Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

DOI issue:
Heft 4
DOI article:
Chronik
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0209

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
HONORE DAUMIER, KARIKATUREN

DIE TUKCOS IN PARIS

„Sieh' nur, sie schlafen wie ganz gewöhnliche Menschen!"

„O mein Freund, ich habe Furcht vor diesen Menschen!"
„Du hast Recht, sie sind sehr bösartig — sie misshandeln die
Frauen und machen sie schmutzig."

CHRONIK

Alfred Hagelstange f
Unerwartet, fast so überraschend wie eine Nachricht
aus dem Felde, kommt die Kunde vom Tode des Kölner
Museumdirektors. Überraschend, weil, trotz der Schwere
und Tücke der uns allen bekannten Krankheit, Hagel-
stanges zähe und keine Rücksichten kennende Energie
uns Gesundheit vortäuschte und Hoffnungen nährte, die
sich nicht erfüllen sollten. Es ist ein tragisches Schicksal,
das hier seinen Abschluss fand. Nicht deswegen nur,
weil es abrief zu einer Zeit, die voll schwerster
innerer und äusserer Erschütterungen dem Einzel-
schicksal fast die Geltung nimmt und heute nur noch
nach Massen rechnet. Tragik lag vor allem auch im
Alter, in dem der Tod hier abrief; heraus aus einem
Werke, dessen fester Boden gerade vorbereitet schien,
aus verlockenden Zukunftsplänen, heraus aus dem uner-
sättlichen Bedürfnis nach der consumptioartiinserviendo,
aus dem Bedürfnis nach immer neuen künstlerischen
Eindrücken, deren Stärke und Zuverlässigkeit eine immer
grössere Erfahrung und das beste Mannesalter zu garan-
tieren schienen. Es war tragisch endlich, dass gerade
die Grösse der Eindrücke, denen sich diese Natur
stets willenlos und völlig hingab, seiner tückischen
Krankheit stets neue Nahrung zuführten. Hier wohnte
ein stark-temperamentvoller, impulsiver, leicht-entzünd-

barer Geist in einem Körper, der nicht stark genug war,
um diesem fortwährenden auf körperliche Ruhe und
Bequemlichkeit niemals Rücksicht nehmenden Drängen
von innenheraus standzuhalten.

Weiteren Kreisen ist Hagelstanges Name bekannt
geworden durch seine Stellungnahme zur moderneKunst.
Wenigen Berufenen und einer Anzahl Unberufenen
war sein Verhältnis zur Kunst unserer Tage ein Gegen-
stand des Lobes oder der Anklage. Man hat aus ihm
einen rücksichtslosen Draufgänger, aus dem modernen
Teil seiner Sammelthätigkeit ein Schrittmachertum für
die privaten Sammler konstruieren wollen. Und stets
fiel in Verbindung damit wie träges, regelmässiges Ge-
klapper einer alten Mühle das Wort „Sonderbund", das
rote Tuch für die grösste Schaar derer, die um jeden
Preis mitreden wollen. „Für einen grossen Teil hier
ausgestellter moderner Bilder", so waren etwa die Worte
der damals von Hagelstange gehaltenen Eröffnungsrede,
„fehlt mir jedes Verständnis." Aber unter Hinweg-
setzung über dieses klare, mannhafte Bekenntnis, über
mehr als einmal von ihm gethane Äusserungen über das
mannigfach Problematische der Kunst unserer Tage,
in bewusster Unwahrheit, die vor feiger Anonymität in
den Klatschecken grosser Tagesblätter nicht zurück-
schraken oder in garstiger Oberflächlichkeit sind diese

189
 
Annotationen