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Dengler, Georg [Editor]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — N.F. 3.1881

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5. Heft
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Die Malerien des Kreuzganges zu Brixen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26638#0074
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Nr. 17.

M „Jch, Johnnnes, euer Bruder . . war auf der Jnsel, Patmos ge-
M nannt, wegen des Wortes Gottes und des Zeugnisses über Jesum."

5^ Und Xll, l: „llnd ein großes Zeichen ist am Himmel erschiencn:

Ein Weib mit der Sonne bekleidet, und der Mond unter ihren Füßeu,
und auf ihrem Haupte ein Kranz von zwölf Sternen." Der Seher
war an einem Sonntage in Verzückung und hörte eine Stimme:
„Was Du schaust, schreibe in ein Buch!" Nach diesen Schrifttexten
ist der Heilige dargestellt. Er sitzt auf einem in einer grünen Ebene

vorragenden Felsstücke, zu beiden Seiten von hohen röthlichen Felsen

umgeben. Jm Hintergrunde sieht man Meer und blaue Berge, ein
paar Schilfrohre und wenige dürre Sträucher kennzeichnen die Ein-
öde, nur zu den Füßen des Apostels sind weiße Blümchen entsprossen.
Dieser trägt ein himmelblaues llnterkleid, unter dem der rechte Fuß
unbekleidet hervorsteht, den linken hat der Heilige des Buches wegen
zurückgezogen. Dcr Mantel ist dunkelbraun und mit gelber Schrift
gesäumt — das noch lesbare Stück lautet: 84XN 18? XIX

iilXX. Der Mantel ist gelb gefüttert. Die rechte Hand
schreibt in dem auf dem Schooße liegenden Buche (Scheinschrift), die
linke ist im Staunen erhoben. Das Antlitz ist bartlos, jugendlich,
im Halbprofil aufwürts gewendet, das Haar fällt in reichen braunen
Locken über den Hals. Links vom Heiligen (heraldisch gen.), bei-
läufig in der Mitte des Bildes, schreitet der Adler herüber; er hat
gelben geöffneten Schnabel, ebenso gefärbte hohe Beine, graues Ge-
fieder und schlägt die schmalen Flügel im Gehen. Ueber dem Adler,
fast inr Scheitel des Stirnbogens, sieht man in kleiner Figur die Er-
scheinung: Maria, die Mondsichel unter deu Füßen, im weißen (früher
silbernen?) Mantel und rotheu Unterkleide. Das unbekleidete Kind
trägt sie auf dem rechten Arme. Jhre langen Haare sind goldsarben,
aber von einem Nimbus ist Nichts mehr zu erkennen.

Endlich erblickcn wir dem Apostel gegeuüber links im Bilde die!
Gestalt eines Domherrn, des Donators. Er ist wie der Heilige in
halber Lebensgröße, uur etwas tiefer und kuieend gemalt.

Seine Tracht ist die gewöhnliche alte Chorkleidung, violetter Talar
mit aufstehendem Kragen (die heutige Form), ein ärmelloser Chorrock
bis auf den Boden reichend, so daß nur wenige Falten vom Talar-
saume zu sehen sind, Muzette und Biret.

Der Chorrock ist violett schattirt, die Muzette aus grauem Pelze
reicht nur bis zu den Ellenbogen; das Futter, die wenigen aber
großen Quästchen, sowie die Schnur, sind violett.

Ueber den gefalteten Händen liegt ein brauues weiches Käppchen
in Form eines oben etwas gerundeten Kegelstutzes. Die Tonsur des
Mannes ist mittlerer Größe iu Vergleich zur alten aorona, und zur
heutigen. Das geistreiche, ungemein edle Gesicht ist von braunen
<K.- walleuden Locken umgeben, und blickt vertrauensvoll auf den Heiligen.
Zll Füßeit der Figur wächst üppiges, meisterhaft gebildetes Gras.
Vor derselbeu eine Tartsche mit dem Wappen.

