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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Heft 4
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Rhein, Fritz: Feldpostbriefe aus dem Westen: mit Zeichnungen vom Kriegsschauplatz, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0208

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Das Nest ist nur von Westen her über den Bahn-
damm zu erreichen, die Wiesen sind alle künstlich
überschwemmt. Um 7 kam eine Ordonnanz und
rief zu einem FassBier. Einer trug ein neues patrio-
tisches Gedicht vor und dann gabs ein knallendes
Kaiserhurra. Schliesslich wurde bekannt, dass das
wichtige Sperrfort zwischen Toul und Verdun,
St. Mihiel, gefallen ist. Den ganzen Tag hatten wir
eine grossartige Kanonade gehört, fabelhaft maje-
stätisch klingt so etwas gerade von weitem.

Schützengraben bei R.
Wir thunhier noch immerunseren Absperrungs-
dienst an der Fortlinie, unsere dreckige Schuldig-
keit, zwei Tage in Gräben, einen im Walde und
einen im Dorf. Kämpfen thut hauptsächlich die
Artillerie. Mit Hilfe von Flugzeugen und Fessel-
ballons sucht sie die feindliche Stellung, die sich
immer wieder ändert. Die schwere Artillerie schiesst
seit Wochen immer über uns hinweg ins Dorf.
Die Feldartillerie zweihundert Meter hinter uns in
den Grund. Es ist ein merkwürdiges Gefühl die
Geschosse so dicht über sich hinweg sausen zu hören,
— die schwere geht besonders auf die Zähne. Das
Material der französischen ist miserabel und die Er-
folge für den Munitionsaufwand gering. Neulich
wurde in der Nacht ein Infanterieangriff, das heisst
ein Durchbruchs versuch von den Franzosen in der
Richtung auf T. gemacht. Man Hess sie auf ganz
kurze Entfernung herankommen, um sie dann mit
rasendem Feuer zu überschütten, so dass sie mit
grossen Verlusten zurück mussten. Am andern

Morgen lag alles voll von Gefallenen vor den Grä-
ben. Die Franzosen baten um ein paar Stunden
Waffenstillstand zum Beerdigen. So liegen wir
immer auf der Lauer. Am Tage sieht man nieman-
den von uns und nachts stehen Posten im Graben
und Horchposten achtzig Meter davor. Ausserdem
ein paar Pioniere, die bei Gefahr Leuchtkugeln
schiessen, die die ganze Gegend fabelhaft hell be-
scheinen.

Neulich sass ich mit meinem Zuge in einer
Scheune im Dorfe, man lag schön warm und weich
im Stroh. Ein kleines Zimmer war sauber zurecht
gemacht, der Tisch mit einem Bettuch gedeckt,
man ass wieder mal von sauberem richtigen Geschirr.
Da plötzlich fingen die Franzosen an unser Haus in
Brand zu schiessen mit Brandgranaten; aus Wut,
weil unsere Artillerie ihnen einen Kirchturm, den
sie als Beobachtungsposten benutzten, eingeschossen
hatte.

Heute nacht müssen wir schanzen, das heisst
den Graben weiter ausbauen bis 4 Uhr morgens.
Ich liege in einem sogenannten Unterstand, das ist
ein Kasten, der in die Erde gegraben ist, mit starken
Balken überdeckt, darüber Erde, so dass man von
aussen nichts sieht. Innen mit Holz verkleidet
mittels eichener Schrankthüren aus dem Dorf. Man
liegt auf Bauernmatratzen mit Kamelhaardecken
eingewickelt, die Ausgänge verhängt. Hin und
wieder ist Feldgottesdienst, in einer grossen Scheune,
die mit Stallaternen festlich erleuchtet ist — oder
im Wald.

(Fortsetzung folgt.)

FRITZ RHEIN, PFERDE IM BIWAK

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