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Kladderadatsch: Organ für und von Bummler (ab August:) Humoristisch-satyrisches Wochenblatt — 2.1849

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Hefte 32-35, August 1849
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https://doi.org/10.11588/diglit.2230#0130
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12«

Das A W V der aeaea Kaarmer.

Die neue Kammer ist wie ein
Tcnker, denn sie soll das Staatsschiff retten; sie ist aber nicht wie ein Anker,
denn sie sindct nirgends Grund.
Sie ist wie die
Börse» denn sic verlangt man solle ihre Wechsel statt baarcr Münze annchmcn;
sie ist aber nicht wie die Börse, denn ihre Wechsel haben kein Accept.
Sie ist wie
Cichorie ein schlechtes Surrogat für edlen Trank; sic ist aber nicht wie
Eichorie, denn sic schmeckt nach Juchten.
Sie ist wie ein
Dubelsaek, denn nach ihr soll unser Geld tanzen; sic ist aber nicht wie ein
Dudelsack, denn sic quitscht nicht einmal wenn sic gepreßt wird.
Sic ist wie eine
Ghe, denn jeder will darin Recht haben; sic ist aber nicht wie die Ehe, denn
Niemand will aufs Tranen sich ciulassen.
Sic ist wie das
Feuer, sie wird sehr viel verzehren; sie ist aber nicht wie das Feuer, sie
wird kein Licht von sich gebe».
Sie ist wie ein
Götzenbild, denn sie ist stumm; sic ist aber nicht wie ein Götzenbild, denn
sie wird nicht verehrt.
Sie ist wie eine
Hofbühnc, denn sie agirt ans Höchsten Befehl; sie ist aber nicht wie eine
Hofbühnc, denn cS fehlt ihr diesmal der DiScant.
Sic ist wie eine
Jungfrau, den» dicDemokratcn möchten sie gern heimführen; sic ist aber
nicht wie eine Jungfrau, denn sie will nichts von Freien hören.
Sie ist wie eine
Kanone, denn sie ist die Ultima rslio llegis; sie ist aber nicht wie eine
Kanone, denn es ist verboten sic zu richten.
Sie ist wie eine
Lotterienummer, denn sic macht dem Volke Hoffnungen; sie ist aber nicht
wie eine Lotterie,»immer, denn cs mag Niemand auf sie setzen.
Sic ist wie ein
MaulwurfShaufen, denn sic besteht ans dem Aufwurf des Landes; sic ist
aber nicht wie ein MaulwurfShanscn, denn es ist kein Wühler darin.

Sic ist wie ein
Notenbuch, denn es soll daraus dem Volke aufgespiclt werden; sie ist
aber nicht wie ein Rotenbuck,, denn Noten haben Köpfe.
Sic ist wie ein
Qrben, denn Orden sind überflüssig; sie ist aber nicht wie ein Olden, denn
sic kann Niemandem als Auszeichnung dienen.
Sic ist wie eine
Posse, denn nnr Komiker treten darin auf; sie ist aber nicht wie eine Posse
denn sic macht dem Volke keinen Spaß.
Sie ist wie eine
Quittung, denn sic soll alle Zusagen quittircn; sie ist aber nicht wie eine
Quittung, denn das Volk verlangt, daß sie Rechnung trage.
Sie ist auch wie eine
Rechnung, denn sic soll sich mit Zahlen befassen; sic ist aber keine Rechnung,
den» grade, wenn sic nicht »ach Verlangen stimmt, wird sie aufgelöst weiden
Sie ist wie ein
Springer, denn sic geht von Schwarz auf Weiß und von Weiß auf Schwarz;
sic ist aber nicht wie ein Springer, denn sie darf niemals Schach bielen.
Sie ist wie eine
Tobtenkammer, denn «S ist kein Leben darin; sie ist aber nicht wie eine
Todtcnkammcr, denn sic besteht aus lebendige» Leiche».
Sie ist wie eine
Nhr, denn sic wird vom Ministerium aufgezogen und gestellt; sie ist ab,r
nicht wie eine Uhr, denn sie geht rückwärts.
Sie ist wie eine
.Verfassung, denn sic cristirt nur zum Schein; sie ist aber nicht wie eine
Verfassung, denn man wird sie so lange als möglich halten.
Sic ist wie ein
Wunder, denn wir müsse» an sie glauben; sic ist aber nicht wie ein Wund»,
denn cS ist erlaubt an ihr zu zweifeln.
Sic ist wie
-keres-Wein, gut für den Appetit der Junker; sic ist aber nicht wie keres-
Wein, denn es fehlt ihr an Sprit.
Sie ist endlich wie ein
Zopf, denn sie ist ein ministerielles Angebinde; sie ist aber nicht wie
ein Zopf, denn kein Vernünftiger mag auf solchen Zopf anbeißcn.
Kladderadatsch.


