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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 4.1906

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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4390#0321
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CHRONIK

NACHRICHTEN, AUSSTELLUNGEN ETC.

Bei Paul Cassirer waren zwei Bilder von Courbet
ausgestellt, sehr verschieden von einander. Das eine,
sehr grosse, stellte zwei Ringer dar. Es war etwas in
ihm, das dem Profanen imponierte: Fabelhafte Stärke
(wie bei den Athleten, so beim Maler), jedoch eine
Stärke, die so wenig unseren Ideenkreis tangierte, wie sich
Sport und Kunst berühren. Was sagte uns dieser Auf-
wand von enormer Kraft? Höchstens gefiel uns die
Souveränität, mit der Courbet das Thema gemeistert
hatte — die Leichtigkeit, die Mühelosigkeit, mit der er
diese Gestalten, die wir, von akademischen Malern vor-
geführt, so oft verquält dargestellt gesehen haben, uns
jetzt spielend nahe brachte. Aber der Eindruck des uns
nicht Interessierenden blieb. Das Thema des Bildes muss
wenigstens genannt werden: Es zeigte zwei stämmige
Ringer, mit prachtvollem Spiel der Muskeln, auf einer
Wiese sich übend, hinten schien eine Tribüne aufgebaut,
mit Zuschauern darin, und man sah Bäume und blauen
Himmel. Das Landschaftliche und die Tribüne machten
den Eindruck, aus dem Handgelenk hingemalt worden
zu sein. Deutlich empfand man von den beiden Männern
allein, dass sie in der Ergriffenheit vor der Natur gemalt

waren. Nein, dieses Bild war kein Ganzes; und die-
jenigen, die gerade dieses Bild von Courbet rühmten,
haben sich geirrt. Es ist denn auch ein frühes Jugend-
werk.

Das zweite Bild Courbets lehnte sich bescheiden an
das erste an, auch fand es nicht so viel Anklang wie das
erste, dabei war es tausendmal besser und einfach wun-
derschön. Ein Sonnenstrahl war hier festgehalten und
ins Bild gebannt; ein Sonnenstrahl, der mit sehr viel
Kunst stark umrahmt war, so dass er hell aus dem Dun-
keln sich heraushob. Der Lichtstrahl fiel auf Gesicht und
Unterarm eines sich am Rande eines Flusses der Be-
schaulichkeit hingebenden Mädchens. Das Vegetative
in ihr war — dem Wesen Courbets gemäss — ganz wun-
derschön und selbstverständlich zum Ausdruck gebracht.
Hier nun erlebten wir die Magie der Kunst. Das Bild
ist voll von veralteten Dingen. Die Dame hat ein braun-
rotes Kleid an (etwa das Braunrot, das bei Rembrandt
vorkommt). Sie lagert an einem Ufer, das voll bräun-
licher (konventioneller) Töne ist. Wohl istderFluss selbst
in seinem grünlichen Schimmer prachtvoll naturwahr
gegeben; aber wiederum der Sonnenstrahl — von dem
unsere Bewunderung des Bildes ausging — ist doch recht

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