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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

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Heft 7
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0354

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RÜD. GROSSMANN, GEFANGENE

CHRONIK

GOTTHARD KUEHL f

(20. November iSjo — 10. Januar 191 y.)
Mit Gotthard Kuehl ist uns ein guter Freund aus
den Tagen des Kampfes ums Licht dahingegangen, ein
Freund freilich, der dieletzte entscheidende Wegstrecke,
verführt durch eine übergrosse, etwas ins Bourgeois-
massige und Genrehafte gerichtete Produktion, nicht
mehr mitgeschritten ist. Er hatte uns, wir hatten ihn
einigermassen aus den Augen verloren. Was er als her-
vorbringender Künstler einbüsste, das hat er freilich als
Lehrer festhalten können: er gehörte zu den ganz
wenigen Meistern moderner Richtung, die in Freiheit
und Selbstverantwortung an einer staatlichen Hochschule
ihre Gedanken durchsetzen und Schüler heranbilden
durften nach ihrem Ebenbilde, unbeschadet der traditio-
nellen Erziehungsgrundlage, auf die Kuehl genau soviel
Wert legte wie jeder andere Präzeptor. Kuehl war
unter den deutschen Impressionisten des ersten Boots
der einzige, der verhältnismässig früh den Anschluss an
ein akademisches Lehramt erreichte (1805), mehr dem
Dresdener Institute, dem er neues Leben, neue Impulse
geben durfte, als ihm selbst zum Heile.

Der Kreis um Seidlitz hatte nicht leichte Arbeit, ihn
berufen zu lassen, und Kuehl hatte im Anfang recht
harte Kämpfe zu bestehen; aber er war ein bis zur
Sackgrobheit robustes Naturell und hatte einen breiten
Rücken; er ärgerte sich niemals, — immer nur andere.
Ein naiv-pfiffiger Kunstpolitikus hatte er überdies aller-
lei Eisen im Feuer: die ersten Herzenseroberungen bei
seinen neuen Landsleuten machte er durch feine, um-
fassende Ausstellungen, bei denen die Dresdener sich
als Europäer fühlen konnten. Die Kunst, für Aus-
stellungen zu werben, verstand er aus dem ff.; er übte
sie einst in Paris für Deutschland und in Deutschland
für Frankreich. Max Liebermann nämlich hatte ihn
(neben Köpping) 1889 zur Organisation der deutschen
Abteilung für die ,,Weltausstellungs"-Kunst herange-
zogen; Auftraggeber war Antonin Proust, der einzige
wirkliche Kunstminister, den die Welt bisher gesehen
hat. Damals hat Kuehl dieses spezielle Handwerk ge-
lernt, das ihm später in Dresden so sehr zustatten
kam.

Max Liebermann war das grösste Ereignis seines
Lebens gewesen; Kuehl sah 1879 in München Lieber-

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