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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Heft 8
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Pauli, Gustav: Justus Brinckmann
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https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0402

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JUSTUS BRINCKMANN

VON

GU STAV PAULI

m Laufe eines Jahres ist Ham-
burg der beiden bedeutenden
Persönlichkeiten beraubt wor-
den, die nebeneinander an der
Spitze seiner grossen Kunst-
museen über ein Menschenalter
gewirkt haben. Am 8. Februar
erlag Brinckmann im zweiund-
siebzigsten Lebensjahre einem
Herzschlage, nachdem ihm Lichtwark im Januar des
vorigen Jahres vorausgegangen war. Wäre unsere
Gegenwart nicht so stürmisch bewegt, so würde die
Trauer um diesen neuen Verlust weit umher ein ebenso
starkes Echo finden wie es damals jener erste Verlust
gefunden hat. Denn auch hier wurde nicht nur einer
Wissenschaft, sondern dem deutschen Volke ein ganzer
Mann entrissen — ein starker und eigener, der nicht
seinesgleichen zurücklässt.

Es giebt, zumal unter unseren Gelehrten, hervor-
ragende Männer, die ihr Geistiges und Wesentliches so
völlig in ihren Werken verausgaben, dass sie für das
tägliche Leben nichts Bemerkenswertes mehr übrig
behalten. Für die Mitwelt existieren sie eigentlich nur
in Büchern, während ihre Erscheinung und ihr Gespräch
Enttäuschungen bereiten. Brinckmann zählte nicht zu
ihnen — so wenig wie Lichtwark. Im Gegenteil könnte
man von dem einen wie von dem andern sagen, dass
man sie wenig oder gar nicht gekannt habe, wenn man
sie nur gelesen hätte. Lichtwark war nun freilich unter
anderem auch schriftstellerisch stark begabt, in einer
Auswahl seiner Schriften sogar den besten Meistern
der deutschen Prosa vergleichbar; Brinckmann dagegen
entbehrte der litterarischen Anlage. Das heisst — er
führte wohl eine gewandte Feder, die er in jahrelanger
journalistischer Thätigkeit geübt hatte, allein es fehlte
seiner durchaus sachlichen Art der Darstellung jenes
Element der Phantasie und seiner Sprache jener be-
schwingte Rhythmus, die seinen Schriften, auch abge-
sehen von ihrer sachlichen Bedeutung, einen formalen
künstlerischen Wert verliehen hätten. Wir dürfen sogar
annehmen, dass er sich um litterarische Vorzüge nie
bemüht hat, die ihm seiner ganzen Art nach wohl eher
als ein entbehrlicher Luxus erschienen sind. Um ihn
zu würdigen genügt es auch nicht, sein Museum zu
studieren, obwohl es doch das Kind seiner Liebe und
seines Geistes war — inniger als irgendein anderes
Museum mit seinem Schöpfer verknüpft. Vielmehr
musste man ihn inmitten seiner Sammlung sehen und
hören, um ihn zu verstehen; denn hier bewegte er sich

in seinem Lebenselemente. Ein stark gebauter Mann
mit einem prachtvollen Kopf, aus dessen beweglichen,
von weissem Haupthaar und Barte umrahmten Zügen
ein paar dunkle Augen feurig blickten. So haben ihn
vor Jahren Kalckreuth und Liebermann gemalt. Seither
war sein Ausdruck in den letzten Jahren des Leidens
noch bedeutender und schöner geworden, da die Fülle
seiner Leiblichkeit zusammenschwand, während die
Flamme eines unbezwinglichen Willens nur um so reiner
aus den Augen leuchtete. So war er in seinem Museum
früh und spät anordnend, erklärend und handelnd ge-
schäftig, selbstvergessen, doch alles beherrschend und
im Gefühl seiner Überlegenheit von unbefangener
Würde. Da sein Museum vielerlei Werte barg und die
Stätte mannigfaltiger Arbeit war, die beständig über-
wacht wurde, da ferner Händler und Besucher kamen
und gingen mit mancherlei Anliegen, die er mit immet
gleicher freundlicher Sachlichkeit bedachte, so erweckte
Brinckmann wohl den Eindruck der Unrast, zumal er in
seinen Äusserungen immer wieder einen vorwärts-
drängenden Willen merken Hess, etwas wie ein unaus-
gesprochenes: weiter, weiter! Allein eben dieser Wille
war es, der das Verschiedenartige zusammenband und
einheitlich beherrschte. Jedes Stück seines Museums,
von ihm selbst geprüft, geliebt und gewählt, erschien
somit als sein Geschöpf, mit ihm verkettet und empfing
Leben und Sprache in dem Augenblick, da er sich er-
klärend ihm zuwendete. Und wie nun alles um ihn und
mit ihm lebendig war, so erschien sein Museum nie als
ein Fertiges, sondern immer als ein Werdendes. Wenn
Brinckmann schon alle Ursache hatte, sich des Erreichten
zu freuen, so verweilten seine Gedanken doch vielmehr
in der Zukunft als in der Gegenwart seiner Schöpfung.
Eben deswegen bekümmerte ihn auch die ungleich-
massige Bestellung einzelner Sammlungsgebiete wenig.
Das Fehlende konnte nachgeholt werden; Lücken be-
deuteten neue Aufgaben und so erschien dem Uner-
müdlichen sein Leben nur wertvoll, so weit es dem
Dienst der einen grossen Aufgabe gewidmet war. Von
seinem Alter und dem nicht mehr fernen Ende sprach
er ohne alle Weichheit, sogar ohne Resignation, nur
mit dem Ausdruck der Besorgnis, ob es ihm wohl ge-
lingen werde, noch dies oder jenes unter Dach zu
bringen. Sein letztes Leiden, dessen Bedrohlichkeit er
sich nicht verhehlte, erfüllte ihn mit einem Gefühl, das
aus Ärger und Verachtung gemischt zu sein schien. Er
mochte nicht daran erinnert werden und pflegte die
wohlmeinende Mahnung, sich zu schonen, schroff abzu-
lehnen. Einem solchen Manne musste der Tod nahen,

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