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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Heft 6
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Elias, Julius: Anton von Werner: (9. Mai 1843 - 4. Januar 1915)
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https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0300

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REINHOLD KL1MSCH, BEOBACHTUNGSPOSTEN AUF EINER RUINE

ANTON VON WERNER

(9. Mai 1847 — 4. Januar 1915)

VON

JULIUS ELIAS

Anton von Werner ist gestorben. Über ihn sollten jetzt
l eigentlich nur Leute schreiben, die ihn weniger in
der Nähe gesehen haben als wir. Uns ist es versagt, mit
Leichenbittermiene das übliche Gute über den „Mann
und sein Werk" zu berichten, eine geschichtliche Sen-
dung zuzuerkennen ihm, der nie eine hatte. Wir haben
ihn zu lange erlebt, zu lange im Kampf gegen den sach-
lichenFortschritt wie gegen diepersönlicheEntwicklungs-
begierigkeit erblickt, zu viel Bedenkliches von seiner
Sitten Unfreundlichkeit erfahren, als dass wir jetzt
die noch geschliffene Lanze lyrisch mit Lorbeer und
weissen Rosen umwinden und sie unter die irdischen
Ehren- und Siegeszeichen seines fürstlichen Sarges
stecken sollten. Nein, bleiben wir in der Wahrheit,
selbst dem Tode gegenüber — dieser grössten aller
Wahrheiten und Gewissheiten. Auch Werner hat nie-
mals eine Grabesstätte zum Anlass der Selbstberich-
tigung oder des Gesinnungswechsels genommen; er
hat nicht vergessen können. Und hat er, der unver-
söhnliche Verächter der Kritik, jetzt dort oben in der
Astralwelt bemerkt, wie hier unten, als sein malicen-
reicher Mund verstummt war, die alten Feinde von
der Presse ihn mit Schmeicheleien in die Ewigkeit
sandten, indem sie plötzlich künstlerischen Wert ent-
deckten, wo sie früher nur Wertlosigkeit sahen: so hat
der schneidig-grimmige Berliner aus Frankfurt an der
Oder gewiss das rechte Geisterwort für so grotesken
Umfall gefunden.

Die Bedeutung an diesem Werner war, dass er eine
grosse Zeit thätig miterleben durfte; — doch künstlerisch
hat er diese Bedeutung nicht zu verdienen gewusst. Als

der Grossherzog von Baden und Kronprinz Friedrich
Wilhelm ihn ins Hauptquartier beriefen, damit ein
Künstler mit den Helden gehe, da haben sie einen Maler
zu berufen geglaubt, aber sie hatten in ihm nur eine
besondere Sorte Kriegsreferenten geholt. In Karlsruhe
hatte Werner sowohl als Bildermaler wie als Illustrator
einer witzigen Romantik gefrönt; Kunst (Schrödter) und
Dichtung (Scheffel) hatten in ihm durcheinander gewirkt
und sein dickes, kühles Preussenblut ein wenig flüssiger
und temperierter gemacht. Dann (gegen Ende der
sechziger Jahre) hatte er in Paris die wehleidige, melo-
dramatische, doch technisch ausserordentlich bestechende
Militärmalerei der Detaille, Neuville, Regamey auf sich
wirken lassen Als Chronist des grossen Krieges nun war
er bald sachlich feststellend und berichtend, bald genre-
haft-sentimental. Doch nie hat ihn irgendwo und irgend-
wann eine starke Empfindung, ein Unnennbares er-
griffen und beherrscht.

Menzel hatte aus Besorgnis vor einem auferzwunge-
nen Journalismus die dekorative und monumentale
Schilderung grosser Zeitereignisse zu rechter Stunde
aufgegeben; wie drüben Vater Corot hatte er sich vor
den Geschehnissen des Krieges in sich selbst zurück-
gezogen und in die ihm eigenste Welt gebannt; für
Werner aber, die behende Handwerkernatur, war der
Krieg die erste Stufe auf der imposanten Freitreppe des
Ruhms. Keiner wird ihm nachsagen dürfen, dass er ein
gewöhnlicher Streber gewesen sei: wie er nun einmal
gewachsen war, musste er unter dem Regiment des amt-
lichen preussischen Kunststaats-Begriffes ganz von selbst
emporkommen. Sein Biograph Adolf Rosenberg rühmte

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