Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

DOI Heft:
Heft 9
DOI Artikel:
Kunstausstellungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0462

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
UNSTAUSSTELLUNGEN

AMSTERDAM

Im Städtischen Museum hat der
„Holländische Kunstenaarskring" seine
erste Ausstellung eröffnet. Dieser
Verein, in dem man die Anfänge
einer Sezession erblicken kann, besteht aus zehn Künst-
lern, neun Malern und einem Bildhauer, die voriges Jahr-
aus der Vereinigung „St. Lucas" ausgetreten sind, und
sich die Aufgabe stellen, durch periodische Ausstellungen
ihrer eigenen Arbeiten und der Arbeiten eingeladener
Künstler Interesse für die neuste Entwicklung derhollän-
dischen Kunst zu erregen. Die auszustellenden Werke
werden durch Wahl zusammengebracht. Eine Jury im
eigentlichen Sinne wird auf diese Weise vermieden. Die
Einladungen beschränken sich diesmal auf ein einziges
Bild eines Amsterdamer Malers. Die Mitglieder dagegen
sind sämtlich durch grössere Kollektionen vertreten.
Jan Sluyters und C. J. Maks erscheinen als die Begab-
testen. Sluyters gehört der extremen modernen Rich-
tung an. Sein „Amstelveenscheweg" gibt eine Strasse
aus der Umgebung von Amsterdam in einer Sommer-
nacht in starker Stilisierung, seltsam fremdartig, so, wie
unter dem Zwange einer Stimmung sie sich seinem Geiste
eingeprägt haben mochte. Auch seine aus Blumen, schö-
nen Gefässen und Stoffen zusammengestellten Stilleben
wollen, obgleich reich an koloristischen und stofflichen
Reizen, nicht die einfache Natur geben, sondern subjek-
tive Empfindungen zum Ausdruck bringen. Seine far-
bigen Zeichnungen, Entwürfe und Naturstudien, dar-
unter ein Kinderbildnis von eindringlicher Wahrheit,
zeigen eine meisterhafte Sicherheit der Auffassung und
der Hand. Weniger auf gesteigerten Ausdruck, als auf
breite Entfaltung malerischer Eigenschaften sind die
Bilder von C. J. Maks angelegt. Seine Sujets: eine Ge-
sellschaft im Garten, eine mulattische Tänzerin, ein
Schulreiter, ein Zuluneger in roter, goldbetresster Uni-
form, Damen in Blau, beweisen das. Seine Bilder wollen
nicht durch Neuheit überraschen; es äussert sich darin
ein Temperament von angenehmer Natürlichkeit, eine
angeborene Lust am Malen, die sich durch keine Ori-
ginalitätssucht beirren lässt, ein starker Farbensinn, der
Pleinair und geschlossenem Räume gleich gerecht wird,
und ein beträchtliches Können. Es ist überhaupt fast
allen Künstlern der Vereinigung nachzurühmen, dass sie
viel können; ihre Ausstellung gewinnt dadurch die ruhige
Selbstverständlichkeit, die Vorführungen modernster
Kunst oft vermissen lassen. Die spanischen Bilder und
Aquarelle von Piet van der Hern, meist Szenen aus der
Arena, geben sogar Beweise von nicht gewöhnlicher
Virtuosität. Sie sind farbenprächtig und glänzend gemalt,

und kontrastieren einigermassen mit der wohlthuenden
Herbheit ihrer Umgebung. Sie stehen übrigens voll-
kommen unter dem Einfluss spanischer und französischer
Malerei. Etwas Ausländisches liegt auch in der Koloristik
eines grossen Bildes von J. Pollones „de Jordaan" (Name
eines Amsterdamer Stadtviertels, das etwa dem „Scheu-
nenviertel" in Berlin entspricht); die darauf dargestellte
Wäscherin ist jedoch eine Figur von grosser Echtheit
und energisch und gut gemalt. Überwiegend französi-
schen Einfluss, doch auch beginnende Emanzipation
zeigen die zartfarbigen, sanft leuchtenden Landschaften
von G. W van Blaaderen und die derberen, zuweilen
ans Triviale streifenden Hafenbilder von H. J. Wolters.
Mehr von einheimischem Geiste verspürt man in den
Seestücken von C. Breitenstein und besonders in den
Landschaften von P. v. Wijngaerdt, dem es in einem
wuchtig komponierten und wuchtig gemalten Bilde
gelungen ist, in äusserster Vereinfachung das Wesen
des nordholländischen Weidelandes zusammenzufassen.
F. Hart Nibbrigs neo-impressionistische Landschaften
und Studienköpfe aus Zeeland und Walcheren nützen
die Ausdrucksmöglichkeiten dieses Stils nicht recht aus.
Sie sind etwas spröde und blass, doch ist darin das Cha-
rakteristische der in den Dünensand gebetteten Dörfer
und ihrer Bewohner einfach und wahr empfunden. Die
kubistischen Studien von der Insel Malloria von Leo
Gestel sind das Werk eines aufrichtigen und begabten
Künstlers. Auf dem Umwege konsequenter Stilisierung
geben sie eine Vorstellung von der Üppigkeit und Gross-
artigkeit einer tropischen Natur. Der einzige Bildhauer
der Vereinigung L. Zijl hätte reicher, wenigstens mit
importanteren Werken vertreten sein sollen. Seine Ent-
würfe für Giebelsteine sind sehr skizzenhaft. Sie lassen
über die Ausdehnung seines Könnens kein Urteil zu;
beweisen aber das Vorhandensein eines in Holland nicht
häufigen Sinnes für geschlossene plastische Komposition.

Sehr viel Exotisches, sehr viel Internationales, vor
allem sehr viel Unholländisches liegt in dieser Kunst,
die sich als die holländische Kunst von Heute vorstellt.
Es bleibt abzuwarten, ob es ihren Vertretern gelingen
wird, sich die Errungenschaften des Expressionismus zu
assimilieren, wie es den hervorragenden Malern des
neunzehnten Jahrhunderts gelungen ist, die Form des
Impressionismus mit holländischem Wesen zu erfüllen.
Ihr Unternehmen aber ist mit Entschiedenheit zu be-
grüssen. Die jüngst eröffnete Ausstellung des konser-
vativen Künstlerklubs „arti es amicitiae" zeigt, wie sehr
die holländische Malerei einer Erneuerung bedarf. Und
diese ist nur von der modernen Richtung zu erhoffen,
die auch hier die starken Begabungen an sich zieht.

DREIZEHNTER JAHRGANG. NEUNTES HEFT. REDAKTIONSSCHLUSS AM 14. MAI. AUSGABE AM I. JUNI NEUNZEHNHUNDERTFÜNFZEHN
REDAKTION: KARL SCHEFFLER, BERLIN; VERLAG VON BRUNO CASSIRER IN BERLIN. GEDRUCKT IN DER OFFIZIN

VON W. DRUGUHN ZU LEIPZIG
 
Annotationen