80
Antr-Luana.
Braun und blau, grün, gelb und jämmerlich.
ll
och immer wollt' es Len; nicht werden,
Noch kämpfte um das Reich der Erden
Der Frühling mit des Winters Groll —
's war eine Nacht, recht schaucrvoll,
ne grimm'ge Nacht, wo nur mit Fluchen
Der Schutzmann seine Pfeife raucht,
Und man den Wächter lang' muß suchen —
ne Nacht der stürmischen Verwild'rung,
Kurz, eine Nacht, zu deren Sckild'rung
Zwei Seiten Herr von Putlitz braucht.
Solch' eine Nach! war'S, die dem Tag
Die Erde wieder abgcnommcn;
Zum Lager, wo ich müde lag,
War längst der Schlummer schon gekommen.
Zwar leuchtete mit bleichem Scheine
Nicht durch die scidnen Beitgardinc»
Der Mond — Warum? Ich habe keine.
Item gesteh' ich offen Ihnen,
Daß nicht der Daunen weicher Flaum
Schwellt meiner Kiffen scidnc» Saum;
O nein — ich schlafe wie 'ne Ratze
Aus einer simplen Stroh Matratze.
Auch klopfen nicht vo» wildem Wein
Die Ranken an das Fenstcrlcin
Von meinem engen Schlafgemachc —
Warum? Ich wohne auf dem Dache.
So stört mich Nichts in meinem Schlummer.
ES zwingt mich weder Gram noch Kummer,
Daß ich die Nächte bang durchwache.
Auch bin ich leider so gesund
An Milz und Leber, Kops und Magen,
Daß nie mich böse Träume und
Verzwickte Gaukelbilder plagen.
Und doch hat mich schon längst beseelt
Der Wunsch, 'mal recht genau zu wissen,
Wie'S Einem ist, dem Schlummer fehlt,
Der ruhlos sich aus seinem Kiffen
Von heißer Phantasie gequält
Umhcrwälzt, und in Traumgcstalten
Dem Denken Poesie vermählt.
Um eine Nacht mich wach zu halten,
Damit ich endlich dies erführe,
Halt', als aufregende Lccture,
Putlitz' „Lira»»" ick erwählt.
Ich las und las, um zu erwärmen;
Dock als ick, Seite 9, beim „Traum"
Mit meinem Lesen angekommcn,
Da hatte schon mit weichen Armen
Des Schlummers Gott mich ausgenommen
Und wiegte süß mich selbst in Traum.
Da nabt auf einmal mir ein seltsam Weib:
Das Haupt geschmückt nitl mancher Gänsefeder,
Den Fuß in Goldschnitt, und den magern Leib
Eng eingeschnürt in goldgcprcßteS Leder.
DaS Haar einst blond, jetzt stark vermischt mit Grau;
Die hohe Stirn von vieler Jahre Fallen
Durchfurcht, daS Auge groß und dunkelblau;
Dem tobten Marmor gleich, dem bleichen, kalten,
Des Angesichtes Farbe — doch genug!
Den klaren Stempel einst gcwcs'ncr Schöne
Trug unverkennbar auch der kleinste Zug,
Und ihre Rede klang wie Sanges Töne.
Wer bist du ? — Wer ich bin? Kennst du mich
nickt?
Daß ich so fremd geworden, glaubt' ick nie!
Ich bin — ja ja, schau' mir nur ins Gesicht! —
Bin die romant'sche Deutsche Poesie.
Einst spielt' ich mit Sccptcr, mit Krone und
Stern;
DaS Volk meiner Deutschen beglückt'ich so gern!
Ich führt'sie zur Größe, ich führt'sic zum Licht—
Mein mütterlich Streben erkannten sie nicht!
Bald war ich veraltet, bald stand ich allein —
O selig, o selig, ein Kind noch zu sein!
Später kamen andre Götter,
Andre Zeiten, ander Wetter,
Andre Menschen, andre Lehren,
Deren ich mich nickt könnt' wehren.
Unromant'sche Sansculotten
Wagten meiner frech zu spotte»,
Ließen mich mit Hunden Hetzen,
Riffen mein Gewand in Fetzen,
Warfen vor mich ihrem Götzen,
Ihrem Moloch — der Vernunft!
Der Vernunft der „freien Denker,"
Der verwünschten — — Hol' der Henker
Ihre ganze Irit'schc Zunst!
Und so kam ich auf den Hund,
Bis mein süßer Liedcrmund,
Bis mein letzter Jünger Ti eck
TodcSstumm auf immer schwieg —
Bis mit meinem Sängerknabcn
Müd' auch i ch mich ließ begraben,
Und wir ruhten alle Beide
In dem Sand der Hasenhaibc.
Doch selbst in des Sarges Truhe
Gönnt mir Deutschland keine Ruhe;
Und ein neu Geschlecht erstand,
Dessen Epigonen-Jünger
Mich aus meines Grabes Sand
Scharrten mit verwegnem Finger.
