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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Heft 3
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Scheffler, Karl: Kunstgespräche im Kriege, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0120

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KUNSTG E SPRÄCHE I M KRIEGE

VON ■ • I

KARL SCHEFFLER.

MIT SECHS ORIGINALLITHOGRAPHIEN
VON MAX LIEBERMANN

Dieses ist ein Gespräch zweier deutscher Maler,
die ein Zufall beim Ausbruch des Krieges in
dieselbe Kompagnie gebracht hat. Sie erkannten ihren
Beruf gegenseitig, als bei der Ausfahrt die Eisen-
hahnwagen mit patriotischen Karikaturen bemalt
wurden. Während sie mit dem Heer durch Belgien
zogen, kamen sie sich aber nicht näher und ver-
kehrten miteinander nur wie mit allen andern Ka-
meraden; bis sie eines Abends in Nordfrankreich
dann zur Feldwache kommandiert wurden und in
ein Gespräch über Kunst gerieten. Sie sprachen
«ineinander auf einem Viadukt, der ein tiefes Thal
überbrückt und von dem der Blick frei über eine
weite Landschaft hinschweift. Im Westen, hinter
■den Stellungen der Feinde,gingdieHcrbstsonneuntcr.
Der Ältere: Haben Sie in diesen Wochen ge-
zeichnet? .

Der Jüngere: Versucht hab ich's; einmal auf
einem Fetzen schmutzigen Briefpapiers und ein
ändermal auf der Rückseite eines alten belgischen
Depeschenformulars. Ich hab es aber bald auf-
gegeben.

Der Ältere: Wegen des mangelhaften Materials?

Der Jüngere: Ach nein; van Gogh hat, als er
zu arm war sich Farben zu kaufen, mit Kaffeesatz
und Waschblau aus seiner Mutter Küche Land-
schaften gemalt.

Der Ältere: Nun, also —

Der Jüngere: Ich war unzufrieden. Niemals
bin ich wohl mehr Maler gewesen als jetzt. Als
ich aber zu zeichnen versuchte, kam mir jeder
Strich kleinlich und albern vor. Mir war zumute,
als könnte ich nichts und als hätte ich auch nie
etwas gekonnt.

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