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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.7610#0204
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W. LEIBL, MÄDCHENKOPF. SIG.93

SAMMLUNG MAX BÖHM. VERSTEIGERUNG
AM 28. JAN. BEI RUDOLPH LEPKE, BERLIN

28,5: 23 cm

modellierte Brustbild eines jungen Mädchens von Guercino
(51) erwarb Professor Singer-Prag für 410 Mark. Erwähnens-
wert unter den Zeichnungen des achtzehnten Jahrhunderts
ist vor allem die lufterfüllte „Baumlandschaft" von Gains-
borough (47), die 900 kostete und die 1773 datierte, allzu
typische Rokokozeichnung von Desrais (37), die für 400 Mark
an Wertheims Altkunst ging.

*

Die Versteigerung der Wiener Sammlung Castiglioni, die
am 28. und 29. November unter Leitung von Paul Graupe
von den Firmen Ball und Graupe vorgenommen wurde, bot
das reiche, in seiner Qualität zwar ungleichmäßige Material
völlig unlimitiert aus. Bei sehr reger Beteiligung eines zahl-
reichen und kauflustigen Publikums ist das Gesamtergebnis
— rund 700000 Mark — als beträchtlich zu bezeichnen, wo-
bei man allerdings den Anschaffungspreis der einzelnen Ob-
jekte noch weniger in Betracht ziehen darf als im Fall
Straus-Negbaur.

Obgleich der Hauptbestand italienisch war, brachte ein
Entwurf von Rubens den höchsten Preis unter den Gemälden:
der „Sonnenwagen des Phoebus", eine Malerei, deren lichte
Pracht die Schwere der jäh verkürzten Körpermassen über-
windet. Nach erbittertem Duell siegte die Galerie Matthiesen
mit 35000 Mark. — Van Dycks wirkungsvoll komponierte
„Himmelfahrt Christi" (44) brachte 10200, Gerard David (34,
zwei Heiligenllügel von einem Triptychon) 12 000, Lucas
Cranach (35/36) mit einem Sittenbild und einer Lukretia
7400 und 4800 Mark. Die erlesene Malerei eines männlichen
Bildnisses von einem „Schwäbischen Meister um 1520" (38)
ging für 16500 Mark weg. Das früheste der italienischen
Gemälde, eine florentiner Holztafel aus dem vierzehnten
Jahrhundert mit der Kreuzigung Christi (1), wurde mit 4300
zugeschlagen, ein beschauliches Marienbild von Bacchiacca (8)
mit 5600, das prunkvolle Porträt einer Medici-Prinzessin von

CARL SPITZWEG, DER PHILOSOPH

SAMMLUNG MAX BÖHM. VERSTEIGERUNG
AM 28. JAN. BEI RUDOLPH LEI'KE, BERLIN

37: 28 cm

Bronzino (12) mit 15200 Mark. Ein großes Doppelbildnis
von Jacopo Tintoretto (13) aus der Sammlung von Holitscher
wurde mit 5100 bewertet, zwei Ansichten von Canaletto
(29/30) mit 5200 und 7800 Mark. Eine häusliche Szene (56)
ging für 9300 Mark nach Paris. Dagegen konnte man den
caravaggiesken Bacchusknaben (43) schon für 2250 Mark er-
werben.* — Hohe Preise unter den Zeichnungen erzielte das
Rötelblatt mit acht Bewegungsstudien von Jacopo Tintoretto
(60), nämlich 3450, und Francesco Guardis Feder- und Pinsel-
zeichnung (63) einer Ansicht von Venedig — 3600 Mark. Drei
Reliefs von Andrea della Robbia (93—95) brachten 3000,
5100, 4200 Mark. Die herrliche Bronze von Giambologna
(296, Herkules und der Kentaur Nessus) aus der Sammlung
Huldschinsky stieg auf 10000, der Kampf des Herkules mit
Antaeus auf 9000 Mark. Von den kunstgewerblichen Gegen-
ständen seien hier nur die beiden 1718 für August den Starken
angefertigten Prunkllaschen (358) des Augsburger Meisters
Christoph Warmberger genannt, die auf 15000 stiegen, und
ein Paar ziselierte Rokokoleuchter des Dresdeners Chr. Heinr.
Ingermann, die 16000 Mark erzielten. — Am letzten Nach-
mittag der Versteigerung, als Keramik, Tapisserien, Textilien
ausgeboten wurden, gingen die erzielten Preise fast durch-
weg über die Schätzungspreise weit hinaus.

Das Antiquitätenhaus Wertheim versteigerte am 11. Dezem-
ber die Sammlung niederländischer Gemälde aus der Berliner
Sammlung Carl Bechstein und aus ausländischem Besitz, sowie
eine Sammlung Berliner Malerei. Den höchsten Preis, 5300,

* Trotz der Anklänge an das Bacchusbild im Städel hat doch die Be-
stimmung auf Simon Vouet viel für sich: das Kühl-Sinnliche und Be-
wußte, Abwartende im Ausdruck, die gehaltene Pracht der königsblauen
Draperie, die gläserne Köstlichkeit der Trauben, der Linienreiz des starr
gezackten Blattwerks, das temperierte Dunkel der Fleischschatten sind
Merkmale, die nach Frankreich weisen.

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