AIS der neuen Zeit Bezwinger
Wollen sie mit ihren Schwächen
Für mich eine Lanze brechen,
Und nach Ritter-Brauch und Pflicht
Schleudern sie ihr ins Gesicht
Keck den Handschuh; — doch ich sch',
Er ist leider nur — 61 »cö.
Putlitz, Rcdwitz — lauter liyige,
Witzige und noch andere „Jtzige",
Alles stramme muntre Junker,
Reiten vor mit Kampfgcdankcn;
Offen stehn für sie die Schranken
Stets bei Alexander Dunckcr,
Der in des Schaufensters Brüstung
Alle stellt in goldncr Rüstung.
Und da stehn sie, Alle, Alle,
Mir zum Acrgcr und zum Hohn!
Uebcr läuft mir schier die Galle;
Drum komm' ich zu dir, mein Sohn
Kladderadatsch! Sei du mein Ritter!
Kämpfe muthig, kämpfe bitter,
Streite ohne alles Schonen
Gegen diese abgehärmten,
Diese mondscheinnachtverschwärmten,
Unwahren und manierirten
Pseudo - Dichter - Epigonen,
Die aus Maskcnzardcrobcn
Ritterlich sich nur stasfirten!
Halte deinen Arm erhoben
Gegen Alle diese Sckimmerer,
Diese lahmen Jambenzimmerer,
Zahmen Dithyrambenwimmerer,
Deren Bücher nur „Vielliebchen"
Sind für Toilcltenstübchcn,
Gut als werthlos leichte Waare
Nur für Mädchen-Bouboirc;
Deren Lieder, wie wir jeden
Höchstens „gut gebunden" gehen —
Lach' mit deinem breitsten Munde,
Lach' sie allcsammt zu Grunde!
Denn die Zeit ist gar zu ärmlich,
Die« Geschlecht gar zu erbärmlich,
Daß aus ihm noch eine neue
Frische Poesie gedeihe!
Muthlos, gluthlos und pedantisch,
Alles nur Pygmäen, Zwerge!
Nur die Lüge wächst gigantisch,
Sie ist stark — der Riese AthoS,
Der versetzen kann die Berge,
Und im Spott nur wohnt noch Pathos!
Sage da« den Dichterlingen,
Sage da« den leichten Vögeln!
Wenn sic nach romani schen Regeln
Dann noch fingert — laß sie singen!
Du jedoch, mein lieber Sohn,
Nimm jetzt meine Mission!
Nimm dich meiner an des Weitern:
Rette mich von meinen Rettern;
Und bis zu dem großen Matsch
Der da kommt, in Donnerwettern
Diese faule Welt zu läutern,
Sei du mein — mein
Kladderadatsch!
Antr-Luana.
Braun und blau, grün, gelb und jämmerlich.
ll
och immer wollt' es Len; nicht werden,
Noch kämpfte um das Reich der Erden
Der Frühling mit des Winters Groll —
's war eine Nacht, recht schaucrvoll,
ne grimm'ge Nacht, wo nur mit Fluchen
Der Schutzmann seine Pfeife raucht,
Und man den Wächter lang' muß suchen —
ne Nacht der stürmischen Verwild'rung,
Kurz, eine Nacht, zu deren Sckild'rung
Zwei Seiten Herr von Putlitz braucht.
Solch' eine Nach! war'S, die dem Tag
Die Erde wieder abgcnommcn;
Zum Lager, wo ich müde lag,
War längst der Schlummer schon gekommen.
Zwar leuchtete mit bleichem Scheine
Nicht durch die scidnen Beitgardinc»
Der Mond — Warum? Ich habe keine.
Item gesteh' ich offen Ihnen,
Daß nicht der Daunen weicher Flaum
Schwellt meiner Kiffen scidnc» Saum;
O nein — ich schlafe wie 'ne Ratze
Aus einer simplen Stroh Matratze.
Auch klopfen nicht vo» wildem Wein
Die Ranken an das Fenstcrlcin
Von meinem engen Schlafgemachc —
Warum? Ich wohne auf dem Dache.
So stört mich Nichts in meinem Schlummer.
ES zwingt mich weder Gram noch Kummer,
Daß ich die Nächte bang durchwache.
Auch bin ich leider so gesund
An Milz und Leber, Kops und Magen,
Daß nie mich böse Träume und
Verzwickte Gaukelbilder plagen.
Und doch hat mich schon längst beseelt
Der Wunsch, 'mal recht genau zu wissen,
Wie'S Einem ist, dem Schlummer fehlt,
Der ruhlos sich aus seinem Kiffen
Von heißer Phantasie gequält
Umhcrwälzt, und in Traumgcstalten
Dem Denken Poesie vermählt.
Um eine Nacht mich wach zu halten,
Damit ich endlich dies erführe,
Halt', als aufregende Lccture,
Putlitz' „Lira»»" ick erwählt.
Ich las und las, um zu erwärmen;
Dock als ick, Seite 9, beim „Traum"
Mit meinem Lesen angekommcn,
Da hatte schon mit weichen Armen
Des Schlummers Gott mich ausgenommen
Und wiegte süß mich selbst in Traum.
