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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Heft 1
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Kleist, Heinrich von: Katechismus des Deutschen: abgefasst nach dem Spanischen zum Gebrauch für Kinder und Alte
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Kleist, Heinrich von: Was gilt es in diesem Kriege
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https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0046

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Fr. Was! - Nicht?

Antw. Das wäre schädlich und niederträchtig.

Fr. Warum?

Antw. Weil ein solcher nicht mehr Staatsdiener
seines Fürsten, sondern schon, als ob er in seinem Sold
stünde, Staatsdiener des Korsenkaisers ist, und für seine
Zwecke arbeitet.

Fünfzehntes Kapitel.
Vom Hochverrate.

Fr. Was begeht derjenige, mein Sohn, der dem Auf-
gebot, das der Erzherzog Carl an die Nation erlassen
hat, nicht gehorcht, oder wohl gar, durch Wort und That,
zu widerstreben wagt?

Antw. Einen Hochverrat, mein Vater.

Fr. Warum ?

Antw. Weil er dem Volk, zu dem er gehört, ver-
derblich ist.

Fr. Was hat derjenige zu thun, den das Unglück
unter die verräterischen Fahnen geführt hat, die, den
Franzosen verbunden, der Unterjochung des Vaterlandes
wehen ?

Antw. Er muss seine Waffen schamrot wegwerfen,
und zu den Fahnen der Österreicher übergehen.

Fr. Wenn er dies nicht thut,und mit den Waffen in
der Hand ergriffen wird: was hat er verdient?

Antw. Den Tod, mein Vater.

Fr. Und was kann ihn einzig davor schützen?

Antw. Die Gnade Franzens, Kaisers von Österreich,
des Vormunds, Retters und Wiederherstellers der Deut-
schen.

Sechzehntes Kapitel.
Schluss.
Fr. Aber sage mir, mein Sohn, wenn es dem hoch-
herzigen Kaiser von Österreich, der für die Freiheit
Deutschlands die Waffen ergriff, nicht gelänge, das
Vaterland zu befreien: würde er nicht den Fluch der
Welt auf sich laden, den Kampf überhaupt unternom-
men zu haben?

Antw. Nein, mein Vater.
Fr. Warum nicht?

Antw. Weil Gott der oberste Herr der Heerscharen
ist, und nicht der Kaiser, und es weder in seiner noch in
seines Bruders, des Erzherzog Carls Macht steht, die
Schlachten so, wie sie es wohl wünschen mögen, zu ge-
winnen.

Fr. Gleichwohl ist, wenn der Zweck des Kriegs
nicht erreicht wird, das Blut vieler tausend Menschen
nutzlos geflossen, die Städte verwüstet und das Land
verheert worden.

Antw. Wenn gleich, mein Vater.
Fr. Was; wenn gleich! — Also auch, wenn alles
unterginge, und kein Mensch, Weiber und Kinder mit
eingerechnet, am Leben bliebe, würdest du den Kampf
noch billigen?

Antw. Allerdings, mein Vater.
Fr. Warum ?

Antw. Weil es Gott lieb ist, wenn Menschen, ihrer
Freiheit wegen, sterben.

Fr. Was aber ist ihm ein Greuel?
Antw. Wenn Sklaven leben.

WAS GILT ES IN DIESEM KRIEGE

VON

HEINRICH VON KLEIST

Gilt es, was es gegolten hat sonst in den Kriegen,
die geführt worden sind, auf dem Gebiete der un-
ermesslichen Welt? Gilt es den Ruhm eines jungen und
unternehmenden Fürsten, der in dem Duft einer lieb-
lichen Sommernacht von Lorbeern geträumt hat? Oder
Genugtuung für die Empfindlichkeit einer Favonte,
deren Reize, vom Beherrscher des Reichs anerkannt,
an fremden Höfen in Zweifel gezogen worden sind?
Gilt es einen Feldzug, der, jenem spanischen Erbfolge-
streit gleich, wie ein Schachspiel gesp.e t wird; be, wel-
chem kein Herz wärmer schlägt, keine Leidenschaft das
Gefühl schwellt, kein Muskel vom Giftpfeil der Be-
leidigung getroffen, emporzuckt? Gilt es, ins Feld zu
rücken, von beiden Seiten, wenn der Lenz kommt s.ch
zu treffen mit flackernden Fahnen, und zu schlagen und
entweder zu siegen, oder wieder in die Wmterquaruere
einzurücken? Gilt es, eine Provinz abzutreten, einen

Anspruch auszufechten, oder eine Schuldforderung
geltend zu machen, oder gilt es sonst irgend etwas, das
nach dem Wert des Geldes auszumessen ist, heut be-
sessen, morgen aufgegeben, und übermorgen wieder er-
worben werden kann?

Eine Gemeinschaft gilt es, deren Wurzeln tausend-
ästig, einer Eiche gleich, in den Boden der Zeit ein-
greifen; deren Wipfel, Tugend und Sittlichkeit über-
schattend, an den silbernen Saum der Wolken rührt;
deren Dasein durch das Dritteil eines Erdalters geheiligt
worden ist. Eine Gemeinschaft, die, unbekannt mit dem
Geist der Herrschsucht und der Eroberung, des Daseins
und der Duldung so würdig ist, wie irgendeine; die
ihren Ruhm nicht einmal denken kann, sie müsste denn
den Ruhm zugleich und das Heil aller übrigen denken,
die den Erdkreis bewohnen; deren ausgelassenster und
ungeheuerster Gedanke noch, von Dichtern und Weisen,

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