Eine Jnschrift unterhalb des Gemäldes in gothischen Minuskeln
und lateinischen Verseu geschrieben, sagt uns, daß dieser Kauouiker

Die Malereien des Kreuzganges zn Brixen.

der 1490 verstorbene Domdechant Benedikt Fünger sei, ivelcher
testamentarisch diese Malerei (bano i>iotni'g.rn) fertigen ließ. Er wird
die besondere Zier und der Schmuck des Vaterlandes geheißen, iveil
er ein glünzender Redner (8xlsuäiclus oioguio) als Friedensvermittler
zwischen dem Herzoge von Oesterreich (Sigismund) und den Venetianern,
ferner zwischen dem römischen Könige (Maxm.) und dem von Ungarn
(Mathias Korvinus 1 1490), thätig war, ersteres mit gutem Erfolge.

Sein Wappeu zeigt inr geviertelteu Schilde rechts oben eine
schwarze springende Gemse im weißen Felde, links ein weißes doppeltes
Kleeblatt mit Wurzel im rotheu; unten dasselbe, gewechselt.

Abgeseheu vom beschädigten Zustaude des Bildes, haben wir in
demselbeu uicht das Werk eines gewöhnlichen Mannes vor uns. Die
Zeichnung ist sicher und schwungvoll, aber ohne Prunk. Die Ge-
wandfalten sind im Style der Zeit, jedoch edel und natürlich. Werrn
man in Ausdruck und Haltung auch die liebe Einfalt des Mittelalters,
an den gebleichten Fnrben seine gediegene Technik vermißt, so muß
man bedenken, daß dieß Gemäkde das jüngste unter allen ist. Die
Fleischfarbe ist aschgrau gewordeu, nur die krüftigen braunen Schatten
sind unversehrt. Der Meister scheint aber nur dieß eine Bild gemalt
zu haben, man trifft kein ähnliches im Kreuzgange.

Bemerkenswerth ist noch ein Stttck viel älterer Malerei, unter-
halb des für die obige aufgelegten Temperagrundes. Zwei Figuren
sind von den Knieen ab sichtbar, ein Bischof in rother sogenannter
gothischer Kasula mit gelbem Futter; eine weiße Alba fällt zu den
bloßen Füßen. Die andere Gestalt scheint einen Diakon vorzustellen.
Alles ist mit starken braunen Konturen jedoch ohne Starrheit gemalt
und erinnert an die ältesten Bilder im Jnneren der Johanniskirche.
Ileber dem gothischen Gewölbe der in Rede stehenden Arkade sieht
man den obersten Theil des Gemäldes in reicher Architektur bestehend,
ähulich wie an den Kirchenwünden zu Terlau in Tyrol. Dieß und
noch eine andere Stelle im Kreuzgange beweisen, daß derselbe schon
vor der Einwölbung (ca. 1250) bemalt war.

Die vier Bilder am Gewölbe.

Sie sind nur mit einem guten und bewaffneten Auge zu unter-
scheiden und haben vier Szenen aus den Reisen des hl. Paulus zum
Gegenstande. Jn der nördlichen Kappe der Vierung, St. Johannes
gegenüber, sieht man:

1. Die Predigt im Areopag zu Athen. Jn der Apostelgeschichte
(onp. XVII) wird erzählt, daß Paulus von Beröa nach Athen zog,
dort in der Synagoge auftrat, dann aber von den neugierigen
Athenern in den Areopag geführt wurde uud dort die schöne Rede
vom unbekannten Gott hielt.

