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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Heft 10
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Hancke, Erich: Ausstellung von Werken alter Meister: aus dem Besitz von A. Bredius und J. O. Kronig
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Uhde-Bernays, Hermann: Albert Weisgerber
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https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0505

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Eine grosse „Rechtsprechung Kaiser Ottos", von Gabriel
Metsu, der ja, obgleich mit weniger Glück, auch Histo-
rien und Allegorien gemalt hat, ist ein farbenprächtiges
Bild, das man fast im Zusammenhang mit flämischer und
venezianischer Kunst nennen könnte. Der Wert der
Sammlung beruht in den Bildern von Rembrandt und
der Landschaft von Hercules Seghers.

Rembrandts „Bacchus und Ariadne" giebt den allge-
mein menschlichen Gehalt der Fabel. Die dicke, gut-
herzige Frau, die in so rührender Verzweiflung am un-
wirtlichen Meeresstrande sitzt, und der ältliche Mann,
der ihr so gut zuspricht, sind nicht die Helden Ovids.
Und doch spricht bei aller ans Parodistische streifenden
Gewöhnlichkeit der Typen, aus den einfachen Linien
und der einfachen Empfindung des Bildes etwas von dem
antiken Charakter der Erzählung. Das Bild ist 1631
datiert, Rembrandt hat es also in dem Jahre seiner Über-
siedlung nach Amsterdam gemalt. Es zeigt die Merk-
male seines damaligen Stils, den hellleuchtenden grün-
lich goldnen Ton und das feine Email. Die Malerei ist
bis in die tiefsten Schattenpartien durchsichtig geblieben.
In den „Eltern des Tobias" fällt die Übereinstimmung
zwischen der Figur des Vaters und einer Rembrandt-
zeichnung im Berliner Kupferstichkabinett auf. Auch
zu anderen Studien von Rembrandt finden sich Bezie-
hungen. Über dem Ganzen liegt biblische Einfalt. Zwei
alte Leute sitzen beieinander. Der Greis mit ineinan-
der gelegten Händen und auf die Brust geneigtem
Haupte. Die Frau mit einer Arbeit beschäftigt, im
Schweigen des Raumes ernsten, frommen Gedanken
nachhängend. Die Grösse der Auffassung giebt diesen
einfachen Menschen die Würde alttestamentarischer
Gestalten. Wunderbar ausdrucksvoll sind in diesem Bild
die Hände, auf die augenscheinlich ein besonderer Wert
gelegt ist. Das „Opfer des Manoah" weist in der Be-
wegung des Mannes und in Einzelheiten namentlich in
der Malerei der Hände auf Rembrandt hin. Der Mangel

an Einheit in der Durchführung und gewisse Härten,
wie das grelle Weiss des Turbans gegen den dunklen
Hintergrund müssen jedoch befremden. Sehr schön ist
eine gezeichnete Studie für den barmherzigen Samariter
des Louvre.

Die phantastisch-romantische „Gebirgslandschaft"
von Hercules Seghers ist das Werk eines Künstlers, der
in der holländischen Malerei des siebzehnten Jahrhun-
derts eine ebenso isolierte Stellung einnahm, wie Vincent
van Gogh in der modernen holländischen Malerei. Auch
sonst haben sie mancherlei gemein. Seghers ist aller-
dings viel mehr Romantiker als van Gogh, der bei aller
Abkehr vom Realismus doch sehr fest in der Wirklich-
keit steht. Er ist ausschweifender und dabei weniger
leidenschaftlich. Aber schon die Vorliebe für Felsen-
formationen in der Wahl der Sujets, in der Malerei das
Heraustreten aus der der holländischen Kunst besonders
eigentümlichen Tonigkeit nähern sie einander. In den
Radierungen von Seghers finden sich sogar merkwürdige
Ansätze zu der uns vorbildlos erscheinenden Zeichen-
technik van Goghs. Die „Gebirgslandschaft" ist in gleich-
förmig bräunlichem Tone gemalt. Man sieht über eine
weite Hochfläche. In der Mitte des Bildes stürzt das
Wasser eines Flusses herab und gräbt sich nach dem
Vordergrunde zu ein tief in den felsigen Boden ein-
geschnittenes Bett. Links in der Ferne liegt am Fusse
einer Anhöhe eine Stadt. Über die ganze Breite des
Mittelgrundes fällt ein Wolkenschatten bis an den Fuss
des die andere Seite der Fläche begrenzenden Gebirgs-
zuges, über den sich in rötlichem Lichte eine phantasti-
sche, ganz unwirklich aussehende Felsspitze in den
gevvitterdrohenden Himmel erhebt. Es ist ein eindrucks-
volles aber nicht erwärmendes Bild.

Interessant wäre es den Einflüssen nachzugehen, die
hier so fremdartig zu Tage treten und die sich vielleicht
bis in unsre Zeit verfolgen Hessen.

ALBERT WEISGERBERf

HERMANN UHDE-BERNAYS

Der Tod Albert Weisgerbers weckt tiefe Trauer vor
allem bei denjenigen Freunden seiner künstlerisch
und organisatorisch in gleicher Weise vorzüglich begab-
ten Persönlichkeit, die hier, und wie die Verhältnisse in
München eben zufällig liegen, bisher hier allein ver-
heissungsvolle Möglichkeiten für eine freie Entwicke-
lung der münchener Kunst auf neuer Bahn zu sehen
und anzuerkennen erfreut waren. Die Ungunst dieses
Schicksals ist doppelt beklagenswert angesichts der That-
sache, dass das vorhandene Werk des Künstlers, der
nicht einmal mehr zu den ganz Jungen gehörte — er
war 1878 geboren —, durch seine starken Schwankungen

nun etwas Provisorisches, ja Unsicheres empfangen muss,
was auch angesicht der Überzeugung nicht abzuweisen
ist, schon an der Grenze entscheidender Erkenntnisse
zu stehen. Bei einer Gesamtausstellung der von Weis-
gerber geschaffenen Bilder, die zu veranstalten die
münchener neue Sezession nicht zögern möge, wird sich
wahrscheinlich die Empfindung stärker bestätigen, die
gerade infolge eines durch das starke Talent herausge-
forderten Interesses vor jeder neuen Arbeit Weisgerbers
ein leichtes Gefühl des Widerspruchs und des Unbe-
hagens veranlasste, dass vielleicht nicht einmal das
Durchschnittsmass dessen erreicht wurde, was diesem

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