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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931

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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.7610#0113
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LORE FELDBERG-EBER, STRASSE

ausgestellt im kunstsalon j. casper, berlin

leicht strömende Fruchtbarkeit ist ein Grundzug von Faistauers
Begabung; man spürt, wie er sich in ungehemmter Produktion
leben, ausleben fühlte. Die Selbstverständlichkeit alpenlän-
discher Barockmalerei hat sich in der Kunst dieses Salzburger
Bauernsohnes erneut. Aber dem Genuß dieser echten Boden-
ständigkeit mengt sich die Einsicht bei, wie sehr die schützende
Gebundenheit jener großen Tradition dem Enkel in Blut und
Geist ermangelte. Faistauer hat den Sinn der Malerei in
Schönmalerei gesucht und Grimschitz charakterisiert im Vor-
wort zum Katalog sein Aufgehen in der edelsten Materie.
Dieses Urteil hat eine verhängnisvolle Zweischneidigkeit; diese
Malerei ist in der Tat ein Aufgehen in Materie, ein Verzicht
auf geistige Durchdringung, ein Ruhen auf dem Geschenk der
Begabung. Die Dimension der Tiefe ist in jedem Sinn dieser
flächenschmückenden Kunst fremd; die Bildnisse sind Stil-
leben, die religiösen Bilder sind Farbenspiele
— was sie im Barock, als die innere Ergriffen-
heit der ganzen Periode dahinter stand, sein
durften —, selbst in den Landschaften zittert
nur bisweilen — in den Nachkriegsbildern um
1920 und in einzelnen der allerletzten — starke
innere Spannung. Was diese Ausstellung zeigt,
ist ein Rohstoff, der als solcher bewunderungs-
würdig bleibt, aber immer wieder durch die
Erwägung erschüttert, welche Verarbeitung uns
schuldig geblieben wurde.

Den hedonistischen Grundzug von Faistauers
Kunstauffassung — Malerei soll soviel an
Glücksgefühl auslösen, als sie nur immer kann
- unterstreicht eine kleine Ausstellung der
Galerie Würthle, die die letzten Aquarelle
von Bartholomäus Stefferl zeigt; dieser stei-
rische Künstler, dem im letzten lieft der Gra-
phischen Künste von A. Reichel eine Studie
gewidmet war, ist der Antipode des Salzbur-
gers. Wenn diesen die Antiproblematik ver-

geudet, erstickt jenen die Problematik; der
österreichischen Leichtigkeit steht in Stefferl die
nicht minder österreichische Skepsis gegenüber.
Sie macht ihm die Hand schwer und schlägt alle
Entwürfe mit Nichtvollendung; vielleicht daß in
ihm der monumentale Künstler dieser Genera-
tion reift, wenn er zur Reife gelangt. Daß
diese Ausstellung nur Blätter einer dalmatini-
schen Reise umfaßt, bei denen die Naturgegeben-
heit die inneren Bedenken zerstreut, gibt Gelegen-
heit, Fertiges von einem Künstler zu sehen,
dem es sonst um Fertigkeit in keiner Weise zu
tun ist.

Und als sollten diese Vorpostengefechte der
Saison alle Prinzipienfragen der heutigen Ma-
lerei aufrollen, bringt die Neue Galerie mit der
Kollektivausstellung Alfred Hawels einen Bei-
trag zur sozialen Funktion der Kunst. Hawel ist
achtundzwanzigjährig, Telegraphenbeamter, seit
eins, zwei Jahren von Malerei besessen, die er
mit den Mitteln neuen Sachlichkeitsprogramms
betreibt; als begabte Sonntagsmalerei, mit der
ein Unzünftiger sich des ganzen Rüstzeugs modernsten
— und sehr alten — Stils bemächtigte, ist diese Erschei-
nung nicht ausreichend charakterisiert. Hier ist ein Mann,
der das malt, was das große Publikum braucht, der also, sofern
Kunst die Befriedigung vorhandenen Bedürfnisses ist, seine
Aufgabe erfüllt; noch verleiht dabei das Unverbrauchte die-
sem späten Durchbruch einen Reiz; ein Mann von sehr be-
deutender Zähigkeit hat sich die Unberührtheit eines Kindes
bewahrt. Die Situation wird tragisch werden, sobald berufliche
Hingabe an die Kunst diesen Widerstreit aufgelöst haben und
dieser tief ehrliche Mensch gewahr werden wird, daß die
Malerei am Werktag eine andere ist wie am Sonntag; es
ist ihm die Kraft zu wünschen, über diese Krise, wenn sie
da sein wird, hinwegzukommen.

H. Tietze

LORE FELDBERG-EBER,BLANKENESE, ausgest. im kunstsalon j. casi-er, Berlin

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