Diese Thatsache scheint hier vorgestellt zu sein. Jm rechten
Theile der Gewölbekappe (heraldisch gen.) steht ein Mann auf einer
Rednerbühne, zu der eine Stiege hinaufführt. Er trägt einen goldenen
Nimbus, einen mächtigen Bart, aber sein Vorderhaupt ist kahl. Eine
dunkelgrüne Tunika und ein (ehemals) rother Mantel sind seine
Kleidung. Auf die Brüstung sich beugend macht er die Geberde des

Disputireus, indem er den Zeigesinger der rechten Hand auf die
Daumeuspitze der linken legt. Seine Worte gelten einer dichten Gruppe
von Münneru, die sich in einer nach der thurmreichen Stadt ge-
öffneten Halle (links im Bilde) aufgestellt haben. An der Abschluß-
wand hinter ihnen bemerkt man eine Reihe von großen Nischen, viel-
leicht für die Altäre der vielen heidnischen Götter. Unter den Zu
hörern bemerkt man keine Judenfigur. Einer in der Mitte in voller
Ansicht trägt, einen blauen Rock, vorne osfen, mit weißem Schulter-
kragen, seine Mtttze ist ebenso zweifärbig und in Form eines Hcrzogs-
hutes. Die dem Beschauer nächste Figur trägt eine Art weißer Kapuze
und steht im Profil, mit offenem Munde horchend.

Dieß Gemälde hat wohl am meisten unter den fünf gelitten,
doch ist der röthliche Fleischton noch meist erhalten. Die Zeichnung
scheint in den Mörtel eingekratzt zu sein und ist meisterhaft in Haltung
und Abwechslung, Gruppe und Landschaft. Da in jeder Kappe nur
ein Bild ist, sind die Köpfe der Figuren alle nach dem Schlußsteine
gerichtet.

Daß dieses Bild deu hl. Paulus darstellt, kann man wohl aus
diesem allein muthmaßen, Gewißheit bekommt man erst nach Be-
trachtung des zweiten Bildes:

2. Panlus vor Festus. Auf den crsten Blick hält man diese
Gruppe für eine Darstellung der heiligen drei Könige aus dem Be-
ginne des Einguooonto. Alleiu da liest man zu den Füßen der ver-
meintlicheu Madonna: lostus und zu den Füßen der ersten Figur
links: paulo.

Jn den Akten dcr Apostel (oup. 24, 25) lesen wir, daß Paulus
von den Nömern nach Cäsarea gebracht wurde, weil dic jüdischen
Fanatiker in Jerusalem einen förmlichen Aufstand gegcn ihn crregt
hatten. Der Statthalter Felix behielt ihn zwei Jahre in Haft, auf
reiches Lösegeld hoffend. Sein Nachfolger war Porzius Festus. Die
Judcn begrüßten ihn mit der Forderung, Paulus ihnen auszulieferu.

Allein Festus lud sie uach Cäsarea, mo sie ihre Klagen in Form an-
bringen könnten. Diese Verhandlung sehen wir also hier im Bilde
vorgeführt.

Jn einem Saale, dessen Wände roth sind und dessen Fußboden
gelbweiß geschacht ist, thront der Statthalter, zwischen Paulus uud
den Juden die Mitte einnehmend, und unter einem gelben Baldachine
mit weißen Granatäpfelmustern der späteren Gothik. Festus hat ein
fettes, bartloses Gesicht, ein blaues an der Brust ausgeschnittenes
Unterkleid niit großer, weiß gefütterter Kapuze, die er auf dem Kopfc
trägt; über derselben noch den Fürsteuhut. Sein Mantel ist weiß,
gelb gefüttert, der Sitz mit einem dunklen Teppich von farbigen
Fransen belegt, die Schuhe spitz und stark ausgeschnitten. Er schaut
gegen links, wo Paulus in der schon erwähnten Kleidung, etwas vor-
gebeugt und dem Festus beweisend, steht. Hinter ihm cin Scherge ^

mit Spieß und Seil, an dem er den Apostel führt. Er trägt eine
Hubertus-Mütze, Schnurrbart, kurzen violetten Rock mit weiten grüneu
Aermeln, und enge Hosen. Rechts die Judenrotte in größter Be-
 
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