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Kladderadatsch: Humoristisch-satirisches Wochenblatt — 8.1855

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Hefte 16-20, April 1855
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https://doi.org/10.11588/diglit.2236#0069
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Nr. 1«.

Berlin, den 15. April 1855.

8» Jahrgang.


tvochcnkalender

Einer macht — so spricht das Schicksal -
Platz dem Andern auf der Erde:
Nach dem Untergang der Menschen
Kommt die Herrschaft an die Zwerge:
An die winzig klugen Leute,
Welche jeden Mittag pünktlich
Emsig lausend und agirend
An der Börse sich versammeln —
Mit den pstsfig kleinen Köpfchen
Und den muntern Rattenaugen.
Wie sie durcheinander schlüpfen:
»Friede, Friede! Jetzt wird Friede!'


der Zukunft.
„Die Franzosen ziehen heimwärts,
„Und Alt-England bleibt ein
Lümpchcn,
„Oestreich fragt schon wicderzärt-
lich:
„Sage, Rußland, liebst du mich?'
Vor der Goldmacht jener Knirpse
Flüchten sich die dummen Riesen
In den kalten Wasserhimmel,
Und die Erde bleibt den Zwergen.
Und die Erde bleibt den Zwergen
Und den kleinen Taschendieben,
Und die menschliche Geschichte
Wird — ein alter Leitartikel.
Kladderadatsch.

Humon'ftisch- saliirisches MocheiMntt.

Dieses Blatt erscheint täglich, mit Ausnahme der Wochentage. — Man abonnirt mit 21 Sgr. vierteljährlich für 15 Nummern bei allen Buch-
handlungen sowie bei den Postanstalten de« In < und Auslande«. Jede einzelne Nummer kostet l ^ Sgr. Die Redaktion.

kGMliMMgkkit! lliMerlDigkeit! ilnkntschiedenheitld'Z

Heut freundlich, morgen grimmig — heut lächelnd, morgen zürnend — heut warm und
morgen kalt!
o^G^Urtbeftän-igkeit
du Mutter aller Launen, du Amme trügerischer Hoffnungen, du Gouvernante kindischer Furcht, du Quell
aller faulen Wechsel, du Grund aller Scheingründe, aller Täuschungen und Enttäuschungen!
du Zwillingsschwester der Unbeständigkeit, die du Alle zum Narren hältst die Vertrauen haben — übernimmst,
was du nicht ausführcn, und unterlässt, was du ausführen kannst — die du versprichst, aber nie Wort
hältst, abschließest und deinen Namen verleugnest — du Ding ohne Treue und Glauben, du Zusage
ohne alle und jede Garantie!
Unentschiedenhei
du Drillingsschwester der beiden Anderen! Du große weltgeschichtliche Sünderin, die du buhlst mit der
ganzen Welt! Du Coquettc, die nur anlockt und verheißt und hoffen läßt, aber nie Gewährung gibt — die
du immer gern möchtest, aber nie etwas willst: fliegen möchtest, aber zu träg bist, dich zu erheben;
brechen, aber dich fürchtest etwas zu trennen; vorwärts gehen, aber nicht müde wirst zurückzuschauen!
Du Inbegriff der Hangenden, bangenden und schwebenden Pein! Du Feindin der frisch aufkeimendcn und auf-
strebenden Generation, die du uns zurückführst die Stürme der Vergangenheit und heraufbeschwörst den Eis
hauch des Ostens —
Unbeständigkeit, Unzuverlässigkeit, Unentschiedenheit, —
du Drillingsgeburt der Gegenwart — — — — dein Name ist — — — — — —
 
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