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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Heft 5
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Scheffler, Karl: Totentanz
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https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0247

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TOTENTANZ

elcher Künstler wird uns den Tod
malen, wie wir ihn jetzt sehen?

wird
ganzen

er

diesem
jungen

Welche Gestalt

Würger einer

Menschheit geben?

Der schöne Götterjüngling mit
der umgekehrten Fackel, unter welchem Bilde sich
die Griechen den Tod vorstellten, ist uns eine
frostige, leere Allegorie. Er passte für einen Helden-
tod, der noch ästhetisch war, für den Krieger, der
in der Schlacht wie in einem Zweikampf erlag,
eine Wunde in der Brust oder im Haupte, aber
selbst im Tode das Auge noch erfreuend durch
achilleische Wohlgestalt.

Und das klappernde Gerippe, der nordische
„Freund Hain", den Holbein und seine Zeitgenossen

für ihre Totentänze verwandten, den Rethel, Klinger,
Stuck und viele andere benutzten, passt auch nicht
mehr. Er erscheint fast philiströs inmitten der Er-
eignisse der Gegenwart. Denn er ist eine bürgerliche
Erscheinung; seine Aufgabe ist es die Greise und die
Jungen, die Reichen und die Bettler, die Weisen
und die Narren zu holen. Wobei er romantisch
bürgerlichen Humor und mephistophelische, etwas
literarische Sentimentalität entwickelt. Er ist, dem
Zuge der Zeit folgend, allerdings modern gewor-
den, er bringt Eisenbahnzüge zur Entgleisung und
sitzt als Begleiter auf Fiugfahrzeugen; doch bleibt
er eine Gestalt der Enge, er ist als Todesbringer
ein Detaillist, er ist durch und durch zivil. Er ver-
kehrt mit seinen Opfern von Mund zu Mund, er
ist ein persönlicher Tod.

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