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Vertraulich.

Schnitze. ffict Jladstone sitzt alleweile so tief in'n Wurschtkeffel, dcß
er schon mehr anfängt, mir leid zu thun!

Müller. Ach Unsinn! Bille leider thut mir sein Nachfolger, der die
Suppe auscsien muß, die er sich injebrockt hat!

Schnitze. Na, bist d» aber dämlich! Jradc seine Nachfolger halten
ihn ja immer noch, weil sich jetzt kcencr dazu hcrjcbcn will, vor ihn in den
Sumpf zu springen.

Müller. Ach so, uf die Art'! Na, denn thun mir schonst die armen
Engländer am leidsten!

Herr Pastor Schwartz in Braunschweig hat alle lutherischen Geistlichen
des Herzogthums, welche „auf deni unfehlbaren Boden des klaren Rechts
bezüglich der Thronfolge stehen", zu einer gemeinschaftlichen Bcrathung ein-
geladen.

Der Herzog von Cumberland hat mit Befriedigung von diesem Bor
gehe» Kenntniß genommen und Herrn Schwartz zu Allerhöchstseincm Hof-
prediger (vorläufig ohne Gehall) ernannt.

Bon allen Seiten wird darüber geklagt, daß viele Mitglieder des Reichs-
rind Landtags immer wieder dieselben Reden halten. Das ist ja für die
Zuhörer wenig angenehm, aber auch den Rednern selbst macht es viel über-
flüssige Arbeit. Wir möchten nun zur Hebung diescö UcbelstandeS ein ein-
faches Mittel vorschlagen.

Bor der Rednertribüne wird ein guter phonographischer Apparat auf-
gestellt, und jeder, der eine auf öftere Wiederholung angelegte Rede, eine
sogenannte Dauerredc, hält, muß laut und deutlich in denselben hinein-
sprechen. Soll nun die Rede wieder gehalten werden, so wird einfach die in
Frage kommende Staniolpavierwalze eingesetzt und von dem jüngsten
Schriftführer in möglichst raschem Tempo abgedreht. Während dieser Zeit
hält sich der Redner am besten in der Restauration auf.

Dies Verfahren eignet sich vorzüglich für alle Culturkampfreden, sowie
für die Auslastungen überBiviseclion,Studenlcn-Frühschoppen, Mensuren u.s.w.

DIufu'ofTio]iifdjcs. ■

Die Fraktionen dcS Reichstags haben durch die Bildung der Gruppe
„Langwerth v. Simm er»" einen Zuwachs erhalten.

Den Vorstand bilden: Freiherr Langwerth v. Simmern, erster
Vorsitzender, Herr v. Alten, zweiter Vorsitzender, Herr v. Estorff, Schrift-
führer. Der Vorstand sieht dem Eintritt des nächsten Mitgliedes mit
Spannung und Sehnsucht entgegen.

Eine große Anzahl von Gedichten zum siebzigsten Geburtstag dcS Reichs-
kanzlers ist »ns zur Prüfung vorgelcgt worden. Gefaßt auf alles, gehen
wir daran, u»S mit der Gewissenhaftigkeit, die uns in solchen Dingen a»S-
zeichnet und unserer Kritik einen so großen Werth verleiht, dieser Aufgabe
z» entledigen.

Die Dichterinnen haben den Vortritt.

Aurora von der Dosse singt den Fürsten in einem weihevollen Liede
an, welches mit der Sttophe beginnt:

Dir gab ein Gott Zufriedenheit
Und stillvergnügten Sinn;

So wandelst d» voll Heiterkeit
Auf Rosenpfaden hin.

Das ist schön gesagt, ist es aber auch wahr? Nein,'Aurora, wir
können weder zugeben, daß der stillvergnügte Sinn eine besonders hervor- -
stechende Charaktcr-Ejgenthümlichkeit des Reichskanzlers bildet, noch daß es ^
Rosenpfade sind, auf welchen derselbe wandelt. Denken Sie doch nur an 2
die heftigen Kammerdebatten!

Florentine Böttcher singt:

Siebzig Jahre,

Und dabei
Doch erst drsi
Weiße Haare!

Sie ist noch nicht weit« gekommen, aber der Anfang ist so meiner.'
sprechend, daß wir sie dringend bitten müsien, fortzufal>rcn..

Wenn aber Johanna Lämmchen anhcbt:

O lab dir dieses Veilchen sagen,

Wie sehr des Volks Majorität
In allen großen Tagesfragen,

O Fürst, auf Deiner Seite steht,

so müsien wir dazu bemerken, daß das Veilchen sich nicht dazu eignet, Auf-
träge solcher Art zu übernehmen.

Mächtig in's Horn stößt Adelheid von der Stolzcnburg, indem
sic schmcttert:

Auf, jauchzet, Posaunen, erdröhnet Karthaunen!

Erklinget, ihr Cymbeln, z»m herrlichsten Fest!

Erschallet, Dithyrambe» in donnernden Jamben
Daß selbst Senegambe»

Es hören im allerentferntesten West.

Ist daS aber nicht ein wenig zu viel des Getöses? Außerdem erscheinen
uns die Karthaunen nicht ganz passend und die Senegambe» zweifelhaft.
(Fortsetzung folg».)

In der Landtags-Sitzung vom 23. Februar erklärte Herr von Goßle r,
daß eine kinderreiche Familie sich nur schwer in den beschränkten Räumen
seiner Dicnstivohnung nntcrbringen lasse.

Weist nicht auch dieser Umstand darauf hin, wie dringend nöthig es
erscheint, daS Amt des Cultusministers endlich einem hohen katholischen
G e i st l i ch e n zu übertrage» ?

^6 Hemliche Htmiöe«.

verhaßt ist uns, wer unsre Ohren
Mit alten Klageliedern plagt
Von Polen, daS noch nicht verloren,

Vom Recht, das schroff der Staat versagt.
Doch einmal jüngst, ich will's bekennen,
Vernahm das alte Lied ich gern,

Als zart — es macht' ihn keiner nennen —
Man sprach vom „ungenannten Herrn".

! Schwül war die Stiinmung, dumpf und peinlich,
j Und keiner drängte sich zum Wort.

Wer mag mit Dingen, die nicht reinlich,
Befassen sich an diesem Ort?
j Kein froh Gelächter, welches freier
' Das Herz macht, meldet der Bericht;

Wohl sprach der biedre Herr von Meyer,

| Doch sagt' er nur: „Wir sprechen nicht!"

„Nicht will ich deuteln dran und drehen!'
Rief Herr von Goßler frank und frei.
„Ich that's, doch will ich gern gestehen:
Mir selber war nicht wohl dabei."

Gar offen sprach er, und ich klage
Den Herrn Minister auch nicht an;

Doch schmerzlich ist's, in solcher Lage
Zu sehen einen wackern Mann.

Schwül war's im Landtagssaal, zu sprechen
Hob keiner sich vom Sitz empor;

Da trat, den dumpfen Bann zu brechen,
Freund Windthorst aus dem dunklen Chor.
„Noch seufzt gedrückt an allen Orten
Die Kirche", hob er klagend an,

Da fühlte bei den ersten Worten
Sich froh erleichtert jedermann.

Und mancher auf des Hanfes Bänken
Sprach leis zum Nachbar: „Was er spricht,
Wir hörten's oft schon, doch verdenken
Wir heut ihm seine Schmerzen nicht!

Wie sehr er schelten mag und klagen,

Wir hören hent den Alten gern,

Denn alles kann der Mensch ertragen,

Nur — schweigt vom „ungenannten Herrn!"

Hierzu drei Beiblätter-
 
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