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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Heft 2
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Friedländer, Max J.: Die Kunstgeographie der Niederlande
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https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0087

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DIE KUNSTGEOGRAPHIE DER NIEDERLANDE

VON

MAX J. FRIEDLÄNDER

ir sprechen von vlämischer und hol-
ländischer Malerei, umfassen damit
das gesamte, namentlich im fünf-
zehnten und siebzehnten Jahrhun-
dert kunstreiche Gebiet, das von
den politischen Grenzen Belgiens
und des Königreichs der Niederlande eingeschlos-
sen wird. Namentlich was die Malerei des sieb-
zehnten Jahrhunderts angeht, ist der Gegensatz
von holländischer und vlämischer Kunst deutlich
und prägt sich, wenn wir die Persönlichkeit des
P. P. Rubens neben die Rembrandts stellen, tief ein.
Was das fünfzehnte Jahrhundert betrifft, ist die
Grenzlinie nicht ebenso scharf. Die politischen und
religiösen Unterschiede bildeten sich aus oder wur-
den doch vertieft durch und nach den langen Frei-
heitskämpfen gegen die spanische klerikale und feu-
dale Herrschaft. Das Endergebnis dieser Kämpfe
war, dass die Nordstaaten, also im wesentlichen
das heutige Königreich der Niederlande, ein prote-
stantisches, in sich abgeschlossenes Gemeinwesen
ward, indessen die südlichen Provinzen, also wesent-
lichdasheutige Belgien, altgläubig blieb und bei Habs-
burg gehalten wurde. Im Süden standen die Tore,
durch die romanische Kultur einströmte, offen, der
Norden schloss sich mit puritanischer Strenge ab
und wahrte seine germanische Kultur unberührt.
Im fünfzehnten Jahrhundert sind die Niederlande
eher ein Ganzes mit einheitlicher Kultur, und die
germanische Art, freilich von Nordfrankreich
und Burgund her vermischt mit lateinischen Ele-
menten, durchströmte das ganze Land. Man hat

sich mit einigem Erfolge bei dem stillkritischen
Studium der Malerei bemüht, schon für das fünf-
zehnte Jahrhundert den später so deutlichen Gegen-
satz zu erkennen, wobei die Armut an Monumenten
im heutigen Holland — eine Folge der Bilder-
stürme des sechzehnten Jahrhunderts — arg stört.

Der Begriff „vlämisch" für die habsburgischen
Südstaaten ist nicht korrekt und setzt einen Teil für
das Ganze.

Genau genommen umfasst dieser geographische
Begriff nur die beiden Grafschaften Flandern, nicht
aber den Hennegau, Lüttich, Brabant und andere
Teile, die an dem Kunstleben der nicht hollän-
dischen Niederlande grösseren Anteil haben als
Flandern. Besser wäre, man dehnte den Begriff
„viamisch" nicht unkorrekt aus und spräche von
den Südniederlanden im Gegensatz zu den Nord-
niederlanden (Holland). Die Kunstherrschaft der
flandrischen Grafschaften ist nichts als Schein.
Brügge und Gent im fünfzehnten, Antwerpen im
sechzehnten Jahrhundert waren blühende Han-
delsplätze mit internationaler, reicher kaufmän-
nischer Gesellschaft, die Kunstkräfte an sich zo-
gen. Abgesehen von den Burgunderfürsten, die
die französische Hofbedürfnisse einführten, finden
wir mit Erstaunen eine unverhältnismässig grosse
Zahl italienischer Kaufherrn als Auftraggeber
(Tomaso Portinari, Jacopo Tani, Arnolfini u. a.).
Im sechzehnten Jahrhundert wurde der Kunstexport
nach Spanien enorm, und spanische Forderungen
bestimmten die Arbeit in den vlämischen Werk-
stätten. Wie international die höchste Schicht der

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