee, als Fest-
geschenk dem Fürsten Bismarck eine Votivtafel zu stiften, welche
in Stil und Ausführung ganz das charakteristische Gepräge des in

München zuerst wiedererstandenen und zu eigenartigster Blüthe ent-
falteten Kunstgewerbes an sich trage, hat zu einer so bedeutungsvollen
Schöpfung Anlaß gegeben, daß dem Künstler diese Anregung allein
schon als ein verdienst zuerkannt werden muß. Angesichts aber der nun
zu bewunderungswürdiger Vollendung gediehenen Arbeit selbst, die
vom genannten Meister erfunden und unter dessen Leitung auch aus-
geführt wurde, ist das Werk als ein Markstein der bildnerischen Ent-
wicklung nicht nur unserer Stadt, sondern der vaterländischen Be-
strebungen überhaupt zu betrachten. Nur aus der innigen Verbindung
von Kunst und Gewerbe konnte eine solche Leistung hervorgehen, die
nicht eine oberflächlich und flüchtig-blendende Dekoration des Augen-
blicks , sondern durch den Ernst ihres Inhalts, Vollkommenheit der
Form und harmonische Schönheit der äußeren Erscheinung ihrer
Aufgabe, einen großen geschichtlichen Moment zu verewigen, durchaus
gewachsen ist.

Das aus Silber und Feingold von Meister Karl Winter-
halter mit eminentem Verständniß gebildete Geschenk Münchens stellt
eine im Stil der höchsten Entwicklung einheimischer Kunst am Aus-
gang des ^S. Jahrhunderts gehaltene, breite silberne, mit stachem
Rankenwerk umzogene Tafel dar, auf welcher aus vergoldetem Grunde
in gleichem Stil die Denkschrift in silbernen Buchstaben hervortritt.

Die von Paul Heyse verfaßte Widmung lautet:

„Dem Fürsten Vtto von Bismarck, dem größten
Bürger des durch ihn neu erstandenen Deutschen Reiches, dem
erlauchten Vorbilde des Muthes, der Beharrlichkeit und Ge-
wifsenstreue, dem weitblickenden Vorkämpfer für die Wohlfahrt
der Völker, bringt zur Feier seines 70. Geburtstages den ehr-
furchtsvollsten Gruß dar das dankbare München."

Geätzt wurde die durch echte Eharakteristik der Zeichnung wie
durch Präzision der Durchführung hervorragende Schriftplatte von
Jean Haggen müller.

Umschlossen wird die Tafel von vielfältigst durchbrochenem und
verschlungenem goldenem Lartouchenwerk. Inmitten der Basis sitzt
das Wappen der Stadt, umgeben von mannigfachsten Schmucken; an
den beiden Seiten stehen als Hermen geformr in Silber gegossene Karya-
tiden, die von Pruska modellirten, in energischer Schönheit gehal-
tenen, von vornehmer Gewandung umhüllten Vollfiguren der „Wahr-
heit" mit goldenem Spiegel und der „Gerechtigkeit", die wage in
hocherhobenen Händen haltend. Ueber dem von ihnen getragenen,
gekröpften Gebälke prangen in phantastischen Vasen zartgeformte,
buntfarbige Tulpen- und Nelkensträuße. Die Krönung zeigt das vom
Fürstenhut überschattete, von goldenen Lorberzweigen und Festons
umrahmte Wappen Bismarck's, an das in ornamentalem Rankenwerk
ruhend rechts als Symbol der „Stärke" ein silberner Löwe und eine
mit Schwert bewaffnete Amorette, links zur Versinnlichung der „Treue"
ein von einem kleinen geflügelten Genius liebkoster Hund sich lehnen.
In den vier Ecken halten große, in Gold gefaßte Sniaragde das
imponirende Ganze in kräftig-wirkungsvollem Jneinanderschluß zu-
sammen.

Die Durchführung des von uns im Bilde gebrachten Werkes in's
Einzelne zu verfolgen, würde zu weit führen und müssen wir uns hier
darauf beschränken, den Schöpfern desselben die in vollstem Maße ver-
diente Anerkennung auszusprechen. Die Kürze der gegönnten Zeit
von nur zwei Monaten, in der das staunenerregende werk geplant und
zu Ende gebracht werden mußte, war den Künstlern ein Sporn, ihre
besten Kräfte und ihr höchstes Können in rastlosem Eifer und
dauernder Spannung einzusetzen. Ghne der Ueberhebung geziehen zu
werden, kann unser heimatliches Kunsthandwerk, wie es hiermit den
Dank der deutschen Kunststadt dem gefeierten großen Mann im Angesicht
des ganzen Vaterlandes in einzig schöner und charakteristisch-gediegener
Form übermittelte, mit geringer zeitgemäßer Variante auf sich das
wort Schiller's aus der Glocke beziehen:

„Ehrt den Kanzler seine würde,

Ehret uns der Hände Fleiß I"

Verantwortlicher Redakteur: J. von Zichmädel. — Verlag von ©. Birth in München und Leipzig. — Druck von Knorr Sf Birth in München.
 
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