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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Heft 7
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Schiller, Friedrich; Scheffler, Karl: Die Realisten und die Idealisten: (über naive und sentimentalische Dichtung)
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https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0315

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DIE REALISTEN UND DIE IDEALISTEN

(ÜBER NAIVE UND SENTIMENTALISCHE DICHTUNG)

VON

FRIEDRICH SCHILLER

MIT EINLEITENDEN BEMERKUNGEN
VON KARL SCHEFFLER

Eine gute Ausstellung von Werken deutscher Meister
aus Privatbesitz, deren erster Teil jetzt bei Fritz
Gurlitt zu sehen ist, lenkt den Blick auf den alten Dualis-
mus innerhalb der gesamten deutschen Kunst — mit Aus-
nahme nur der Musik — und regt dazu an, über das
Wesen dieses Dualismus wieder einmal zu denken. Es
kann nicht gründlicher geschehen, als wenn das Wort
einem der grössten deutschen Geister erteilt wird, der
als Dichter in seiner eigenen Natur den Zwiespalt von
Realismus und Idealismus gefühlt hat und der seiner
persönlichen Erfahrung dann — an der Seite Goethes —
einen so überpersönlichen und überzeitlichen Ausdruck
zu geben gewusst hat, dass seine Worte noch heute aktuell
sind. Auch haben sie nichtnur Geltungfür diePoesie, son-
dern können in ihrer Verallgemeinerung mit demselben
Recht auf die Erscheinungen der deutschenMalerei ange-
wandt werden. Was Schiller vom Realismus sagt, gilt von
jedem Realismus, was er vom Idealismus sagt, passt auf
jede ideelle Kunst. Das grosse Ziel, das hinter allen Aus-

führungen solcher Art, das auch hinter Schillers Defini-
tionen sichtbar wird, hat er selbst in einem seiner schön-
sten Briefe an Goethe bezeichnet, dort wo er Goethes
Eigenart liebevoll klug mit der seinen vergleicht, wo er
in Goethe den von der Erscheinung, von der Realität
ausgehenden Geist sieht und sich selbst als von der Idee,
der Spekulation inspiriert darstellt und worin er dann in
einer seines Genies würdigen Weise diese Schlussfolge-
rung zieht: „Beim ersten Anblick zwar scheint es, als
könnte es keine grösseren Opposita geben, als den spe-
kulativen Geist, der von der Einheit und den intuitiven,
der von der Mannigfaltigkeit ausgeht. Sucht aber der
erste mit keuschem und treuem Sinn die Erfahrung und
sucht der letzte mit selbstthätig freier Denkkraft das
Gesetz, so kann es gar nicht fehlen, dass nicht beide ein-
ander auf halbem Wege begegnen werden."

In der deutschen Malerei sind die Idealisten und
Realisten einander seit den Tagen unserer alten Meister
nie wieder auf halbem Wege begegnet; es hat die Mal-

ioi
 
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