Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 13.1915

DOI Heft:
Heft 6
DOI Artikel:
Neue Bücher
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.4714#0309

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
sie sind Werke einer rapiden Schreibweise, einer in-
brünstig überredenden, leuchtenden Auges argumen-
tierenden Dialektik. Das ist es, was auch diesem „Dela-
croix" Meier-Graefes den Wert gieht und was ihm die
Grenzen zieht.

Der Verlag hat dem Künstler einen stattlichen Band
gewidmet, so dass das Buch äusserst gewichtig erscheint.
Leider vermisst man im Innern, vor allem beim Druck
der Bildertafeln die Sorgfalt und den Geschmack, die
Meier-Graefes nachdrückliche litterarische Kundgebung
und die Bedeutung des Künstlers hätten verlangen können.
Die Autotypien sind entweder nachlässig gedruckt oder
das Papier ist ungeeignet; jedenfalls ist die gleichmässig
flaue und unnuancierte Wirkung der Reproduktionen un-
günstig. Der Verlag Piper ist eine Firma, die sehr viel
für die moderne Kunst thut und mit unendlicher Rührig-
keit immer neue nützliche Ideen verwirklicht. Um so
mehr ist es zu bedauern, dass der Ausführung so oft die
künstlerische Vornehmheit und Sorgfalt fehlt. Es müsste
doch unschwer ein technischer Berater zu finden sein,
der das bedeutend Gedachte auch im technisch Ein-
zelnen bedeutend auszuführen imstande ist.

Frankreichs klassische Zeichner im neun-
zehnten Jahrhundert von Karl Voll. Mit 34 Text-
illustrationen und 44 Tafeln. München, Holbein-Ver-
lag 1014.

Es lebt kaum ein anderer in Deutschland, der so sehr
geeignet wäre einen „kurzen systematischen Überblick
über die Geschichte der französischen Illustration im
neunzehnten Jahrhundert bis ungefähr zum Jahre 1870"
zu geben, wie Karl Voll. Der MünchenerKunsthistoriker
ist genug Gelehrter, um eine solche Arbeit mit aller
philologischen Gründlichkeit anzupacken und durchzu-
führen, er ist zugleich frei genug von den Hemmungen
des Gelehrtentums, um kurz und erbaulich zu schreiben
und durchaus von künstlerischen Darlegungen aus-
zugehen, und er ist schliesslich soviel Bibliophile und
enragierter Sammler eben dieser französischen Graphik
des neunzehnten Jahrhunderts, um die natürliche Passion
zu seinem Stoff" zu haben. Man spürt es dem Buche an,
dass er von den Dingen, die er beschreibt, ständig um-
geben ist, dass er mit ihnen lange Jahre gelebt hat." Das
giebt dem Text, bei aller Knappheit, etwas ungemein
Sicheres. Voll redet nicht um die Dinge herum, sondern
beschreibt, während er Thatsachen anschaulich aneinan-
derreiht. Die Illustrationen des Textes und der Tafeln
sind gut gewählt. Doch hätte viel mehr für die typo-
graphische Darstellung gethan werden können. Ein
Buch, in dem so viel vom „schönen Buch" die Rede
ist, sollte selbst eines sein. Es wäre Gelegenheit gewesen
wie bei wenig anderen Büchern, mit Hilfe der alten
Zeichnungen und einer guten Type prachtvolle Seiten
zu arrangieren. Die Tafeln sind gut gedruckt, doch
könnten sie sich noch besser darstellen, wenn der Gegen-
satz zwischen blankem Rand und matter Bildfläche nicht

wäre. Der Umschlag sieht gar zu solide und gelehrten-
mässig aus. Was hätte sich für ein Buch der klassischen
französischen Illustrationskunst doch für eine amüsante
und lustig wirkungsvolle Umschlagzeichnung herstellen
lassen!

KarlStaüffer-Bern, Familienbriefe und Gedichte.
Herausgegeben von U. W. Züricher. Leipzig im Insel-
Verlag und München, Verlag der Süddeutschen Monats-
hefte.

Es ist angenehm, in einem schönen Bande alle Fa-
milienbriefe und Gedichte Stauffers beisammen zu haben
und mit ihrer Hilfe, ergänzt durch einige Vornotizen
des Herausgebeis, dieses unruhige Leben gewissermassen
von innen heraus überblicken zu können. Aber über
dieses Lob des Buches hinaus darf man bei dieser Ge-
legenheit vielleicht die Erwartung aussprechen, dass die
Publikationen über Stauffer nun endlich aufhören. Weder
der Künstler noch der Mensch ist so interessant und be-
deutend, dass diese fortgesetzte Beschäftigung mit ihnen
berechtigt erschienen. Im Grunde beruht Karl Stauffers
Berühmtheit auf der Sensation seines zur Hälfte selbst
verschuldeten, durch Zufälle peinlich komplizierten
bürgerlichen Schicksals. Es liegt aber kein Grund vor,
den Schweizer Künstler darum zu einem modernen
Werther oder zu einem misshandelten Genie zu machen.
Wäre Stauffer ein grosses Talent gewesen, so würde
jede Zeile seiner Briefe interessant sein; da er aber nur
ein Künstler der mittleren Linie war, vermag selbst das
Ungewöhnliche in seinem Leben — Liebe, Einkerkerung,
Wahnsinn und Selbstmordversuch — diesem starken
Brief band nicht das mitzuteilen, um dessen willen man
gute Bücher immer wieder, in jedem Alter, zur Hand
nimmt.

Hans Brandenburg: Der moderne Tanz.
Mit 129 Reproduktionen nach Zeichnungen und Photo-
graphien. München bei Georg Müller.

Der Verfasser betrachtet den Tanz vom Standpunkt
einer „modernen Weltanschauung", nimmt sein Thema
gewaltig ernst und zieht viel Allgemeinheiten hinein.
Seine Schlüsse befriedigen aber nicht, da er, wie das bisher
des Landes so der Brauch war, weniger vom Können als
vom Wollen ausgeht und von den Kulturtendenzen ehr-
geiziger Tanzfräulein, die nichts Rechtes gelernt haben.
Die schweren Ausführungen Brandenburgs sind eigentlich
schon erledigt, wenn man liest, dass er den Dilettantis-
mus, die Stümpereien von Grete Wiesenthal genial findet
und dass ihm die Leistungen des russischen Balletts un-
modern und gekünstelt erscheinen. Wer viel kann, ist
doch allemal „modern"; und wer nichts kann, wirkt in
jedem Fall reaktionär, trotz aller Tendenzen. In diesem
Sinne ist Anna Pawlowa sehr viel moderner als die Ge-
schwister Wiesenthal, als Ruth St. Denis, Gertrud Leisti-
kow, Isadora Duncan und alle die anderen Kunstgewerb-
lerinnen des Tanzes. Auch was Brandenburg über Tanz-

z87
 
Annotationen