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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 3.1905

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Aus der Correspondenz Vincent van Goghs, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4389#0052
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VINCENT VAN GOGH, WEINLESE

ich Viele, und zwar diejenigen, welche am meisten
darüber faseln, gerade in bezug auf die Technik
schwach finde. Das schrieb ich Dir schon. Aber
wenn ich mit einem oder dem anderen meiner
Werke in Holland zum Vorschein komme, weiss ich
im voraus, mit wem ich es zu thun bekomme, und
mit welchem Kaliber von Technikern. Inzwischen
halte ich mich viel lieber zu den alten Holländern,
den Bildern von Israels und zu denen, die sich direkt
an Israels anlehnen; was die Neueren nicht thun;
sie stehen viel eher Israels schnurstracks entgegen.

Was sie „Helle" nennen, ist in vielen Dingen
nichts anderes als ein hässlicher Atelierton in einem
unwohnlichen Stadtatelier. Die Dämmerung am
frühen Morgen oder am Abend scheint man nicht
zu sehen; es scheint nichts anderes für sie zu exi-
stieren als die Stunden von Mittags 11—3 Uhr, —
wahrlich eine ganz sittsame Zeit, — aber oft
ganz charakterlos.

Ich will diesen Winter verschiedene Dinge er-
gründen, die mir auf alten Bildern betreffs ihrer
Manier auffielen. Ich habe viel gesehen, was mir
not that. Aber vor allen Dingen, was man, „en-

lever", nennt: das ist etwas, was die alten Holländer
famos verstanden.

Von diesem „enlever", mit wenigen Pinsel-
strichen, will man heut zu Tage nichts mehr wissen.
Aber wie sehr beweisen die Resultate, dass dies Ver-
fahren richtig ist. In wie weit haben viele französische
Maler, wie hat ein Israels auch das gerade meister-
lich gut verstanden! Im Museum habe ich an
Delacroix viel gedacht. Warum? Weil ich vor Hals,
Rembrandt, Ruysdael und andern stets an das Wort
dachte: Wenn Delacroix malt, ist es gerade so, als
wenn ein Löwe ein Stück Fleisch verschlingt. Wie
richtig ist das! Und, Theo, wenn ich an das denke,
was ich den technischen Klub nennen möchte, wie
langweilig ist der! Sei aber überzeugt, wenn ich
etwas mit den Herren zu thun bekomme, stelle ich
mich dumm, aber — ä la Vireloque — mit einem
„coup de dent" hinterher.

Und ist es nicht etwas Fatales, überall das gleich-
massige abthun (was man abthun nennt), — überall
dasselbe langweilige Weissgraulicht, an Stelle von
Licht und Helldunkel — Farbe, Lokalfarbe an
Stelle von Nuancen. . . .

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