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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Heft 4
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Rhein, Fritz: Feldpostbriefe aus dem Westen: mit Zeichnungen vom Kriegsschauplatz, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0201

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FRITZ RHEIN, SCHMIEDE

FELDPOSTBRIEFE AUS DEM WESTEN

MIT ZEICHNUNGEN VOM KRIEGSSCHAUPLATZ

VON

FRITZ RHEIN
I

2 2. AugUSt Ip 14

Das Briefpapier stammt aus einem französischen
Tornister, den ich gestern eroberte. Wir fuhren
den reinen Kartoffelkrieg, müssen viel laufen. Vor-
gestern bis O., 3 o km. Abends in ein ganz lothrin-
gisches Nest, sehr malerisch, dreckig, reizende Bilder
mit den vielen Soldaten, Wagen- und Geschütz-
kolonnen. Wenn man ins Quartier kommt, muss
man für die Leute sorgen, Appelle usw. usw., schliess-
lich kommt man spät oder gar nicht zum Schlafen.
Vorvorgestern früh drei Uhr ab bis nach T., Leute
sprechen nur noch französisch, sind aber aus Angst
sehr liebenswürdig — 40 km. bei glühender Hitze
gelaufen, bergauf, bergab. Eine Mordsleistung für
untrainierte Leute, sie wurden auch zu Hunderten
schlapp, ein schwerer Hitzschlag; fast jeder hatte
sich die Füsse wund oder Blasen angelaufen. Gestern
sind wir um 4 geweckt und dreiviertelfünf ab-
gerückt, marschieren immer hinter einer grossen
Armee, die bisher die Arbeit macht. Unsere Divi-
sion hat noch keinen Schuss gethan — ein bayrische
Patrouille rief uns zu: „Ihr könnt ruhig nach Hause
gehen, das bisschen machen wir allein." Wir kamen

bis M., wo tags vorher gekämpft worden ist. Zum
erstenmal spürte ich die brenzliche Atmosphäre und
den merkwürdigen Expressionismus vom Schlacht-
feld. Haufen französischer Tornister und Uniform-
stücke, zerbrochene Gewehre, grosse Löcher in den
Häusern von der Artillerie. Zum Teil war schon
wieder aufgeräumt. Merkwürdiges Strassenbild,
niemand in den Dörfern, nur noch Hühner und
Katzen laufen umher. Sehr dramatisch. Von ferne
Kanonendonner.

Bald kommen wir über die Grenze. Eben wurde ein
Armeebefehl verlesen. Wir haben gesiegt! Was aber
geschieht, davon dringt wenig zu unseren Ohren, nur
vage Gerüchte vom Landen der Engländerin Belgien,
von japanischem Ultimatum. Von der Flotte nichts.

Vorgestern krepierten die Pferde vor unserem
Bagagewagen, infolgedessen gabs kein Brot; mit
einer alten Kruste und etwas Schokolade musste
man lange auskommen.

27. August M.
Wir sitzen in einem hübschen Wald in Frank-
reich, sind aber schon drei Tage nicht aus den Klei-
dern gekommen. Gott sei Dank hat es heute fest

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