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Knackfuß, Hermann; Rembrandt
Rembrandt — Künstler-Monographien, Band 3: Bielefeld [u.a.]: Velhagen & Klasing, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.61324#0132
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beiden Jünger den Heiland an, der, von geheimnisvollem Licht umflutet, die
Augen nach oben wendet und das Brot bricht; die ſchmerzlichen Züge ſeines
Antlitzes ſpiegeln noch das überſtandene Erdenleiden wider. Einen wirkungs-
vollen Gegenſatz gegen die weihevolle Ergriffenheit, mit der die Jünger das Wunder-
bare erkennen, bildet die verhaltene blöde Verwunderung des jungen Dieners, der
eben ein Gexicht auf den Tiſch zu ſetzen ſich anſchickt und der das Staunen der
beiden nicht begreift; man meint zu ſehen, wie ſeine Augen von jenem auf dieſen
und dann wieder auf den dritten wandern (Abb. 125). Das Kopenhagener Bild
iſt in der Auffaſſung ähnlich, in der maleriſchen Wirkung faſt noch ſtaͤrker.

Ein ebenſo feſſelndes Meiſterwerk aus demſelben Jahre beſitzt die Louvre-
ſammlung in dem Bilde „Der barmherzige Samariter“. Wie in der frühen
Radierung iſt das Einbringen in die Herberge geſchildert. Es iſt Abend; in
dem Gaſthaus, das vor dem Tore einer Stadt an der Landſtraße liegt, beginnt
es lebendig zu werden; mehrere Pferde ſind neben dem Brunnen am Hauſe
angebunden, und die Gäſte legen ſich, da ſie wieder Hufſchläge gehört haben,
mit gewohnheitsmäßiger Neugier ins Fenſter der Wirtsſtube, um zu ſehen, wer
da noch ankommt. Die Wirtin eilt dienſtbefliſſen an die Treppe des Hauſes,
um den neuen Ankömmling in Empfang zu nehmen. Es iſt ein gut gekleideter
Mann, der da die Treppe hinanſteigt; aber nicht dieſen ſoll ſie beherbergen,
ſondern den unglücklichen Verwundeten, nach dem jener mit liebevoller Beſorgnis
ſich umſieht. Dieſer Verwundete iſt ein Bild des Jammers, er ſtöhnt, jede
Bewegung der beiden Knechte, die ihn eben vom Pferde gehoben haben, ver-
urſacht ihm Schmerzen. Niemand kann ihn ohne Bedauern anſehen, außer dem
Stalljungen, der das Pferd hält und der ſich mit der Mitleidsloſigkeit des
Knabenalters, bloß von Neugierde erfüllt, auf die Zehen hebt, um über den
Rücken des Pferdes hinweg beſſer ſehen zu können (Abb. 126). Eine Stkizze
zu dieſem Bilde, in der Anordnung etwas von ihm verſchieden, iſt ſeit 1906 im
Kaiſer-Friedrich-Muſeum zu Berlin.

Die großen weltgeſchichtlichen Ereigniſſe des ſiebzehnten Jahrhunderts gingen
im allgemeinen faſt unbemerkt an den holländiſchen Malern vorüber. Aber der
Abſchluß des Weſtfäliſchen Friedens, der ja für den niederländiſchen Freiſtaat
die endgültige Anerkennung ſeiner Unabhängigkeit brachte, ward wie von den
Dichtern, ſo auch von den Malern gefeiert. Zumeiſt beſchränkten ſich die bild-
lichen Verherrlichungen des Ereigniſfes auf die Abbildung von Feſtmahlzeiten,
die zur Feier des Friedens ſtattfanden. Rembrandt aber widmete dem Ereignis
eine große allegoriſche Kompoſition. Es iſt eine Skizze, vielleicht zur Ausführung
in großem Maßſtabe, die dann aber nicht zur Tat wurde, beſtimmt; unter dem
Namen „Die Eintracht des Landes“ wird ſie im Boymans-Muſeum zu Rotter-
dam aufbewahrt. Allegorien waren freilich nicht Rembrandts Fach, und es iſt
eie Gemiſch von Großartigkeit und Sonderbarkeiten, was wir da vor uns ſehen.
Es iſt dem Maler nicht gelungen, die Fülle der Gedanken, die er zum Ausdruck
bringen wollte, im einzelnen verſtändlich zu machen, und es ſind Stöße von
Erklärungsverſuchen über dieſes unter Rembrandts Werken ganz vereinzelt da-
ſtehende Bild geſchrieben worden.

Die Jahreszahl 1649 findet ſich merkwürdigerweiſe weder auf einem Gemälde
noch auf einer Radierung.

Unter den Radierungen von 1650 iſt eine, die das Außerſte bietet in der
Vereinigung von vollendet ſprechendem Ausdruck mit flüchtiger Skizzenhaftigkeit.
Sie ſtellt die Bekehrung des ungläubigen Thomas dar. Faſt alles iſt nur in
leichten Umriſſen angegeben; das Licht iſt angedeutet durch einen großen Strahlen-
ſchein, der das Haupt des auferſtandenen Chriſtus umgibt und ſich mit einem
beſonderen Strahl auf den knienden Thomas herabſenkt; Geſichter und Hände
ſind mit wenigen Strichen hingezeichnet, und doch erkennen wir die verſchiedenen
Empfindungen und Gedanken der Apoſtel.

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