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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Heft 6
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NEUE BÜCHER

BESPROCHEN VON KARL SCHEFFLER

Eugene D elaeroix,Beiträge zu einer Analyse von
Julius Meier-Graefe. Mit 145 Abbildungen und einer
Anzahl unveröffentlichter Briefe. München, R. Pieper
& Co., Verlag,

Als Meier-Graefe vor zehn Jahren seine Entwick-
lungsgeschichte veröffentlicht hatte, fragte ihn Emil
Heilbut einmal, wer ihm nun von allen geliebten fran-
zösischen Malern des neunzehnten Jahrhunderts der
liebste sei. Meier-Graefe antwortete ohne Besinnen:
Delacroix. So ist es auch wohl geblieben, so viele Göt-
ter er neben Delacroix anbetet, so begeistert er sich
immer wieder anderen Malern in die Arme gestürzt hat.
Delacroix spricht am stärksten zur Einbildungskraft
Meier-Graefes. Es ist das Heroenhafte in ihm, was Meier-
Graefes Schwärmerei entfesselt, es ist der dramatische
Schwung, was das dramatisch bewegte Temperament des
deutschen Schriftstellers ergreift, es ist das mit einer
meisterhaften Malerei verbundene stürmisch Litterari-
sche, was zu dem stürmisch bewegten Litteraten spricht.
In der Lebensromantik Delacroix'' und Meier-Graefes
stimmt etwas überein. Was Wunder also, dass sein Buch
über Delacroix ein Hymnus geworden ist. Fast alle seine
Bücher sind ja Lobpreisungen geliebter Meister (wo
er nicht lieben kann, giebt er nie sein Bestes); es besteht
Meier-Graefes liebenswürdige Eigenart geradezu darin,
dass er sich fortgesetzt rauschhaft begeistert und
dass er den Leser an seiner erhöhten Empfindung teil-
nehmen lässt. Bei Delacroix aber zieht er alle Register,
dort ist er bedingungslos. Das Resultat ist nicht eben

ein sehr klares, wohlgegliedertes Lebensbild des fran-
zösischen Meisters und auch nicht eine souveräne Ana-
lyse seiner Kunst, sondern mehr eine Improvisation voll
kluger, schöner Gedanken und tiefer Erkenntnisse, die
ihre Farbe empfängt von einer fast jauchzenden Liebe.
Zu grosse Liebe schadet nie; ist sie der Architektur
eines Buches nicht günstig und vermag sie nicht immer
richtig zu nuancieren, so macht sie doch, dass die erregte
Empfindung an gewissen Stellen das Tiefste und Höchste
berührt und dass eben so viel zwischen den Zeilen steht
wie darin. Es ist das Pathos in der Natur Meier-Graefes,
das er fortgesetzt zu naturalisieren strebt und das er
oft sogar hinter gewissen Saloppheiten der Sprache ver-
birgt, es ist das Pathos seines schnellfüssigen Idealismus,
das ihn für das romantische Nervenpathos Delacroix'
erhöhende und zugleich wahrhaft aufhellende Worte
finden läßt und das der „manieramagnifica" seines Hel-
den mit starkem Schwung der Darstellung gerecht wird.
Es gehört dieses Buch zu den besten der vielen Bücher
von Meier-Graefe. Es soll damit nicht gesagt sein, dass
es absolut ein gutes Buch ist, ein bleibender Wert klassi-
scher Darstellungskunst. Solche Bücher, wie sie zur Zeit
unserer Klassiker geschrieben wurden, gelingen heute
nicht mehr. In der ungeheuren Bücherproduktion der
Zeit, in der Eile und Nervosität unseres Lebens, inmitten
der Masse hat fast jedes Buch dieser Art etwas, das man
in bestem Sinne journalistisch nennen könnte. Vor allem
Meier-Graefes Bücher haben diesen Charakter; es ist
ihre Eigenart, dass sie auf den Augenblick wirken wollen,

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