Die Deputation der städtischen Behörden, welche neulich dem Oberbürger-
meister a. D. Krausnick das S tadtältesten - Diplom überreichte, wurde
sehr gnädig von demselben anfgeucmmen. Er ließ sich die einzelnen Mitglieder
der Deputation vorstellc» und geruhte, sich mit jedem derselben einige Minuten
freundlich zu unterhalten.
Eine weniger gnädige Aufnahme soll den Herren von der Frau Obcrbürger-
mcistcrin a. D. zu Theil geworden sei». Dieselbe kann sich weder in die Ehre
noch in das Glück sindc», zur Stadt-Uelteskcn ernannt zu sein.

Ala Leitartikel der Deutschen Reform erscheint nächstens: „Deutsch-
land vom dustern Keller besehen."

Leichen, welche gerochen zu werden wünschen, wollen sich gefälligst vom
7. August ab wieder bemühe» zu
G r ü tz h e i m,
in den Vormittagsstunden am DönhofSplatz zu sprechen.

Bei den, in Folge des ncugestiftcten weiblichen Treubundes bevorstehenden
zahlreichen Duellen, empfehle ich dem hohen Adel und dem gebildeten Publikum
meine Schleifanstalt, woselbst ungeschliffene Degen und ritterliche Schwerter haar-
scharf und sanftschncidcnd geschliffen werden.
Hautihm,
Junkerstraße 77.

le 1 o n.
Als ein Beweis der niederträchtigen Eorruptirn, welche durch daS Hcinbler-
thum des schwarz-weißen Ungeziefers und TrenbundgesindclS an umcrem 'bc.i
bereits zu fressen beginnt, führen wir folgendes augenverdrehcrischc Inserat anS
der Beilage zu Nr. l8I. des Berliner JntclligenzblatteS vom I. August I8ck9 an:
„Ein Bedienter, der nach dem Tode seines Herrn aus dessen Fabrik arbeitet,
sucht wieder eine Stelle als Bedienter. Eomtoirbotc oder Portier. Er besitzt die
besten Atteste hoher Herrschaften, ist Mitglied dcS Treu-Bundes u»b
Freund des Bibelbuchs. Zu erfragen Lindenstraßc Nr. ckck bei Seifsttt-

Dic kleinen Gitterthüren des Schlosses sind wieder geöffnet. Mt den
großen Thoren des Schlosses soll das Berliner Volk gar nichts mehr Z"
thun haben.
Ein Literat, der cS versteht, SiegcSnachrichten mit dem Anschein höcksitc
Glaubwürdigkeit zu fabrizircn, wird gegen Zusicherung eines hohen Gehalts
u»b einiger hoher Orden gesucht. DeSsallsigc Meldungen nimmt das Jntelligk"!'
Comtoir an, unter den Ziffern li. O '1'. ll.

Der Magistrat und die Stadtverordneten von Berlin, gehen bekanntlich
dem großen Gedanken schwanger, Herrn Wrangel znm Ehrenbürger von Bertm
zu ernennen. Er soll als die höhere Einheit der Dritte im Bunde der Hc""
Heinrich Gagern und Nicolai Romanow werden.
 
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