GEORG WALTER RÖSSNER, AUS DER „BELAGERUNG VON ÜXLINGEN". HANDKOLORIERTE RADIERUNG
DIE BIBLIOTHEK DES SCHÖNEN BUCHES
VON
PETER JESSEN
Wer Gemälde oder Skulpturen, Möbel oder
Porzellane sammelt, geht sicher, sofern er
sich auf seine Augen verlassen kann. Vom Bücher-
freund aber erwartet man, daß er nicht nur für
die Form, sondern auch für den Inhalt seines Be-
sitzes einstehe, zugleich für die buchhandwerkliche
und die literarische Qualität. Sie decken einander
oft wenig. Der Sammler mag sich deshalb je nach
seiner Anlage und Neigung, für die Dichter oder
für die Künstler entscheiden, wie es vor einem
Menschenalter zwei gleich leidenschaftliche Lieb-
haber hielten, die Brüder Eduard und Hans Grise-
bach. Jener, der Poet, zielte auf das Beste der
Weltliteratur in vornehmen Ausgaben; dieser, der
feinäugige Architekt, hat eine meisterliche Auswahl
schönster alter Drucke vereinigt, die in der Biblio-
thek des Berliner Kunstgewerbemuseums die Grund-
lage für Lehre und Genuß ausmachen.
Wer heute als deutscher Bücherfreund die Form
im Buchwesen sucht, dem werden leider solche
Gipfeides Klassischen in Druck und Bild kaum noch
erschwinglich sein. Allein er darf sich getrost der
Zeitgenossen annehmen; sie bedürfen mehr als die
Alten seiner tätigen Teilnahme, wofern uns das
mühsam entzündete heilige Feuer des Gediegenen
und Edlen über die Tage der Not hin fortglühen soll.
Sein Ziel mag sich dieser Sammler nach ver-
schiedenen Richtungen hin stecken. Er mag den
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DIE BIBLIOTHEK DES SCHÖNEN BUCHES
VON
PETER JESSEN
Wer Gemälde oder Skulpturen, Möbel oder
Porzellane sammelt, geht sicher, sofern er
sich auf seine Augen verlassen kann. Vom Bücher-
freund aber erwartet man, daß er nicht nur für
die Form, sondern auch für den Inhalt seines Be-
sitzes einstehe, zugleich für die buchhandwerkliche
und die literarische Qualität. Sie decken einander
oft wenig. Der Sammler mag sich deshalb je nach
seiner Anlage und Neigung, für die Dichter oder
für die Künstler entscheiden, wie es vor einem
Menschenalter zwei gleich leidenschaftliche Lieb-
haber hielten, die Brüder Eduard und Hans Grise-
bach. Jener, der Poet, zielte auf das Beste der
Weltliteratur in vornehmen Ausgaben; dieser, der
feinäugige Architekt, hat eine meisterliche Auswahl
schönster alter Drucke vereinigt, die in der Biblio-
thek des Berliner Kunstgewerbemuseums die Grund-
lage für Lehre und Genuß ausmachen.
Wer heute als deutscher Bücherfreund die Form
im Buchwesen sucht, dem werden leider solche
Gipfeides Klassischen in Druck und Bild kaum noch
erschwinglich sein. Allein er darf sich getrost der
Zeitgenossen annehmen; sie bedürfen mehr als die
Alten seiner tätigen Teilnahme, wofern uns das
mühsam entzündete heilige Feuer des Gediegenen
und Edlen über die Tage der Not hin fortglühen soll.
Sein Ziel mag sich dieser Sammler nach ver-
schiedenen Richtungen hin stecken. Er mag den
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