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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Heft 12
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Chronik
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CHRONIK

H. W. MESDAG f

Mit Hendrik Willem Mesdag, der am 10. Juli im
Alter von vierundachtzig Jahren gestorben ist, ist die
letzte Berühmtheit der Haager Schule dahingegangen.
Mesdags Popularität war kaum geringer als die seines
Freundes Josef Israels, aber sie war von anderer Art,
sie galt weniger dem Maler als der wuchtigen Persönlich-
keit. Wenn man von Israels in seinem Verhältnis zu den
anderen Meistern im Haag sagte, er sei ein primus inter
pares, so kann sich diese Gleichstellung keinesfalls auch
auf Mesdag erstrecken. Als Maler kann Mesdag mit
Bosboom, Israels, Mauve und den Maris nicht entfernt
verglichen werden; seine sympathischen Bilder leiden
vielmehr darunter, dass man sie gewöhnlich in solchem
Zusammenhange betrachtet. Er hat die See und das
Getriebe der Fischerboote mit Einfachheit, mit einer
gewissen Poesie und, namentlich im Beginn seiner Lauf-
bahn, mit angenehmer echt holländischer Sachlichkeit
dargestellt. Besonders die schwerfällig aussehenden und
doch sehr behenden Kähne mit ihrer krausen Ausrüstung
von Netzen, Tauen, Rollen und Haken hat er mit einer
dem Holländer natürlichen Kenntnis und Vorliebe
wiedergegeben. Aber seine malerische Kraft reicht

selten zur Bewältigung seiner schwierigen Motive mit
ihrem Mangel an starken Gegensätzen aus. Mehr noch
als bei den andern holländischen Impressionisten vermisst
man bei ihm den festen Aufbau, die Beherrschung der,
Fläche. Besonders seine Farbe ist sehr schwach. Mesdags
Bedeutung liegt weniger in dem, was er in der Kunst,
als in dem, was er für die Kunst und die Künstler
gethan hat.

Bis zu seinem fünfunddreissigten Lebensjahre, dem
Zeitpunkt, wo Mesdag sich der Malerei zu widmen
beschloss, war er in dem Bankhause, dessen Inhaber
sein Vater war, thätig gewesen. Er war sehr wohlhabend.
Als er sich nun nach einem frühen Erfolge im Pariser
Salon 1869 im Haag niederliess, machten ihn seine
gesellschaftliche Stellung, seine Erfahrung und seine
Energie zum Führer seiner Kollegen, wo es sich darum
handelte deren Ansprüche durchzusetzen. Er verstand
es die Künstler, die bis dahin ganz für sich gelebt hatten,
zur Teilnahme am öffentlichen Leben zu erziehen. Er
brachte den Künstlerstand zu bürgerlichem Ansehen.
Seinen besten Wirkungskreis fand er, als er 1900 Vor-
sitzender des Vereins „pulchri studio" wurde.

Seineliebenswürdigste Schöpfung aber ist ein wunder-
schönes Museum. Er sammelte nicht wie ein Galerie-

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