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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1885

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Unsere kunstgewerbliche Musterblätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7029#0073

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Rückseite des Einbandes trägt dasselbe Beschläge wie die Vorderseite,
nur befindet fich im Znnenraume des Nittelstückes statt dem Wappen
dieselbe Blume wie an den Ecken. Der vergoldete Schnitt des Buches
ist bemalt.

Tafel 22: Gothischer G esch irr sch rank. Entworfen
und ausgeführt von Norbert Pfretschner in Zenbach
(Tirol.) Bei den verschiedenen Völkern bildete sich die Gothik ungleich
aus. In Deutschland auch nach verschiedenen Stämmen. Bei den am.süd-
lichsten wohnenden in der Schweiz, südliches Bayern und Württemberg,
Kärnten, Steiermark, Salzburg, besonders saber in Tirol errang das
fiachgeschnitzte Drnament schon früh die Gberhand. vorzüglich sind
es Motive aus der Pflanzenwelt, dis uns da begegnen, Tange, Algen,
Disteln, Kreuzblumen, Eichen, Linden und eine Reihe von Schling-
gewächsen mußten ihr Blattwerk leihen. Allein auch figürliche Dar-
stellungen finden sich nicht selten. Zagdstücke, Heilige, Geharnischte
sogar Porträts sind uns erhalten. Ebenso treffen wir verschlungenes
Bandwerk, Wappenschilde, Sonne, Nond und Sterne, wie auch geome-
trisch konstruirte Figuren, von der kleinsten, feinsten Schneidearbeit
bis zu großen Flächen zur Schmückung der wände war diese Technik
in Kirchen, Burgen und Ldelsitzen, im Hause des Bürgers und des
Bauers gebräuchlich. Das dazu beliebte Material war vorherrschend
Zirbelholz, seltener das Holz der Föhre oder Eiche. Die Technik selbst
war zweierlei. Die häufiger vorkommende bestand darin, daß die
Kontur des Drnaments schräg mehr oder weniger tief eingeschnitten
wurde, ebenso die Umrahmung, der sogenannte Schluß, worauf man
das dazwischen befindliche Material auf die Tiefe der Einschnitte aus-
sprengte. Das nannte man „Gründen". Die seltenere Art (bestand
im Doxpelschnitt der Kontur des (Ornaments, so daß diese als einge-
schnittene Linie erschien. Bei beiden Arten finden wir die Anwendung
von Farbe. Der ausgesprengte Grund wurde vorzüglich mit dunkeln
Farbstoffen bedacht, schwarz, blauschwarz, braunroth, allein auch lichtes
blau und grün sind zu finden. Das Drnament selbst wurde meist in
der Holzfarbe belassen, doch fanden nicht gerade selten auch hierbe
die buntesten Farben Anwendung und bedachte man vorzüglich Ueber-
schneidungen, Verschlingungen und dergleichen damit, um deren Wirk <
ung zu heben, wogegen man größere Flächen im Holzton beließ.
Schwarz, roth, gelb, blau, weiß, Awaren hiezu am beliebtesten. Die
Grnamente mit Doxpelschnitt der Kontur, wurden fast immer färbig
behandelt, und Izwar in allen denkbaren Farben; die Kontur selbst
meist schwarz oder roth. Es scheint dazu überall Leimfarbe verwendet
worden zu sein. So wohnlich eine derartige Wandausschmückung
einen Raum machen kann, ebenso reizoll wurden dadurch alle Ein-
richtungsstücke und Geräthe geziert. Deren Form war lange nicht so
unhandsam, als es sich viele von uns vorstellen. Wandschränke mit
geschnitzter Stirn, Lasenen und Unterstück, einem Flach-Drnament am
Thürchen und hübschem Eisenbeschläge erhöhten den Reiz einer Ver-
täflung, sowie geschnitzte Thüren dazu gehören, von den Einricht-
ungsstücken spielte der Schrein im Haushalt des (5. Jahrhunderts
die größte Rolle. Der ist allerdings für uns nicht mehr sehr passend,
doch vermag auch er in handsamer Größe ein brauchbares und hübsches
Stück zu sein. Der Fuß ist dabei geschnitzt, ebenso die beiden Seiten-
lasenen und das Stirngesims. Seltener haben Schreine geschnitzte
Flächen an der Vorderansicht oder an den Seiten. Gutes Beschläge
ist nicht zu vergessen. Das innere Fachwerk soll geschnitzt und gefärbt
sein. Bettladen mit ganzen, halben und ohne Himmel trugen reizende
Zierrathen in dieser Technik verbunden mit Maßwerk. Allerdings
waren die räumlichen Verhältnisse dieser Geräthe so, daß wir sie nicht
gutheißen können, doch ist da leicht Abhilfe getroffen. Auf Schränke
in allen Größen und Formen mit vier, zwei und einer Thüre wurde
große Sorgfalt verwendet. Besonders reizvoll war häufig deren innere
Ausschmückung. Schubladenschränke sind selten gewesen. Doch besitzen
wir auch noch solche Driginale in wunderbarster Ausstattung. Stirn-
brett, Lasenen und Fuß, reich geschnitzt, umrahmen die Schubladen,
welche wiederum durch Eisenbeschläge und Dopxelschnitt-Drnamente
geziert sind. Ein schlankes Waschfchränkchsn in alter Forin ziert vor-
züglich, ist aber für uns wohl nicht mehr brauchbar, wir stellen mit
Recht an einen Waschschrank größere Ansprüche, er muß vor allem
geräumig sein. Vielseitig sind die Formen des Tisches gewesen. Die
reichste Flächenbehandlung bietet der sogenannte. Sargtisch , mit ver-
schiebbarer Platte und geschnitzten Einsätzen, dann folgen jene mit
verzapftem oder verkeiltem Untergestell, seltener fanden sich Tische
mit säulenartigem Unterbau, doch gehören gerade diese zu den eben-

