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AlleMterthlinigste Petition an die hohen Westmächte.

Hochverehrte Westmächte, Wohlgcboren!

Nickt etwa in der Absicht, einen neuen oricntalischcn Krieg oder ähnliche» Krakehl zu veranlassen, sondern in einer wirklich ernsten
Angelegenheit und von einer drohenden Gefahr bedrängt, sehen wir uns in der Lage, uns hilfesuchend an Ew. Wohlgeboren vereinte Huma-
nität zu wenden.

Hohe Westmächte! Ihre Menschenfrcnndlichkeit ist uns bekannt. Wir wissen, Ihre Theilnahine für nnversckuldetcs Leide» ist so
gross, dass Sie. um einer in ihrer Existenz bedrohten hohen Pforte beizustehen, selbst einen mehrjährigen Krieg nicht scheuten. Nun gui!
Auch unsere Pforten sind bedroht! Sic sind zwar nicht hoch, aber desto zahlreicher; und ihre Erhaltung ist für unser Fortbestehen
wichtiger, als cS für das Fortbestehen Enropa's die Erhaltung der hohen Pforte jemals gewesen sein oder noch werden kann.

Geehrte Westmächte, lesen Sic die Volkszeitung? Dann werden Sic hinten aus den „Formen des thicrische» LcbenS"
wisse», dass das Zcllen-St'stem als Grundform der ganzen lebendigen Natur so wie anderer Zuchthäuser und Strafanstalten sich erfolgreich
bewährt hat. Warum sollen wir allein unter allen Wesen uns seiner Wohlthaten nicht erfreuen dürfen? Hat etwa unser bisheriges Ver
hallen uns derselben unwürdig gemacht? WaS haben wir gethan, das nach de» Gesetzen und Sitten unseres Landes verboten oder verfängt
sich wäre? Haben wir unS zu politischen Demonstrationen verleiten lassen? Haben wir Vereine gestiftet? Sind unsere Kellner
weiblichen Geschlechts gewesen? Haben wir jemals für die Presse geschrieben? Haben wirdurch Verbreitung naturwissen
schaftlichcr Kenntnisse die Sicherheit der Traditionen untergraben? Haben wir an feuergefährlichen Orten geraucht? Haben
wir jemals links gewählt? Haben wir Litfaß'sche Zettel abgerissen? Haben wir auf Russland geschimpft oder sonst irgend
Etwas gethan, wodurch ein nachtheiligcs Licht auf unsere Gesinnungen geworfen werden könnte? Nichts von Allem! Nein, unser Gewissen
ist reiner als unsere Tischtücher und Serviette»! Und dennoch sehen wir uns von einer Maßregel bedroht, durch deren consequente Durch-
führung unser Zellengewebe einen gefährlichen Riss erhalten, und unS das Fell über die Ohren gezogen werden dürfte. Man will unsre
Divans deS Schutzes ihrer Pforten berauben! Hohe Westmächte, wissen Sie was das heißt? Das heisst: den Schleier der diplo-
matischen Diskretion zerreißen und die zartesten Geheimnisse der intimsten Verbindungen den zudringlichen Blicken profaner Neugier blosslegen.
Das heisst: in einer Zeit, deren Strömung auf die Erhaltung oder Wiederherstellung der Sonder-Jntcressen und der Geschlechts-,
Standes- »nd Corporalions-Jndividualitäten möglichst hingclentt werden soll, die Persönlichkeiten der unS frequentirenden
Geschlechter und Stände aufhcbcn und in den wüsten Urbrei eines allgemeinen PublicumS zusammenrühren! DaS heisst:
in unserem Jahrhundert der Humanität einen Vorzug, dessen selbst der pcnnsilvanische Züchtling sich ungehindert erfteuen darf, dem unbe-
scholtenen Bürger und Bewohner einer anständigen Residenz missgönnen! Das heisst endlich: ein ganzes Geschlecht, welches sich durch
mehrjährige Ucbung für eine wenigstens unterirdische Gleichberechtigung mit dem anderen genügend vorbereitet, plötzlich und unverdient
von dem Genuß derselben ausschließcn und der bisher uneingeschränkten Herrschaft unserer Katakomben daS Salische Gesetz mit Ge-
walt octroyiren!

