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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Heft 10
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Uhde-Bernays, Hermann: Albert Weisgerber
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https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0506

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eifrigen Sucher zu gewinnen möglich war. Wobei aber
einschränkend zu bemerken sein wird, dass Weisgerber
im letzten Verlauf seiner Entwickelung wieder selb-
ständig fortschritt. Die Tragik, die Höhe nicht erreicht
zu haben, bedingt bei dem Überblick über sein Schaffen
eine entscheidende Beachtung, weil durch den jähen
Abschluss nunmehr die Hindernisse, die ihm gesetzt
waren, sich wichtiger hinstellen als sie ein Recht besitzen.
Mit Weisgerber über die Probleme seiner Malerei zu
sprechen war stets lehrreich und anregend. Der kluge
Theoretiker, der in ihm steckte, zeigte sich dem Künst-
ler weit überlegen, blieb daher auch schwer zu über-
zeugen. Aber diese Unterhaltungen erwiesen, mit
welchem Ernste Weisgerber nachzudenken und an
sich zu arbeiten gewohnt war. Die Eigenschaften des
Rheinpfälzers, Temperament, nachdenklicher Sinn, Hart-
näckigkeit der Überzeugung, waren in diesem Charakter
in energischer Ausprägung zusammengeschlossen.

Zuerst ausgebildet in der münchener Kunstgewerbe-
schule, dann im Atelier von Stuck, schon früh ein wich-
tiger Mitarbeiter der .Jugend", wobei er Schärfe des
Witzes und Leichtigkeit der Improvisation geschickt
vereinigte, erkannte Weisgerber einsichtig alle Gefahren,
welche eine im kunstgewerblichen und illustrierenden
Sinne beeinflusste Malerei bedrohen. Unabhängig von
der Aufdringlichkeit der eben im Zenit ihres Ruhmes
stehenden „Scholle" zeigte er in dem meisterlich auf
seinen Zweck berechneten und graphisch höchst talent-
voll angelegten vielumfeindeten Plakat für die nürn-
berger Ausstellung von 1906, das heute betrachtet wie
eine fröhliche Randglosse zum Pathos Erlers sich aus-
nimmt, wie billig ein lediglich nach äusserlicher Wirkung
strebendes Können und wie leicht es zu gewinnen sei.
Gleichzeitig, ebenfalls 1906, gab sein erstes Hauptwerk,
der „Violinspieler" trotz mancher Übereinstimmung mit
der Ateliertechnik Philipp Kleins bereits das energische
Bestreben kund, das Genrehafte eines erzählenden Vor-
wurfes nur malerisch zu überwinden. Im Herbst 1906
ging Weisgerber nach Paris. Dieser Aufenthalt wurde
für seine Kunst entscheidend. Schon auf der Sommer-

ausstellung 1907, wo Weisgerber vielleicht am eindrucks-
vollsten vertreten war, zeigten sich, vor allem bei den
Bildnissen („der Dichter Scharf") die erreichten Fort-
schritte. Der Strich war breit und wuchtig geworden
und hatte jede Zaghaftigkeit verloren, fast grotesk
wurde die realistische Bedeutung des Persönlichkeits-
begriffes betont, die Malerei hatte die Erkenntnisse der
formalen Einheitlichkeit gewonnen und gefiel sich in
koloristischen Freiheiten („Frohnleichnamsprozession"),
ein freudig unbekümmertes Draufgängertum schien
einer schönen Zukunft entgegenzuwachsen. Mag sein,
dass da auch unvorsichtige Einwände dazwischentraten.
Der Künstler selbst pflegte auf die aus der Marees-Aus-
stellung und dem daraufhin erneut betriebenen Studium
Cezannes gewonnenen Lehren zu deuten. In den fol-
genden Jahren wich der frohe Impressionismus einer
ganz von der formalen Seite der Erscheinung beherrsch-
ten Darstellung, die in den verschiedenen Fassungen
des „heiligen Sebastian" ihren nicht immer restlos ge-
glückten Ausdruck fand. Erst später, vor allem mit
dem „Bildnis eines Kunsthändlers", der „Somalifrau",
den verschiedenen „Selbstbildnissen" und dem „Akt auf
dem Balkon" erreichte Weisgerber unter fortgesetzter
Verfeinerung seiner Farbigkeit die alte Natürlichkeit
wieder, und aus dieser Festigung seines persönlichen
Stiles schien im letzten Sommer auf der Ausstellung
der von ihm begründeten „neuen Sezession" die Bürg-
schaft für später ihm und seinen Genossen gesichert.
Nun ist es anders geworden. Die „neue Sezession" in
München hat ihren Führer verloren. Er ist hier vor
allem auch deshalb nicht zu ersetzen, weil er die Schä-
den des münchener Kunstlebens, der Kunstclique und
der Kunstkritik, erkannt und verurteilt hat wie wenige,
weil er als idealistisch hochgestimmte Kampfnatur, so
oft er auch nach Berlin durchgehen wollte, dennoch
geblieben ist, um durch sein Vorbild zu wirken. Es
entspricht ganz der Erinnerung, die wir von ihm fest-
halten, dass er an der Spitze seiner Kompanie, dem
Feinde entgegenstürmend, den Siegesruf auf den Lippen
gefallen ist.

ADOLF MENZEL, VIGNETTE

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