mäßigsten und schönsten. An Klaxpstühlen waren nicht selten Flach-
ornamente angebracht, sowie an Bänken, Hockern, Kopfbänken, Lese-
pulten, Laternen, Wiegen, Schemeln, kurz allen möglichen Haus- und
Kirchengeräthen. Nachdem wir uns aber eine Reihe früher nicht ge-
kannter Einrichtungsstücke erfunden haben, müssen wir eben auch
darauf bedacht sein, wie sich solche in For>n und Ausschmückung dem
Hausrath vergangener Zeiten anpassen lassen. Ein solcher versuch
ist der abgebildete Geschirrschrank. Er besteht aus drei Theilen, dem
reichgeschnitzten Fuß, dem schreinähnlichen Mittelstück, das in drei
durch Thürchen verschlossene Fächer getheilt ist, und den Aufsatz, dessen
Mitte ein thurmartiger Vorbau ziert, rechts und links davon sind
Geschirrrahmen angebracht. Das dazu verwendete Material ist Zirbel-
holz. Die (Ornamente sind in brauner Holzfarbe belassen, der Grund-
und der Doppelschnitt der Konturen sind geschwärzt. Das Stück wurde
auf Bestellung des Herrn Franz Lipperheide, Berlin, wie Eingangs
erwähnt, von Herrn Norbert pfretschner in Zenbach (Tirol) entworfen
und in dessen dort befindlichen rühmlichst bekannten Werkstätten für
den Preis von 250 fl. ö. W. ausgeführt.

Tafel 23: Zaumzeug aus geschnittenem oder gepreßtem Leder.
Entworfen von N. Weinholdt, München.

Tafel 24: Tischkarten. Entworfen und gezeichnet von D.
Hupp, Schleißheim bei München.

Tafel 25: Getriebener Lustrearm. Entworfen und aus-
geführt von Professor A. Halbreiter, München.

Perspektivische Seitenansicht des Gsfchirrschrankes von
Norbert Pfretschner.

Berichtigung. Zn Heft 5 und,6 findet sich auf Seite 50 die
Angabe, daß zu dem Fachabend der Dekorationsmaler bemalte Gegen-
stände von Herrn Fr. Krell, Antiquitätenhändler, für die an
diesem Abende, veranstaltete Ausstellung zur Verfügung gestellt worden
seien. Es ist dies ein Satzversehen und soll es, heißen: „von Herrn
Professor p. Fr- Krell",, welcher damals die Güte hatte, den
Arrangeuren für die Ausstellung eine, Reihe von hübschen Majoliken,
Fayencen imd Porzellangegenständen, zu überlassen.

Verantwortlicher Redakteur: J. von schmädel. — Verlag von G. Dirth in München und Leipzig. — Druck von Knorr H Kurth in München.
 
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