Da nabt auf einmal mir ein seltsam Weib:
Das Haupt geschmückt nitl mancher Gänsefeder,
Den Fuß in Goldschnitt, und den magern Leib
Eng eingeschnürt in goldgcprcßteS Leder.
DaS Haar einst blond, jetzt stark vermischt mit Grau;
Die hohe Stirn von vieler Jahre Fallen
Durchfurcht, daS Auge groß und dunkelblau;
Dem tobten Marmor gleich, dem bleichen, kalten,
Des Angesichtes Farbe — doch genug!
Den klaren Stempel einst gcwcs'ncr Schöne
Trug unverkennbar auch der kleinste Zug,
Und ihre Rede klang wie Sanges Töne.
Wer bist du ? — Wer ich bin? Kennst du mich
nickt?
Daß ich so fremd geworden, glaubt' ick nie!
Ich bin — ja ja, schau' mir nur ins Gesicht! —
Bin die romant'sche Deutsche Poesie.
Einst spielt' ich mit Sccptcr, mit Krone und
Stern;
DaS Volk meiner Deutschen beglückt'ich so gern!
Ich führt'sie zur Größe, ich führt'sic zum Licht—
Mein mütterlich Streben erkannten sie nicht!
Bald war ich veraltet, bald stand ich allein —
O selig, o selig, ein Kind noch zu sein!
Später kamen andre Götter,
Andre Zeiten, ander Wetter,
Andre Menschen, andre Lehren,
Deren ich mich nickt könnt' wehren.
Unromant'sche Sansculotten
Wagten meiner frech zu spotte»,
Ließen mich mit Hunden Hetzen,
Riffen mein Gewand in Fetzen,
Warfen vor mich ihrem Götzen,
Ihrem Moloch — der Vernunft!
Der Vernunft der „freien Denker,"
Der verwünschten — — Hol' der Henker
Ihre ganze Irit'schc Zunst!
Und so kam ich auf den Hund,
Bis mein süßer Liedcrmund,
Bis mein letzter Jünger Ti eck
TodcSstumm auf immer schwieg —
Bis mit meinem Sängerknabcn
Müd' auch i ch mich ließ begraben,
Und wir ruhten alle Beide
In dem Sand der Hasenhaibc.
Doch selbst in des Sarges Truhe
Gönnt mir Deutschland keine Ruhe;
Und ein neu Geschlecht erstand,
Dessen Epigonen-Jünger
Mich aus meines Grabes Sand
Scharrten mit verwegnem Finger.
AIS der neuen Zeit Bezwinger
Wollen sie mit ihren Schwächen
Für mich eine Lanze brechen,
Und nach Ritter-Brauch und Pflicht
Schleudern sie ihr ins Gesicht
Keck den Handschuh; — doch ich sch',
Er ist leider nur — 61 »cö.
Putlitz, Rcdwitz — lauter liyige,
Witzige und noch andere „Jtzige",
Alles stramme muntre Junker,
Reiten vor mit Kampfgcdankcn;
Offen stehn für sie die Schranken
Stets bei Alexander Dunckcr,
Der in des Schaufensters Brüstung
Alle stellt in goldncr Rüstung.
Und da stehn sie, Alle, Alle,
Mir zum Acrgcr und zum Hohn!
Uebcr läuft mir schier die Galle;
Drum komm' ich zu dir, mein Sohn
Kladderadatsch! Sei du mein Ritter!
Kämpfe muthig, kämpfe bitter,
Streite ohne alles Schonen
Gegen diese abgehärmten,
Diese mondscheinnachtverschwärmten,
Unwahren und manierirten
Pseudo - Dichter - Epigonen,
Die aus Maskcnzardcrobcn
Ritterlich sich nur stasfirten!
Halte deinen Arm erhoben
Gegen Alle diese Sckimmerer,
Diese lahmen Jambenzimmerer,
Zahmen Dithyrambenwimmerer,
Deren Bücher nur „Vielliebchen"
Sind für Toilcltenstübchcn,
Gut als werthlos leichte Waare
Nur für Mädchen-Bouboirc;
Deren Lieder, wie wir jeden
Höchstens „gut gebunden" gehen —
Lach' mit deinem breitsten Munde,
Lach' sie allcsammt zu Grunde!
Denn die Zeit ist gar zu ärmlich,
Die« Geschlecht gar zu erbärmlich,
Daß aus ihm noch eine neue
Frische Poesie gedeihe!
Muthlos, gluthlos und pedantisch,
Alles nur Pygmäen, Zwerge!
Nur die Lüge wächst gigantisch,
Sie ist stark — der Riese AthoS,
Der versetzen kann die Berge,
Und im Spott nur wohnt noch Pathos!
Sage da« den Dichterlingen,
Sage da« den leichten Vögeln!
Wenn sic nach romani schen Regeln
Dann noch fingert — laß sie singen!
Du jedoch, mein lieber Sohn,
Nimm jetzt meine Mission!
Nimm dich meiner an des Weitern:
Rette mich von meinen Rettern;
Und bis zu dem großen Matsch
Der da kommt, in Donnerwettern
Diese faule Welt zu läutern,
Sei du mein — mein
Kladderadatsch!