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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

DOI Heft:
Heft 10
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Beckmann, Max; Beckmann-Tube, Minna: Feldpostbriefe aus dem Westen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0491

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FELDPOSTBRIEFE AUS DEM WESTEN

VON

MAX BECKMANN

ZUSAMMENGESTELLT VON FRAU BECKMANN-TUBE

Courtray, 14. 2. 1.5.

Lass Dir nur soviel sagen, dass ich bereits im
Typhuslazarett gearbeitet habe, nun aber wie-
der heraus bin und zwar im direktesten Kontrast.
Mein Dienst ist sehr leicht und lässt mir Zeit, viel
zu sehen und auch zu arbeiten.

Courtray ist eine reizende alte flandrische Stadt
und ich habe, abgesehen von den tragischen, mich
bis ins Tiefste aufregenden und aufwirbelnden Er-
eignissen, die nun aber vorüber sind, auch manches
Merkwürdige und Lustige erlebt. Habe mit meinen
belgischen Quartierleuten, einer alten Jungfer mit
einem rassigen, schwarzhaarigen van Goghgesicht
und einem zwerghaften alten Brüderlein, sehr amü-
sante Abende verlebt, an denen wir über England
und Belgien, Gott und die Politik, Weissbrot und
Zimmermiete Endloses geschwatzt haben, alles in

meinem schlechten Französisch und die beiden in
harten, flandrischen Akzenten, dazu Grog und
draussen der Kanonendonner von Ypern.

Nun bin ich im Kloster, in dem die Mönche
ganz in einem Flügel des grossen Hauses zusammen-
gepfercht sind, um Verwundeten und Ärzten Platz
zu machen. Ich habe Aussicht auf den alten Kloster-
garten, der mit hohen Wandelgängen eingefasst ist,
in denen oft schwarzbärtige Patres eifrig und finster
diskutierend umherlaufen.

Die Stadt hat reizende alte Sachen.

Es ist imponierend, wenn man sieht, was unser
Land leistet, wie es sich mit Elementarkraft aus-
breitet wie ein Fluss, der über seine Ufer tritt.
Am deutlichsten fühlt man das hier komischerweise
durch die Uhr. Alle Kirchtürme haben deutsche
Zeit. Und alle Belgier rechnen nach belgischer, so

KSi
 
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