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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 22.1924

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Heft 12
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Jessen, Peter: Die Bibliothek des schönen Buches
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https://doi.org/10.11588/diglit.4654#0398

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Anfängen des deutschen Aufstiegs nachgehen, der
großen Linie des „Pan" und seiner Mitarbeiter, der
herben Eigenart der „Blätter für die Kunst", den
strengen Altertümlern oder den weicheren Lyrikern:
an ihnen allen darf er sich des Ernstes und der
Liebe freuen, die der Jugend von damals so gut
standen. Ihre Lust am reichlichen Zierat kann er
auch heute noch lebendig finden, in feierlich priester-
licher Geberde nach mittelalterlicher Tonart oder in
der übermütigen Spiellust, die den Schelm im
Nacken trägt.

Aber es sei ihm unbenommen, des anspruchs-
vollen „Buchschmucks" müde, sich den bescheide-
neren grundlegenden Problemen der Buchschönheit
zuzuwenden, den Druckern und Künstlern, denen es
genügt, auf tadellosem Papier ein vornehmes Satz-
bild aus einer der edlen Schriften zu fügen, die
uns die kunstfrohen Führer des deutschen Schrift-
gusses neuerdings beschert haben. In ihren Werken
findet er für jede Stimmung Widerhall: antikisch
besonnenes Gleichmaß, glaubensstarke Glut, geist-
volle Laune, zarte Träumerei und keckes Schnörkel-
wesen. Er mag die Belege dafür sammeln, wie die
Führer unserer tapferen Künstlerpressen ihre selbst-
willige Eigenart bei den mannigfachsten Aufgaben
festhalten. Er sollte, soweit er vermag, sich Exemp-
lare sichern, denen eine berufene Hand mittelst
Feder oder Pinsel einen persönlichen Zierat zuge-
fügt hat. Will er Eigenstes besitzen, so wird er
hin und wieder ein handgeschriebenes Büchlein
einstellen. Gleichlohnend aber ist es, zu beobachten
und aus seinem Bücherschrank nachzuweisen, wie
verdienstvolle Anreger unter unseren Verlegern die
Gestalt ihrer Verlagswerke der bunten Fülle alten
und neuen, heimischen und fremden Schrifttums
anzupassen wissen, so reichhaltig, wie bislang nie
und nirgend in der Welt. Dank ihnen braucht es
heute dem Sammler auch um die literarische Würde
seines Besitzes nicht mehr zu bangen.

Selbst aber muß er entscheiden, wie weit er in
seinen Kreis auch die jüngste Bereicherung unseres
graphischen Betriebes ziehen will, die Illustration

und die Mappenkunst. Was da heraufwächst an
Schöpfungen einiger großer und mancher kleiner
Meister, läßt sich allerdings nur zum Teil in die
Bücherbretter einordnen und gerät leider oft in Ge-
fahr, äußerlichem Raritätenhandel zu Dienst zu sein.

Dem umsichtigen Buchfreunde wird es heute
unschwer gelingen, zum schönen Druck und schönen
Bilde auch das würdige äußere Kleid zu fügen.
Dem Bescheidenen bringen die Verleger Einbände
entgegen, für welche bewährte Gestalter ihr Bestes
eingesetzt haben. Wer es sich irgend gestatten
kann, sollte nach Eigenem verlangen. Er wird der
tastenden Hand teil geben am Genüsse des schönen
Buches. Wenn das Auge über die Seiten gleitet,
auf Satz und Bildern ruht, den Ton des Papiers,
die Farbe des Druckes, die Musterung des Vor-
satzes aufnimmt, so mögen die Finger wohlgefällig
innen das Papier oder Pergament, draußen das straffe
oder weiche Leder streicheln, wie es heute mancher
kundige deutsche Meister zu bereiten und mit Ge-
schmack zu verzieren weiß.

So sähen wir unsere Sammler gern vor allem
um das neue deutsche Buch bemüht. Keiner von
ihnen wird es bedauern, wenn sein Glück ihm ge-
stattet, daneben als Maßstäbe und Landmarken auch
Proben ausländischen Meisterdrucks zur Hand zu
haben, die englischen Wegbahner, saubere Ameri-
kaner, kräftige Nordländer, besinnliche Holländer
und andere. Die Franzosen regen sich; die Russen
erwachen.

Und wenn es dem ernsten Freunde des schönen
Buches in stetiger Arbeit gelungen ist, ein Ganzes
zu vereinigen, das seinen Geschmack, seine Liebe
zur Kunst, seine Persönlichkeit widerspiegelt,
so bedenke er, daß alle seine heiße Mühe nur
Schaum und Traum sein wird, wenn eines un-
schönen Tages dieses Ganze durch gierige Hände
zersplittert wird. Er sichere sein Lebenswerk da-
durch, daß er es an öffentlicher Stelle den zahl-
losen Bücherfreunden zugänglich macht, denen
heute eigener wertvoller Besitz verwehrt ist. Das
ist ein Denkmal, dauernder als Erz.

EMIL PREETORIUS, ILLUSTRATION

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