Hohe Westmächte, werden Sie, können Sie dergleichen in einem Nachbarstaate dulden? Nein, Sic werden, Sic können cS nicht!
Auf Ihre Hilfe bauend, wenden wir unö an Sie, da Sie gerade vom letzten Mal noch so hübsch beisammen sind. Retten Sie!
Helsen Sie! Jntervenircn Sie! Aber bald; denn daS Messer sitzt unS an der Kehle, und daS Wasser geht schon bis an unseren Ha/s!
Sie haben nicht nur das Recht, Sie haben auch die Pflicht cS zu thun; denn als Pariser, Englische, Helgolönjder, Cap- ». s.w.
Keller sind wir durch die Bande der Nationalität an Sic gekettet. Auf Ihre Intervention bauen wir die Hossnung unserer Zukunft; Sic
machen ja jetzt Alles! Treten Sie vor den Riss unserer Pforten! Halb hat man uns schon unter die Erde gebracht; Sic werden unS
nicht ganz sinken lassen!

Die vereinigte» Wein- und Dclicatcffen-Keller von Berlin.


Die kleine Flotte.

Aus dem Leben eines großen Mannes.

Wach' auf, wach' auf, Frau Jahdc,
ES wehl der Morgenwind!

Am fernen FelSgeflade
Verwundet ward dein Kind:

Es fah in Blut gebadet

Beschimpft des Banners Glanz-

Wach' auf! die Woge ladet
Zu blut'gem Waffenlanz!

In deinem Busen wühlet
Der erste herbe Schmerz,

Und Multersorge fühlet
Znm erste» Mal dein Herz.

Er lag an deinen Brüsten,

Tu zogst und sogst ihn groß;

An unwirthbaren Küsten
Jetzt traf ihn finstre« LooS.

DaS Räubervolk, da« freche,

ES harret blut'gen Lohn«.

Wach' auf, wach' aus, und räche
Die Ehre deines Sohn«!

Laß wch'n da« makellose,

Da« Banner neu vom Schiss!
Stach Süden weist die Rose
Hin zum Piraten-Riss.

Gen Süd aus luft'ger Spindel
Sich schon die Wimpel dreh'» —
Erziltre, Raubgesindel,

Wenn wir vor Anker geh'»!

Und hieltst auf Fels und Hügeln
Du deinen Raub auch fest;

Der Aar wird überflügeln
Noch weit dein Felsennest!

Am Bugspriet sitzt die Rache,

Am Steuer sitzt der Muth —

Frisch aus für Deutschlands Sache,

Tu wackres Heldenblnt!

Znm Trotze neid'schem Spotte
Strahlt groß von Afrika
Der Ruh», der kleinen Flotte -
Vorwärts! Vorwärts! Hurrah!

Kladderadatsch.

Ofsicielle Styl-Probe.

Seebad X. Er geruht, hier zu verweilen und nebst Seiner majestäti-
schen Gattin die Gewässer de« Ocean« mit Seiner Person zu beehren. Die
Wogen scheinen vom Bewußtsein ihrer hohen Mission durchdrungen: sie er-
lauben sich nur unlerthänigst die Allerhöchsten Oberflächen zu netzen, »nd
Niemand erfährt von ihnen, daß sie Ihn in seiner ganzen Blöße kennen ge-
lernt haben. Die hohen Eurgäst« haben ihr Kind einwärts gehen oder viel-
mehr bringen lassen, und zwar zwei Meilen weit, damit e« nicht von der
Seeluft berührt werde. Welche Zärtlichkeit, welch' erhabene Handlungsweise!
Ja noch mehr! Die erlauchte» Aellern beehren sogar täglich ihr Kind mit
einem Besuche und geruhen eS in Augenschein zu nehmen. — Glückliches
Kind! Reizender Anblick! — Aller Augen sind aus Ihn gerichtet, und wie über
Ihn, so erfahren die cntzllcklen Einwohner de« Bade« auch täglich von dem
Sprößlinge, was er macht. Der Strand küßt Ihm dankbar die Schuhsohlen,
und da« Gra« krümmt sich ehrfurchtsvoll unter Seinem Tritte, lim wie viel
herrlicher alhmet es sich in der Luft, da Er athmeti Ja, Er verachtet eS
nicht, über den harten Kies de« Ufers zu wandeln, wozu Cr sich Seiner
Höchsteigenen Füße zu bedienen Allerhöchstsclbst geruht. Ich Halle das hohe
Glück, Ihn von fern zu sehen. Er ging in hohe Gedanken »errieft, die
Stirn von Sorgen gefurcht, da« Haar ergrauend von Kumnicr für die
Seinen, des Rockes galten über der hochwallenden Brust zugeknöpft — —
was mochte Er denken? — Welch weltbeglttckende Ideen mochten in diesem
Haupte, da« ich leider nur von hinten zu beobachten mir erlauben durste,
emporsteigen? — Er dachte ein ganze« Zeitalter, eine neue Aera der Welt-
geschichte! — Den» Er ging allein, und Entzücken waltete in Seiner gan-
zen Umgebung."
 
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