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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Heft 11
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Scheffler, Karl: Antwort
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https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0559

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AN TWORT

Wir haben diesen Briefeines Malers abgedruckt
und antworten öffentlich darauf, weil er Vor-
würfe zusammenfasst, die uns, leise oder laut, von vielen
gemacht werden, weil er offenbar aus einer idealen
Überzeugung kommt und auf Verdächtigungen ver-
zichtet (Stichwort: Kunsthandel), die in andern Fällen
eine Beachtung verbieten. Wir stellen uns vor, dass
mancher Leser dieses Briefes sittlich nachdrücklich mit
dem Kopfe nickt und ein wenig schadenfroh lächelt;
darum heissen wir den Anlass willkommen, der es uns er-
möglicht, mit einer heiter-ernsten Antwort zu quittieren.
Der Briefschreiber und seine Gesinnungsgenossen
stellen sich die Leitung von „Kunst und Künstler" wun-
derlich vor, wenn sie meinen, Arbeiten von,.Liebermann,
Corinth, Trübner, Slevogt" würden verhältnismässig oft
gezeigt, „nur um die monatliche Zeitschrift zu füllen".
Sie müssen es sich doch selbst sagen, dass es weitaus
leichter wäre, ja, dass sich die Zeitschrift von selbst fast
redigierte, wenn der Kreis der Künstler weiter genom-
men würde, wenn wir „sachlicher und gerechter" im
Sinne des Briefes wären und alle neuen Arbeiten auch
solcher Maler veröffentlichten und besprächen, als deren
Vertreterin diesem Fall — leider— der Name Thoma ge-
nannt wird. (Bei andern Gelegenheiten ist es Max Klinger,
oder Stuck, oder Greiner, oder Gebhardt — abgesehen
von den weniger idealen Fällen, wo die vorwurfsvollen
Künstler die Vernachlässigung ihrer eigenen Werke
bemängeln.) Es liegt doch auf der Hand, dass es schwie-
rig, ja, dass es ein fast verzweifelter Zustand ist, wenn
eine moderne Kunstzeitschrift im wesentlichen auf die
Produktion verhältnismässig weniger deutscher Künstler
angewiesen ist. Wer nicht gerade Beeinflussung und
Bestechung annimmt — es giebt schöne Seelen, die
liebevoll auch dieses thun —, muss eigentlich von selbst
auf den Gedanken kommen, hier seien doch wohl Über-
zeugungen ausschlaggebend. Da die Mitarbeiter und
Herausgeber von „Kunst und Künstler" nun auch nicht
eben Banausen sind, sondern immerhin den Kunstver-
ständigen zugezählt werden dürfen, bleibt den Anklägern
logisch nur die Frage übrig: was, um Himmels willen,
finden diese Leute in den von ihnen vertretenen Kunst-
werken so Besonderes, dass sie sie den Arbeiten eines
Thoma (Klinger, Stuck, Greiner usw.) sogar vorziehen.
Herr Schnaars meint, die Arbeiten Liebermanns,
Trübners, Corinths, Slevogts (warum nicht auch die
Leibls?) seien Improvisationen, es seien Skizzen, es gäbe
wichtigere Dinge als diese „Möglichkeiten des Rein-
malerischen", es fehle diesen Bildern die „Vollendung
des Kunstwerks" und auch recht eigentlich die „Form".
Hier stehen wir vor einem Grundirrtum, der einem
Maler nicht wohl ansteht. Grosse Teile der deutschen
Künstler und Kunstfreunde glauben immer noch, trotz
aller Lehren der neueren Kunst, Form sei nur was ge-
zeichnet ist, nur das sichtbar Konturierte, das klar und

deutlich Begrenzte. Sie glauben, Thoma hätte mehr
Form als Liebermann, weil er mehr detailliert; sie
meinen, das Fertigmalen sei ein Zeichen höherer Voll-
endung des Kunstwerks. Mit dieser Logik Hesse sich
unschwer beweisen, dass auch Rembrandt und Franz
Hals keine Form gehabt haben. Warum dieses vor-
wurfsvolle Sprechen vom „Reinmalerischen", von den
„farbigen Reizen und Schönheiten"? Wird es bestritten,
dass eine Malerei malerisch sein soll? Wie es scheint,
möchte der Deutsche, der von Hause aus eine Schwarz-
weissnatur ist — nach wie vor nur die farbige Zeich-
nung als Malerei gelten lassen. Der Briefschreiber stellt
dem Slevogt von heute und dem späten Liebermann
den jungen Slevogt und den frühen Liebermann gegen-
über und zeigt damit, dass er nicht weiss, welche ausser-
ordentliche Leistung — auch sittliche Leistung! — beide
vollbracht haben, als sie ihre teilweise noch konventionelle,
noch zeichnerische Form durch die Auseinandersetzung
mit dem Impressionismus selbständig und malerisch
machten. Ihre und ihrer Genossen historische Mission
beruht eben hierin: die seit den Nazarenertagen im
Zeichnerischen erstarrte Form flüssig gemacht und die
Aufgabe des Zeichenstifts dem Pinsel überwiesen zu
haben. Auch Thoma hat sich ja um die Mitte seines
Lebens grundsätzlich gewandelt; nur, leider, weniger
überzeugend: er ist von der lebendigen Malerei zu
einem symbolisierenden Konturstil übergegangen. Wo
der Pinselschlag wirklich gestaltet und nicht nur vorge-
zeichnete Umrisse mit Farben ausfüllt, schafft er ohne
weiteres auch die „Form". Es wird in dem Brief gefragt,
ob Liebermann jemals so eine Räumlichkeit gegeben
hätte wie Thoma in seinen Landschaften. Nun, wir
meinen, dass Thoma, in seinen besten Werken noch, als
Darsteller des Raumes schwach ist, dass die künstleri-
schen Werte seiner Bilder mehr im Flächenhaften als
im Räumlichen liegen und dass Liebermann in der
Darstellung des Raumes vor allem ein Meister ist. Mit
einem Nichts an Mitteln giebt er jene räumliche Illusion,
die alle Gegenstände wie von selbst distanziert und
idealisiert, wogegen Thoma es mit einem grossen Auf-
wand von Details und gegenständlicher Genauigkeit in
dem als Beispiel herangezogenen Bild der National-
galerie („Der Rhein bei Säckingen" Nr. 1031) nur
erreicht, dass man ein bestimmtes Stück Natur genau
erkennt und von der lyrischen Betrachtungsweise des
Malers eingenommen wird, dergestalt, dass der Wunsch
etwa entsteht, in diesen Wiesen umherzustreifen, in
dieser Natur zu promenieren oder nach dieser schönen
Gegend eine Erholungsreise zu machen. Darum scheint
uns das, was in dem Brief „elementarer Ausdruck" ge-
nannt wird, mehr in den guten Bildern von Liebermann,
Trübner, Corinth, Slevogt zu sein als in denen von
Thoma oder von einem Maler seiner Anschauungsweise.
Jene geben intuitiv ein Ganzes der Natur, diese suchen

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