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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.7610#0114
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MÜNCHEN
„Eine Sammlung von Zeitgenossen" nennt Günther Franke,
der Leiter des Graphischen Kabinetts an der Brienner Straße,
eine umfangreiche Schwarz-Weiß-Ausstellung, die durch Aus-
lese und Hängung auch auf Bekanntes neue Aspekte öffnet.
Die „Expressionisten" treten mit Nolde, Kirchner, Schmidt-
Rottluff, Klee, Marc usw. geschlossen in die Front; die Aus-
stellung betont die Vielgestaltigkeit ihrer Gemeinsamkeit und
läßt, besonders durch Einbeziehung einiger Münchner Künst-
ler, die Sonderungen nach Landschaft und Menschenart in
der deutschen Kunst deutlich hervortreten, indem etwa neben
Nolde Caspar erscheint, in dessen Graphik das schwäbische
Temperament stärker und reiner als in seiner problem-
beladenen, zwischen Münch, Corinth und Nolde geisternden
Malerei hervortritt, oder Barlachs ekstatische Visionen neben
Caspars illustrativen, weichen, biblischen Darstellungen hängen.
Ahnliche Perspektiven ergeben Vergleiche zwischen Kirchner
und Kokoschka, von Blättern Chagalls mit von ihm vielleicht
inspirierten, übrigens sehr schönen Zeichnungen Unolds von
galizischen oder ukrainischen Juden (aus den Kriegsjahren)
oder von Gulbransson, Großmann und Grosz. Beckmann
(und nächst ihm Dix) erweist sich auch in der Graphik als
stärkster Gestalter der nachexpressionistischen Epoche. Der
mit einer gut gewählten Kollektion vertretene, noch wenig
bekannte Paul Gangolf verdient Erwähnung. Der Münchner
Maler Oskar Coester überrascht mit Radier- und Stein-
drucktechnik originell verbindenden Blättern, in denen
in dem echt malerischen Temperament Coesters noch ein
Kubin verwandter Zug romantischer Ironie in die Erschei-
nung tritt.

H. Eckstein

KÜNSTLERISCH GESTALTETES LEDER

Unter dem irreführenden Aushängeschild „Leder und Mode"
hat sich eine der besten Ausstellungen verborgen, die
in den unglücklichen Hallen des Berliner Messegeländes bis-
her veranstaltet wurden. Man konnte beim besten Willen
nicht ahnen, daß diese bescheidene Firma eine mit großer
Umsicht vorbereitete Ausstellung deckte, in der ungefähr
alles zu sehen war, was menschlicher Kunstfleiß im Material
des Leders gestaltet hat, ein Querschnitt durch die Zeiten
von den Ägyptern bis heute und durch die Länder von
Asien nach Europa, ein ebenso völkerkundlich wie kunst-
historisch erstaunlich reichhaltiges und aufschlußreiches
Material, dessen Grundstock aus dem von Professor Eberhard
vorzüglich geleiteten Offenburger Leder-Museum stammte.

Wer sich unter einem Leder-Museum ebensowenig wie
unter einer Leder-Ausstellung vorzustellen vermochte, wutde
hier eines Besseren belehrt, da Leder für ungefähr alle
Zwecke des Gebrauchs Verwendung zu finden vermag, vom
Trinkgefäß und Musikinstrument bis zur Bekleidung, von
Taschen und Koffern bis zum Buch in Pergamentblatt und
Einband. Am kostbarsten war die aus vielen Museen und
Sammlungen zusammengebrachte Abteilung von Minnekäst-
chen und kirchlichen Geräten der Spätgotik und der Re-
naissance, vorzüglich die Abteilung der Bucheinbände, auf-
schlußreich die Darstellung der Fußbekleidungen aller Völker
und Zeiten, eindrucksvoll eine Reihe lederner Tanzmasken.
Bedauerlich nur, daß der große Aufwand ohne rechten Nutzen
vertan war, da die Ausstellung geschlossen werden mußte,
ehe es in den Kreisen, die es anging, sich herumgesprochen
hatte, daß am Funkturm etwas zu sehen sei, das die Mühe
des weiten Weges belohnte. G.

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